Behutsamer Umgang gefordert
Wer sich nun fragt, wie es dazu kommen konnte, muss sich vor Augen führen, wie sehr Mazyek derzeit bedrängt wird. Nach den Anschlägen von Paris im Januar demonstrierte er am Brandenburger Tor mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck für eine offene Gesellschaft. Medienberichten zufolge warfen ihm Kritiker aus den anderen Islamverbänden daraufhin vor, er stilisiere sich zum „selbst-ernannten Ober-Moslem“. Bekir Alboga, der Dialogbeauftragte des größten deutschen Islamverbandes Ditib, beschwerte sich laut der Süddeutschen Zeitung über Mazyeks politische Alleingänge: „Wir standen als diejenigen da, deren Haltung zu Terror, jüdischen Opfern und Meinungsfreiheit zweifelhaft ist“, sagte er über die Demo am Brandenburger Tor, und weiter: „Dabei hatten wir uns genauso klar von den Taten distanziert wie der ZMD.“ Mazyek konterte öffentlich und forderte die Verbände zu „mehr Behutsamkeit und Sachlichkeit im Umgang miteinander“ auf, dies gehöre schließlich auch zu einer vorbildlichen islamischen Verhaltensweise. Dabei ist der Vorwurf der Ditib nicht ganz unbegründet: Der Koordinationsrat der Muslime umfasst vier verschiedene Organisationen. Mazyeks Zentralrat ist mit 24 Mitgliedsorganisationen der kleinste von ihnen. Die Ditib ist die größte Gruppe im Koordinationsrat und bringt 950 Moscheegemeinden zusammen. Wer aber kennt zum Beispiel Nevzat Yaşar Aşikoğlu? Das ist der Vorsitzende der Ditib. In der Öffentlichkeit ist er so gut wie nicht sichtbar. Mazyek aber ist es. Es musste also irgendwann zum Deutungsstreit kommen. Dass Mazyek zunehmend als Stimme der deutschen Muslime wahrgenommen wird, ist sicher nicht allein ihm anzurechnen. Wie so oft bedingen sich Medien und Politik. Weil Mazyek schnell und kompetent reagiert, wird er angefragt. Dem Islam in Deutschland ist das zunächst ein Gewinn. Denn Mazyek zählt zu jenen Muslimen, die immer und unermüdlich zu Frieden und Miteinander aufrufen. Ob er damit auch die rund 6.000 Salafisten in Deutschland erreicht, vermag niemand zu sagen. Zumindest aber wird er öffentlich gehört. Dass er nun wegen seines überdurchschnittlichen Engagements unter Druck gerät, kann man folglich auch bedauern. Doch wenn alles gut läuft, führt diese Entwicklung vielleicht zu einer Reifung im islamischen Spektrum. Verbände wie die Ditib oder der Islamrat, die sich bisher als wenig medienwirksam gezeigt haben, sehen sich nun stärker herausgefordert, das Gesicht des Islams in Deutschland mitzuprägen. Das wäre vor allen Dingen ehrlicher. Denn der deutsche Islam ist nicht der des Zentralrats. Es ist der aller Verbände – und der tausenden Muslime, die sich nicht durch selbige vertreten sehen. Laut der Studie des Innenministeriums „Muslimisches Leben in Deutschland“ gehören zwar über 20 Prozent der Muslime Moscheegemeinden an – aber 36 Prozent bezeichnen sich als sehr gläubig. Wer für jene Frommen, die nicht organisiert sind, sprechen kann, ist und bleibt eine offene Frage, die der institutionalisierte Islam versuchen muss, zu beantworten. Und zwar erst recht in Zeiten, in denen die Zahl junger Deutscher wächst, die in den gewaltsamen Dschihad ziehen. Aiman Mazyek haben wir diese Frage übrigens gestellt und er hat geantwortet. Nur drucken dürfen wir seine Worte nicht. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/muslime-planen-mahnwache-in-berlin-90667/