Wimmelbilder suchen Gott

Albrecht Behmels Bilder sind eine Flut an bunten Farben und Flächen. Wer aber genauer hinsieht, dem erschließen sich tiefere Bedeutungen – oft mit Bezug zur Bibel.
Von Jörn Schumacher
Albrecht Behmel Atelier

Auf den ersten Blick sind Albrecht Behmels Bilder eigentlich nur bunte Flecken, die auf wunderliche Weise miteinander verbunden sind und hier und da Formen bilden. Wer länger hinschaut, merkt: Hier sind Dinge dargestellt – Personen, Gesichter, ja, sogar kleine Geschichten werden erzählt. Behmel nennt seine Kunstform „Abstrahismus“, und weniger kunsthistorisch streng spricht er auch schon mal von „Wimmelbildern“. Durch die schwarzen Umrandungen jeder Figur erinnern diese Bilder auch ein wenig an Kirchenfenster.

Je länger man sich diese Suchbilder anschaut, desto mehr erschließen sich ihre Inhalte. Ein dreiteiliges Gemälde Behmels, das in „seiner“ Kirche in seinem Wohnort Freudenstadt hängt, verdeutlicht das. In der katholischen Taborkirche wurden Behmel sowie seine gesamte Familie getauft, hier fühlt er sich heimisch, geht regelmäßig in den Gottesdienst. Auf dem modernen Triptychon im Eingangsbereich des Gotteshauses ist das Kirchengebäude selbst zu sehen, daneben treten Heilige aus dem Flickenteppich hervor, der Sankt Martin etwa, der seinen Mantel teilt.

Aber auch der Kinderchor der Gemeinde ist zu sehen, die „Tabor-Spatzen“, bei denen Behmels Tochter mitsingt. Tritt man einen Meter weiter weg vom Gemälde, springt einem plötzlich groß ein Christus-Bildnis deutlich vor Augen. Obwohl Jesus die ganze Zeit groß in der Mitte des Bildes am Kreuz hängt, haben die Augen ihn wohl bei näherer Betrachtung nicht wirklich erfasst. Dann erkennt man auf einmal viele weitere christliche Symbole in Umrissen: Brot, Wein, Fische.

„Die Bibel steckt voll von Metaphern und Gleichnissen, die man gut malen und damit eine Botschaft verbinden kann“, sagt Behmel. Der 53-jährige Künstler verarbeitet auch christliche Zahlensymbolik in seinen Bildern. Viele Künstler weigern sich, ihre Kunst zu erklären. Behmel ist da anders. Er klärt gerne darüber auf, was er sich mit seinen Formen und Farben gedacht hat. An der Wand neben dem bunten Triptychon hängt eine Texttafel, auf der die biblischen Gleichnisse und Symbole erklärt werden.

„Eine kleine Figur am Rand hat (so wie wir alle noch) keinen Heiligenschein“, steht da etwa, „und man kann sich fragen: Warum wohl?“ Am Ende sei es jedem Betrachter selbst überlassen, wie tief er in die Bilder und ihre Bedeutung einsteigen möchte. „Für die einen schwebt da einfach eine Taube, fertig“, sagt Behmel. „Aber wer sich tiefer damit beschäftigen möchte, kann sich fragen: Wofür steht die Taube hier? Für Frieden oder den Heiligen Geist? Ikonographisch ist es nicht unbedeutend, aus welcher Richtung sie fliegt, und so weiter.“ Seine Bilder seien mal Meditationsgegenstände, mal auch einfach nur bunte Farbtupfer in einer grauen Umgebung – oder aber sie werden zum Start für ein gutes Gespräch über den Glauben.

Behmel interessieren bei seiner Kunst die Themen Wissenschaft, Religion und ihr Verhältnis zueinander. In beiden Themenfeldern gehe es um abstrakte Dinge, und die darzustellen sei eine Herausforderung. Seine Bilder seien immer „abstrakt und bildlich zugleich“, sagt Behmel. „Ich male Bilder, die für Kinder und für Experten zugleich funktionieren.“ In den Naturwissenschaften würden Inhalte seit jeher über Bilder kommuniziert. Von den Atlanten über Skizzen aus dem Biologiebuch bis hin zu den Feynman-Diagrammen in der modernen Teilchenphysik. „Hier werden hochkomplexe Dinge so vereinfacht dargestellt, dass man sie versteht.“

In seinem Atelier in Freudenstadt hängen derzeit Werke Behmels aus den vergangenen zehn Jahren. Eine Serie ging kürzlich an die Fakultät für Physik und Astronomie an der Universität Heidelberg, ein Bild daraus besitzt er aber noch. Es heißt „Es werde Licht“ und zeigt schlichte geometrische Figuren. Ihn fasziniere die Physik schon lange, sagt Behmel. Da gehe es oft geradezu „verrückt“ zu, und man stehe mit einem Fuß häufig fast schon in spirituellen Fragen. „Was bedeutet eigentlich der Urknall für Raum und Zeit? Was war davor, wenn doch die Zeit da erst anfing, zu existieren?“

Suche nach dem Sinn

„Schon seit den Höhlenmalereien war es die große Aufgabe von Künstlern, etwas abzubilden, was eigentlich nicht abbildbar ist. Denn die Realität ist eigentlich sehr komplex.“ Behmel vergleicht das mit einem Fußballspieler, der nach dem Spiel in einem Interview sagen soll, warum seine Mannschaft gewonnen hat. „Er hat ja eben erst gespielt, eigentlich kann er nur sagen: Alles, was ich ausdrücken konnte, habe ich eben auf dem Rasen ausgedrückt. Er versucht es dann mit Sätzen wie: Wir haben besser gespielt und mehr Tore geschossen, die anderen waren schlechter. Jeder kennt die Antworten im Grunde. Vor der gleichen Aufgabe steht ein Künstler. Eigentlich kann er mit der bloßen Wiedergabe der Realität nur scheitern.“

In seinem Leben kam Behmel bereits viel herum auf der Welt. Er war in Asien, Amerika und hat schon in fast allen westeuropäischen Ländern ausgestellt. Er studierte in Heidelberg und Berlin, unter anderem Philosophie, Kunst und Geschichte, aber auch Sprachen. Danach war er freiberuflicher Autor für Film, Print, Radio und TV, unter anderem für SR, Arte, Pro7, Sat.1 und den RBB. Er textete für Hörspiele und Computerspiele.

In der Filmindustrie sei ihm insgesamt aber eine „gewisse Unehrlichkeit“ übel aufgestoßen. Als Drehbuchautor sollte er beispielsweise einmal seinen Wohnort in ein anderes Bundesland verlagern, nur um dort eine Filmförderung zu erlangen. „Das habe ich einmal mitgemacht. Beim zweiten Mal bin ich ausgestiegen. Das war ja schlichtweg Subventionsbetrug.“ Zum Glück für ihn verdiente er irgendwann mit der Malerei, die er schon seit dem Studium nebenher betrieb, genug Geld, um davon leben zu können.

Über eine befreundete Kunsthändlerin hat er enge Beziehungen in die USA. Auch beim Filmfestival in Cannes hat er bereits ausgestellt. Immer wieder trifft er so bei Gala-Veranstaltungen, wo ein Bild für einen guten Zweck versteigert wird, auch Prominente. US-Schauspieler Dustin Hoffman etwa oder den Sänger Thomas D von den „Fantastischen Vier“. Für ihn malte Behmel einmal in einer Serie dessen Leben. Beide Künstler haben Parallelen in ihrer Biografie; beide kommen aus Stuttgart, zogen weg in eine große Stadt, um am Ende wieder auf dem Land zur Ruhe zu kommen.

„Ein Künstler sollte an die Existenz von Bedeutung glauben.“

Für ihn sei Kunst immer mit einer Suche nach Sinn und somit mit seinem Glauben verbunden, sagt Behmel. Viele moderne Kunstrichtungen, die ihm nichtssagend und leer vorkommen, lehnt er ab. „Ein Künstler sollte an die Existenz von Bedeutung glauben – so wie ein Koch an den Geschmack glauben muss. Sonst macht seine Arbeit keinen Sinn.“ Das sei auch nichts anderes als ein religiöser Schritt, so Behmel. „Wenn man diesen Glauben nicht hat, treibt alles auf einen Hedonismus zu, auf Materialismus. Und meistens funktionieren Gesellschaften, die darauf aufbauen, nicht gut.“ Er findet: Eine Welt, die sich nur an die Zehn Gebote hielte, bräuchte keine Polizei und keine Gefängnisse. „Familien, Gesellschaften oder Dörfer, die sich nach dem Wertekompass ausrichten, gedeihen viel gesünder.“

Ein Bild als Gottesdienst

Behmel führt durch seine Galerie und zeigt die einzelnen Phasen seiner Schaffenskraft. Auf dem wuseligen Bild „Garten Eden“ erkennt man auf den ersten Blick außer einem Chaos aus grünen und blauen Feldern fast nichts. Erst nach und nach bauen sich Figuren wie Pflanzen und Tiere vor dem Auge auf. „Adam bekommt den Auftrag, alle Pflanzen und Tiere zu benennen“, so Behmel und zeigt auf eine männliche Figur im Bild. „Im Grunde eine sehr wissenschaftliche Aufgabe! Forscher tun das unter der Bezeichnung Taxonomie auch. Adam war sozusagen der erste Wissenschaftler.“

Sein Bild vom Paradies mit der Schlange sieht er fast als Warnung: „Für alle, die versuchen, einen Garten anzulegen und etwas Perfektes zu schaffen. Es gibt keinen Schutz davor, dass es Schlangen gibt.“

Ein Bild mit dem Titel „Turmbau zu Babel“ zeigt eine moderne Großstadt. Einen Turm gibt es hier aber nicht, auch keine Menschen. „Die heutige Entsprechung zum Turmbau von Babel ist die Online-Welt“, sagt Behmel. „Mit ihren ‚sozialen Medien‘. Doch eigentlich isolieren sie uns, jeder sitzt nur noch alleine zu Hause, hinter jedem Fenster auf dem Bild sitzt jemand und tippt auf seinem Handy herum.“ Behmel erklärt sein Bild so: „Jeder ist zwar irgendwie mit den anderen verbunden, aber eben doch auch isoliert. So war es auch in Babel: Die Menschen bauten etwas, was größer als sie selbst war, doch was sie bekamen, war eine Welt, in der sie nicht mehr miteinander sprechen.“

Jedes geistliche Bild sei immer auch ein Gottesdienst, ist Behmel überzeugt. „Der große Schöpfer wird imitiert von dem kleinen Schöpfer, dem Künstler. Eltern kennen das von ihren Kindern: Sie bringen irgendein Gekrakel und verlangen nach einer Stellungnahme. So muss sich Gott wohl auch fühlen, wenn Albrecht Behmel mal wieder ein Gekrakel angefertigt hat.“

Dieser Text erschien in der Ausgabe 3/2025 des Christlichen Medienmagazins PRO. Sie können das Heft hier kostenlos bestellen oder online lesen.

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