Mit sieben Prozent hat es die „Alternative für Deutschland“ (AfD) bei der Europawahl erstmals ins Parlament geschafft. pro hat die evangelische Christin und AfD-Vorsitzende Frauke Petry gefragt, was Deutschland von der jungen Partei erwarten kann.
Von PRO
Foto: Frank Ossenbrink / AfD
Frauke Petry sieht christliche Werte in der Alternative für Deutschand gut vertreten
Dass Frauke Petry Zeit für die Politik findet, überrascht. Die 38-Jährige ist nicht nur AfD-Gründungsmitglied, sondern auch Unternehmerin, Mutter von vier Kindern und Pfarrersfrau. In ihrem Heimatland Sachsen hat die Partei knapp über zehn Prozent der Stimmen erhalten. Petry hält die Wortwahl des Parteivorsitzenden Bernd Lucke keinesfalls für übertrieben, der die AfD am Wahlabend eine „neue Volkspartei“ genannt hat. Die AfD werde künftig im Europaparlament dafür kämpfen, dass die EU ihre Kompetenzen begrenzen und sparsamer mit Steuergeldern umgehen solle. Auch die ihrer Ansicht nach noch lange nicht überwundene Eurokrise und die hohe Verschuldung der Mitgliedsstaaten beschäftige die Partei. Dabei sei es wichtig, die AfD zwar als Euro-kritisch, nicht aber als Europa-kritisch wahrzunehmen: „Wir wollen, dass Europa ein Erfolgsprojekt bleibt“, sagt Petry und nennt Punkte, an denen Deutschland von der Europäischen Union profitiert, wie offene Grenzen und Märkte. „Aber die Kosten steigen, und niemand in Brüssel sägt gerne den Ast ab, auf dem er sitzt“, erklärt sie. Die AfD sitzt nun auch auf diesem Ast: In Landesparlamente oder in den Bundestag hat es die Partei bisher nicht geschafft.
Zudem mangele es Instanzen und Entscheidungen der EU an demokratischer Legitimation – „Das Volk wird einfach nicht ausreichend gefragt“, kritisiert Petry und fordert mehr Bürgerbeteiligung, etwa durch Volksentscheide. Ein Ausstieg aus dem Euro müsse zumindest durchgerechnet werden und als Option im Raum bleiben – „das würde zwar teuer, aber weitere Crashs werden es auch“. Dass Politiker der etablierten Parteien die Vorschläge der AfD „hochgefährlich“ (Peer Steinbrück, SPD) und „kindisch“ (Volker Bouffier, CDU) finden, stört Petry nicht, sagt sie.
Auch den häufig von Medien und Politikwissenschaftlern geäußerten Vorwurf, die AfD sei rechtspopulistisch, hält Petry für einen „billigen Trick“, um die AfD in die „rechte Ecke“ zu schieben. Den Vorwurf der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, die AfD vertrete fremdenfeindliche Parolen und bewege sich an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit, weist Petry zurück. Schließlich habe die AfD zahlreiche Mitglieder mit Migrationshintergrund und bekenne sich zum Asyl für politisch Verfolgte. „Jede neue Partei schöpft ein Protestpotenzial ab“, erklärt Petry. „Die Statistiken von der Bundestagswahl zeigen, dass wir über das gesamte politische Spektrum hinweg Wähler gewonnen haben. Wir fischen nicht am rechten Rand.“
„In der AfD sammeln sich Christen“
Tatsächlich hat die AfD bei der Bundestagswahl 2013 am meisten ehemalige Wähler der FDP (430.000) und der Linkspartei (340.000) gewonnen. Bei der Europawahl konnte sie der CDU 470.000 Stimmen abknöpfen. 170.000 Wähler kamen von der SPD, 100.000 von der Linkspartei und 50.000 von der FDP. „Wir sind aber nicht die FDP 2.0“, sagt Petry. Die FDP habe in den vergangenen Jahren gerade im Bezug auf die Familienpolitik wenige Werte erkennen lassen. Auch bei der CDU sieht Petry keine christlichen Überzeugungen: „Die tragen das C nur noch im Namen“, erklärt sie. Zwar sei die AfD nicht als explizit christliche Partei gegründet worden und habe auch einen liberalen Flügel, aber: „Die Tatsache, dass viele Werte unserer Kultur in der christlichen Tradition wurzeln und von den anderen Parteien nicht mehr vertreten werden, führt dazu, dass sich in der AfD viele Menschen sammeln, die diese Werte weiterhin hochhalten wollen.“ Die Aufwertung der eingetragenen Lebenspartnerschaft zur Ehe lehnt die AfD ab, wie auch eine Ausweitung des Adoptionsrechts für homosexuelle Paare. Petry wünscht sich genau wie der Parteivorsitze Bernd Lucke weniger Abtreibungen in Deutschland, sieht aber keine politische Durchsetzbarkeit für eine Reform des Abtreibungsrechts. Kritiker dieser Positionen sehen in der AfD eine „heteronormative“ und „anti-feministische“ Organisation – so formulierte es jedenfalls die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung im April und kritisierte die angebliche Nähe der AfD zu Christen, die sich im Umfeld der Deutschen Evangelischen Allianz bewegen.
Petry hat einen Doktor in Chemie und leitet ein kleines Unternehmen – für ihr Lebensmodell, das Wissenschaft, Wirtschaft und Familie vereint, wurde sie 2012 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fällt ihr aber nicht immer leicht: „Momentan bleibt für die Familie zu wenig Zeit“, gibt sie zu. „Aber ich wollte immer Kinder und Arbeit, und habe Gott sei Dank einen Partner, der mich unterstützt.“ Ihr Mann ist Pfarrer von vier evangelischen Kirchengemeinden südlich von Leipzig. Petry befürwortet das Betreuungsgeld, sieht aber einen grundsätzlichen Konstruktionsfehler in der deutschen Sozial- und Familienpolitik: „Den Familien wird aktuell das Geld über Steuern und Sozialbeiträge weggenommen, dann erhalten sie es teilweise durch Kindergeld, Elterngeld und Betreuungsgeld zurück – wäre es nicht einfacher, den Familien ihr erarbeitetes Geld von vornherein und damit auch ihre Entscheidungsfreiheit zu belassen?“, fragt sie und ergänzt zur Gender-Debatte: „Wenn Feminismus heute die Auflösung der biologischen Geschlechter propagiert, führt er sein Ziel, Frauen aus einem gesellschaftlichen Korsett zu befreien, ad absurdum.“ Es sei utopisch zu glauben, dass eine Beseitigung von historisch gewachsenen Rollenbildern per se zu mehr Orientierung und einer zukunftsfähigen Gesellschaft führe. „Ebenso wie in Erziehung und Bildung muss eine freiheitliche Gesellschaft jedoch diverse Rollenbilder beider Geschlechter respektieren, aber bitte ohne staatliche Subventionitis wie beim Gender-Mainstreaming.“
Familie Petry wohnt in unmittelbarer Nähe zur Kirche, daher fällt der regelmäßige Gottesdienstbesuch leicht. Ihr Glaube motiviert Petry: „Als Christ möchte ich mich dafür einsetzen, dass unsere Gesellschaft von Transparenz und Ehrlichkeit geprägt ist“, sagt sie. Dass sich vereinzelte Freunde und Bekannte wegen ihres Engagements in der AfD von ihr abgewandt haben, belastet sie angeblich nicht: „So sind die Menschen – ich sehe das als ein Zeichen für mangelnde politische Toleranz.“ (pro)
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