Wird nun mit der Übernahme durch Facebook alles anders?
„Wir interessieren uns nicht für Informationen über unsere Nutzer“, erklärte Koum noch im Januar. Der 37-jährige WhatsApp-Mitgründer verfolgt eine gewisse Ideologie, was seine App angeht, und die ist mit bestimmt durch seine eigene Biographie. In den 90er Jahren kam er als Teenager aus einem ukrainischen Dorf und aus armen Verhältnissen mit seiner Mutter in die USA. Die Überwachung im Sowjet-Regime habe seinen Sinn für Datenschutz geschärft, sagt der heutige Milliardär. Der Film „Das Leben der Anderen“ über den Abhörwahn der Stasi habe ihn beeindruckt. Seine Kommunikations-App sollte anders sein, keine Stasi, sondern eine Hilfe für die Menschen. „Wir sind nicht gierig“, sagte Koum am Rande der Internet-Konferenz DLD in München. „Und wir sind sparsam.“ Anfangs finanzierte sich WhatsApp nur über den Preis für die App; später stellte die App auf eine jährliche Abo-Gebühr von einem Dollar um. Auch nach dem Verkauf an Facebook soll sich nichts ändern, beteuern sowohl der WhatsApp-Gründer Koum als auch Mark Zuckerberg, Chef des Giganten Facebook. In einem Blogeintrag schreibt Koum, auch in Zukunft würden keine Werbeanzeigen die Kommunikation mit Freunden stören. Es hätte keine Partnerschaft mit Facebook gegeben, wenn WhatsApp hier Kompromisse hätte machen müssen, sagte Koum laut dpa. Koum und Zuckerberg erklärten, WhatsApp werde eigenständig bleiben. Allerdings merkte der neue Besitzer Zuckerberg an, die Sache mit dem Geldverdienen könne man bei WhatsApp durchaus noch verbessern.Facebook unter Druck
Mark Zuckerberg muss sich etwas einfallen lassen, um das ausgegebene Geld wieder reinzuholen. Als Facebook 2012 an die Börse ging, kostetet die Facebook-Aktie zwar erst stolze 38 Dollar, danach fiel ihr Wert jedoch zeitweise auf weniger als die Hälfte. Auch wenn sie sich mittlerweile wieder gefangen hat, muss sich Zuckerberg fragen, wie er die Anleger zufriedenstellen will. Irgendwann kann die Zahl der Neuanmeldungen nicht mehr wachsen, der Markt ist gesättigt. Der einzige Weg, um Geld zu generieren, ist Werbung, wenn er keine Nutzungsgebühren erheben will, was wahrscheinlich den Tod von Facebook bedeuten würde. Mittlerweile steckt Facebook die Anzeigen direkt zwischen die Einträge im Nachrichtenstrom der Nutzer. Jetzt wird die Werbung häufiger angeklickt als zuvor am Rand des PC-Bildschirms. Im Weihnachtsquartal verbuchte Facebook 2,6 Milliarden Dollar Umsatz und einen Gewinn von 523 Millionen Dollar. Kaum einem Unternehmen liegt ein Schatz wie der der persönlichen Nutzerdaten mitsamt ihren Interessen und Beziehungsgeflechten so ausgebreitet vor wie Facebook. Die User posten – quasi direkt in die Arme der Marketingabteilung – was sie mögen, was sie nicht mögen, was sie kaufen und was sie denken. Mit dem Kauf von WhatsApp verfügt Facebook nun auch über die Handy-Nummern der Nutzer und ihre Nachrichten. Ob das Unternehmen so dreist sein wird, die Inhalte der Chats für Marketingzwecke auszuwerten, darüber kann man derzeit nur spekulieren. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar sagte am Donnerstag, wegen des hohen Kaufpreises von 19 Milliarden Dollar „kann man davon ausgehen, dass eine Kapitalisierung über die personenbezogenen Daten der Nutzer erfolgen muss“. Er betont, mit der Übernahme werde sich WhatsApp künftig an europäisches Datenschutzrecht halten müssen. Boris Wita von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein sagte der dpa: „Wir gehen davon aus, dass [die WhatsApp-Daten] auch mit den Facebook-Daten verknüpft werden. Das ist für Facebook bares Geld wert.“ Auch Carola Elbrecht, Digitalexpertin vom Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin, betonte: „Facebook ist ja nun keine Wohltätigkeitsorganisation, also hier stecken ganz klar auch wirtschaftliche Interessen dahinter.“ WhatsApp sammelt zwar keine Angaben zu Alter, Geschlecht oder Wohnort seiner Nutzer, sagt c‘t-Redakteur Johannes Bager der dpa, aber andere Datenquellen haben sich für Facebook nun erschlossen: Die App greift auf die Kamera und das Mikrofon des Smartphones zu – das muss auch so sein, wenn man über die App Fotos und Videos verschicken will. (pro)
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