Achtung! Datenkrake in Ihrer Hosentasche

Wäre Facebook ein Land, hätte es mehr Einwohner als die USA. Die Datenkrake, der weltweit über eine Milliarde Menschen persönliche Daten anvertrauen, hat am Mittwoch den Konkurrenten WhatsApp gekauft. Schade, denn gerade WhatsApp verzichtete bislang darauf, zu viele persönliche Daten über seine Nutzer in Erfahrung zu bringen. Eine Analyse von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Facebook hat Whatsapp gekauft - Müssen wir nun Angst vor der Datenkrake haben?
Facebook ist nun zehn Jahre alt und das größte Soziale Netzwerk im Internet. Die Webseite hat über 1,23 Milliarden aktive Nutzer. In Deutschland ist jeder Zweite (56 Prozent) bei Facebook aktiv. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Facebook den Rivalen WhatsApp gekauft hat. Man beachte, wie viel den Facebook-Inhabern der Kurznachrichtendienst wert war: 19 Milliarden Dollar (16 Milliarden in bar sowie eigene Aktien) blätterte das US-Unternehmen auf den Tisch. Zum Vergleich: Die bis dahin teuerste Übernahme von Facebook fand im April 2012 statt; damals kaufte das Unternehmen die Foto-Plattform Instagram mit 30 Millionen Nutzern. Der Preis lag gerade einmal bei rund einer Milliarde Dollar. WhatsApp ist eben längst nicht mehr der Insider-Tipp für Sparfüchse, die sich die zumeist kostenpflichtigen SMS sparen wollen. Weltweit sind 450 Millionen Nutzer bei WhatsApp angemeldet. Wer WhatsApp nutzen möchte, muss sich nicht anmelden; er muss weder seinen Geburtstag, noch den -ort angeben, nicht einmal seinen Namen. Die Smartphone-App benötigt lediglich die Handy-Nummer des Nutzers. Die Anwendung greift dann auf das Adressbuch im Telefon zu, um abzugleichen, wer von den Kontakten ebenfalls WhatsApp nutzt. Zum Erfolg trug bei, dass über die App Nutzer verschiedener Plattformen wie Android, Apples iPhone-System iOS, Windows Phone oder Blackberry miteinander kommunizieren können. Mittlerweile werden täglich 18 Milliarden Kurznachrichten über WhatsApp verschickt. Besonders bei Jugendlichen ist die konstante Kommunikation ein Hit. Fast drei Viertel aller Teenager in Deutschland haben ein Smartphone, zeigt die JIM-Studie. 70 Prozent von ihnen haben WhatsApp installiert. Bislang nervte die App ihre Nutzer nicht damit, um private Daten zu quengeln. Während Facebook im wahrsten Sinne des Wortes davon lebt, möglichst viel über seine Nutzer zu erfahren, um Werbung möglichst genau auf ihre Bedürfnisse abzustimmen, wollte WhatsApp bislang nie mehr als die Telefonnummer – und einen Dollar pro Jahr. Auch versprach WhatsApp, anders als Facebook, niemals Werbung zu posten und die Nutzerdaten auszuwerten. Dies wird angeblich bezeugt durch eine handschriftliche Notiz, die Mitgründer Jan Koum an seinen Schreibtisch geklebt hat: „Keine Werbung! Keine Spiele! Kein Schnickschnack!“

Wird nun mit der Übernahme durch Facebook alles anders?

„Wir interessieren uns nicht für Informationen über unsere Nutzer“, erklärte Koum noch im Januar. Der 37-jährige WhatsApp-Mitgründer verfolgt eine gewisse Ideologie, was seine App angeht, und die ist mit bestimmt durch seine eigene Biographie. In den 90er Jahren kam er als Teenager aus einem ukrainischen Dorf und aus armen Verhältnissen mit seiner Mutter in die USA. Die Überwachung im Sowjet-Regime habe seinen Sinn für Datenschutz geschärft, sagt der heutige Milliardär. Der Film „Das Leben der Anderen“ über den Abhörwahn der Stasi habe ihn beeindruckt. Seine Kommunikations-App sollte anders sein, keine Stasi, sondern eine Hilfe für die Menschen. „Wir sind nicht gierig“, sagte Koum am Rande der Internet-Konferenz DLD in München. „Und wir sind sparsam.“ Anfangs finanzierte sich WhatsApp nur über den Preis für die App; später stellte die App auf eine jährliche Abo-Gebühr von einem Dollar um. Auch nach dem Verkauf an Facebook soll sich nichts ändern, beteuern sowohl der WhatsApp-Gründer Koum als auch Mark Zuckerberg, Chef des Giganten Facebook. In einem Blogeintrag schreibt Koum, auch in Zukunft würden keine Werbeanzeigen die Kommunikation mit Freunden stören. Es hätte keine Partnerschaft mit Facebook gegeben, wenn WhatsApp hier Kompromisse hätte machen müssen, sagte Koum laut dpa. Koum und Zuckerberg erklärten, WhatsApp werde eigenständig bleiben. Allerdings merkte der neue Besitzer Zuckerberg an, die Sache mit dem Geldverdienen könne man bei WhatsApp durchaus noch verbessern.

Facebook unter Druck

Mark Zuckerberg muss sich etwas einfallen lassen, um das ausgegebene Geld wieder reinzuholen. Als Facebook 2012 an die Börse ging, kostetet die Facebook-Aktie zwar erst stolze 38 Dollar, danach fiel ihr Wert jedoch zeitweise auf weniger als die Hälfte. Auch wenn sie sich mittlerweile wieder gefangen hat, muss sich Zuckerberg fragen, wie er die Anleger zufriedenstellen will. Irgendwann kann die Zahl der Neuanmeldungen nicht mehr wachsen, der Markt ist gesättigt. Der einzige Weg, um Geld zu generieren, ist Werbung, wenn er keine Nutzungsgebühren erheben will, was wahrscheinlich den Tod von Facebook bedeuten würde. Mittlerweile steckt Facebook die Anzeigen direkt zwischen die Einträge im Nachrichtenstrom der Nutzer. Jetzt wird die Werbung häufiger angeklickt als zuvor am Rand des PC-Bildschirms. Im Weihnachtsquartal verbuchte Facebook 2,6 Milliarden Dollar Umsatz und einen Gewinn von 523 Millionen Dollar. Kaum einem Unternehmen liegt ein Schatz wie der der persönlichen Nutzerdaten mitsamt ihren Interessen und Beziehungsgeflechten so ausgebreitet vor wie Facebook. Die User posten – quasi direkt in die Arme der Marketingabteilung – was sie mögen, was sie nicht mögen, was sie kaufen und was sie denken. Mit dem Kauf von WhatsApp verfügt Facebook nun auch über die Handy-Nummern der Nutzer und ihre Nachrichten. Ob das Unternehmen so dreist sein wird, die Inhalte der Chats für Marketingzwecke auszuwerten, darüber kann man derzeit nur spekulieren. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar sagte am Donnerstag, wegen des hohen Kaufpreises von 19 Milliarden Dollar „kann man davon ausgehen, dass eine Kapitalisierung über die personenbezogenen Daten der Nutzer erfolgen muss“. Er betont, mit der Übernahme werde sich WhatsApp künftig an europäisches Datenschutzrecht halten müssen. Boris Wita von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein sagte der dpa: „Wir gehen davon aus, dass [die WhatsApp-Daten] auch mit den Facebook-Daten verknüpft werden. Das ist für Facebook bares Geld wert.“ Auch Carola Elbrecht, Digitalexpertin vom Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin, betonte: „Facebook ist ja nun keine Wohltätigkeitsorganisation, also hier stecken ganz klar auch wirtschaftliche Interessen dahinter.“ WhatsApp sammelt zwar keine Angaben zu Alter, Geschlecht oder Wohnort seiner Nutzer, sagt c‘t-Redakteur Johannes Bager der dpa, aber andere Datenquellen haben sich für Facebook nun erschlossen: Die App greift auf die Kamera und das Mikrofon des Smartphones zu – das muss auch so sein, wenn man über die App Fotos und Videos verschicken will. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/moralinstanzen-facebook-statt-kirche/
https://www.pro-medienmagazin.de/medien/internet/detailansicht/aktuell/10-jahre-facebook/
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