Ändert Paris etwas an der Flüchtlingsfrage?

Die Öffentlichkeit streitet, ob die Anschläge von Paris als Argument gegen die Aufnahme von Flüchtlingen verwendet werden dürfen. Es wird sich nicht vermeiden lassen, die Zusammenhänge beider Themen zu diskutieren. Ein Kommentar von Moritz Breckner
Von PRO
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Seit der Terrorserie in Paris am Freitagabend streiten Politik, Medien und Bevölkerung darüber, ob man die Debatte um die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung auch mit der Ursachenforschung zu den Anschlägen vermengen darf. Besonders auf Facebook und Twitter findet dabei ein reger Austausch statt. Aufsehen erregte der katholische Journalist Matthias Matussek, als er noch am Freitagabend schrieb: „Ich schätze mal, der Terror von Paris wird auch unsere Debatten über offene Grenzen und eine Viertelmillion unregistrierter junger islamischer Männer im Lande in eine ganz neue frische Richtung bewegen.“ Die Aussage verzierte er mit einem lachenden Smiley, den er später in einen traurigen abänderte. Sowohl Bild-Chefredakteur Kai Diekmann als auch dessen Erzrivale, der linke Medienblogger Stefan Niggemeier, kritisierten Matussek in seltener Einheit heftig für die Aussage. Welt-Chefredakteur Jan-Eric Peters distanzierte sich von seinem Starautor und nannte Matusseks Posting „durchgeknallt“. Zeitpunkt und Tonart von Matusseks Posting mögen unangemessen gewesen sein – der von ihm hergestellte Zusammenhang zwischen den anhaltenden Flüchtlingsströmen, Deutschlands offenen Grenzen und der steigenden Gefahr von Terroranschlägen wird seitdem in den sozialen Netzwerken rege diskutiert. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) twitterte: „#ParisAttacks ändert alles. Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen“ Prompt erntete der Politiker einen Shitstorm von der politischen Linken. Schließlich seien Anschläge des Islamischen Staats (IS) wie die in Paris der Grund, warum sich so viele Menschen auf die Flucht nach Europa machten.

Kamen Attentäter als Flüchtlinge über Griechenland?

Söders Kritiker haben teilweise recht, denn es kommen viele Menschen nach Europa, die vor Krieg und Gewalt fliehen und sich ein Leben in Frieden und Freiheit wünschen. Viele fliehen vor jenem IS, der nun in Paris gemordet hat, andere vor Syriens Machthaber Assad, wieder andere fliehen vor Armut und schlechten Zukunftsperspektiven. Viele Gemeinden durften schon erleben, wie sich muslimische Flüchtlinge zum Christentum bekehrt haben. Das ist großartig, wie auch die Hilfe, die die Flüchtlinge durch freiwillige Helfer erfahren. Söders Kritiker liegen aber falsch, wenn sie eine offensichtlich notwendige Debatte unterbinden wollen. Mindestens sieben junge Männer haben in Frankreich über 120 Menschen ermordet und dabei „Allah ist groß“ gerufen. Es liegt auf der Hand, dass hier für den Durchschnittsbürger die Assoziation nicht weit ist zu über einer Millionen Asylbewerbern, die 2015 nach Deutschland einreisen. Die meisten von ihnen sind junge Männer, die meisten von ihnen sind Muslime, mindestens Zehntausende sind bereits ungezählt und unregistriert eingereist. Wie könnte man angesichts der Morde von Paris nicht fragen, ob hier eventuell ein Sicherheitsrisiko bestehen könnte? Medien meldeten am Samstagabend, dass mindestens einer der Attentäter wahrscheinlich als Flüchtling über Griechenland nach Frankreich gekommen ist. Wenn das keine Debatte über Angela Merkels Politik der offenen Grenzen auslöst, was dann? Darum gibt es nur eines, was an Söders Aussage kritikwürdig ist: Die Implikation, vor den Anschlägen in Frankreich sei die illegale und unkontrollierte Masseneinwanderung weniger falsch gewesen als hinterher.

Medien sprechen von „Staatsversagen“

Seit Monaten ist zu beobachten, wie nicht nur das Vertrauen in die Bundesregierung, sondern auch das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen schwinden. Der Staatsrechtler und ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) erklärte: „Wenn ein Staat seine Grenzen aufgibt, gibt er ein Stück der eigenen Staatlichkeit insgesamt auf.“ Die Tageszeitung die Welt titelte vergangene Woche: „Herbst der Kanzlerin. Geschichte eines Staatsversagens.“ Vielleicht sind diese Worte zu hart, denn ungewöhnliche Zeiten verlangen ungewöhnliche Maßnahmen der Exekutive. Entsprechend hat Angela Merkel reagiert, als sie entgegen gültiger Rechtslage plötzlich Flüchtlinge aus Ungarn einreisen ließ. Ob diese Entscheidung humanitär geboten war, sei dahingestellt. Die Frage lautet, ob die Bundesregierung und auch die Kanzlerin jetzt persönlich bereit sind, ihre Handlungsweise auf den Prüfstand zu stellen. Welt-Herausgeber Stefan Aust und der Chefredakteur des Magazins Cicero, Christoph Schwennicke, vergleichen die Anschläge mit der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe von Fukushima. Schwennicke prognostiziert: „Die konzentrierte Anschlagsserie von Paris wird so unmittelbare Folgen für die deutsche Flüchtlingspolitik haben wie seinerzeit die Reaktorkatastrophe von Fukushima auf Merkels Atompolitik“. Damals habe Merkel „Das war’s“ gesagt, und dies gelte auch jetzt. Aust kommentiert: „Ob das Menetekel von Paris Angela Merkel empfänglicher macht für die inzwischen fast verzweifelten Mahnungen und Warnungen der deutschen Sicherheitsbehörden, bleibt abzuwarten. Viel Zeit dafür ist nicht.“ Wenn sich die Indizien vom Samstag als richtig erweisen, dass mindestens ein Attentäter als Flüchtling in die EU gekommen ist, ist der Zusammenhang zwischen Terrorgefahr und Asylbewerbern da. Er kann nicht mehr wegdiskutiert werden. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/wie-christen-auf-die-anschlaege-in-paris-reagieren-94061/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/kirche/detailansicht/aktuell/kirche-erschuettert-ueber-terror-in-paris-94062/
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