Die Diskussion um homosexuelle Partnerschaften in evangelischen Pfarrhäusern geht weiter. In der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt", die vor einer Woche den Bannbrief von acht ehemaligen evangelischen Bischöfen abdruckte, sagt der Vizepräses der EKD-Synode Günther Beckstein nun, er könne die Bischöfe verstehen. Acht weitere Theologen erheben in der "Zeit" jedoch Einspruch gegen den Brief.
Von PRO
Foto: Andreas Feusi / flickr
In der "Zeit"-Rubrik "Glauben und Zweifeln" sind nun die Antworten von acht liberalen Theologen abgedruckt, die dem offenen Brief der Altbischöfe gegen homosexuelle Partnerschaften im Pfarrhaus widersprechen.
Stefanie Schardien, Juniorprofessorin für Systematische Theologie in Hildesheim, etwa ist der Ansicht, dass Pfarrerinnen und Pfarrer der evangelischen Kirche heutzutage längst nicht mehr in einem klassischen Familienzusammenhang stünden; sie seien heute "Single, getrennt, geschieden, kinderlos oder neu verheiratet". Leitbild sei ein "verantwortliches und liebesvolles Miteinander". Bernd Oberdorfer, Professor für Systematische Theologie in Augsburg, erklärt, es gehöre zur "Natur des Menschen", seinen Vorgaben gemäß in ein gestaltendes Verhältnis zu treten. "Homosexuelle erfinden ihre Neigung nicht, sie finden sie vor." In der evangelischen Kirche werde "schon lange" nicht mehr behauptet, dass Sexualität nur dann natürlich sei, wenn sie die Möglichkeit der Fortpflanzung einschließt. Jesus habe die Ausgrenzung gegenüber dem Andersartigen infrage gestellt.
Die Professorin für Systematische Theologie und Ökumene in Paderborn, Helga Kuhlmann, schreibt: "Die christliche Religion, in der Gott die Liebe und die Quelle der Liebe ist, gebietet Respekt vor allen, die sich lieben." Homosexuelle Menschen habe es zu allen Zeiten gegeben, "doch noch immer werden sie diskriminiert". Peter Dabrock, Ordinarius für Systematische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg, fragt: "Wer lebt die Vielehe, weil sie Glaubensväter Abraham, Isaak und Jakob eine solche geführt haben? Wer hält sich Sklaven, weil Paulus es Christen durchaus erlaubt?" Nie hätten Christen biblische Worten eins zu eins auf ihr Leben übertragen. Die Bibel habe sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt, ist der Theologe überzeugt.
Michael Nausner, Professor für Systematische Theologie in Reutlingen, ist der Meinung, die Menschen der Bibel hätten ein "heutiges Konzept gleichgeschlechtlicher" Liebe nicht kennen können. Daher könne die Bibel nicht als Begründung für den "Ausschluss vom Heil" homosexueller Menschen dienen. Jesus habe nach biblischem Zeugnis "kein Sterbenswörtchen" zur Frage gleichgeschlechtlicher Liebe" gesagt. Das neue Pfarrdienstgesetz stelle Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und gegenseitige Verantwortung als Maßstäbe auf, erinnert Johann Ev. Hafner, Professor für Religionswissenschaft in Potsdam. "Erst die Verbindlichkeit macht eine Verbindung zur Ehe." Die "neuere Psychologie" habe gezeigt, dass ein bestimmter Prozentsatz von Menschen eine gleichgeschlechtliche Natur habe. Niemand werde schwulen oder lesbischen Paaren kategorisch absprechen, dass sie zu gegenseitiger Verantwortung und Verlässlichkeit fähig seien. Auch Ulrike Link-Wieczorek, Professorin für Theologe in Oldenburg, ist der Meinung, dass in den jüngeren Jahrzehnten "die Sexualität als ein spezifisches Gestaltungsmittel von Dauerhaftigkeit neu entdeckt" worden sei. Zudem umfasse Gottes Liebe "jeden einzelnen Menschen". Martin Hailer, der Ökumenische Theologie an der Universität Erlangen lehrt, widerspricht der Aussage der Altbischöfe, dass mit der Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Ehe im Pfarrhaus jeder Fortschritt zu ökumenischer Gemeinschaft mit Katholizismus, Orthodoxie und einigen lutherischen Kirchen blockiert sei. Die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft im Pfarrhaus stelle keinen neuen Sachverhalt dar und könne deshalb in Sachen Ökumene gelassen betrachtet werden.
"Dankbar für die Entschiedenheit der Altbischöfe"
In der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" der selben Ausgabe widerspricht auch der Theologe Friedrich Wilhelm Graf von der Ludwig-Maximilians-Universität München dem Bannbrief der Altbischöfe. "Man kann den älteren Herren für diese Entschiedenheit nur dankbar sein. Angesagt ist nun harter theologischer Streit." Die "wenigen Argumente" der Altbischöfe könnten ihn theologisch nicht überzeugen. Sie stützten ihre Argumentation auf vier Stellen aus dem Neuen und eine aus dem Alten Testament. Dabei betrieben sie "naiven Biblizismus" sowie "Widersprüchlichkeit und Willkür", so Graf. "Wer so mit der Schrift umgeht, muss auch die Ordination von Frauen bekämpfen." Die protestantischen Kirchen in Europa hätten recht, wenn sie gleichgeschlechtlichen Paaren Gottes Segen zusprechen. Die Ehe werde durch die wechselseitige emotionale Bindung der Partner und eine entsprechende Bereitschaft zur Treue definiert. "Der Protestantismus kennt keine speziellen Ehezwecklehren, weil allein die Ehe – und diese nur durch die Partner konstituiert – Zweck der Ehe ist." Graf fügt hinzu, der protestantische Pfarrer sei "ein Christ wie jeder andere", und man könne für ihn kein "vollkommeneres klerikales Spezial-Ethos" aufstellen.
Der ehemalige bayerische Ministerpräsident und Vizepräses der EKD-Synode, Günther Beckstein, gab den Altbischöfen in einem Interview mit "Christ und Welt" zum Teil recht. "Grundsätzlich kann ich die Kritik an homosexuellen Lebensgemeinschaften im Pfarrhaus verstehen. Ich bin konservativ, auch im Religiösen. Ich halte mich daran, dass die Bibel praktizierte Homosexualität ohne Ausnahme verurteilt." Er wolle niemanden richten, "der eine solche Veranlagung in sich trägt", so Beckstein. Der Beschluss der EKD-Synode zu mehr Liberalität in dieser Frage, der er selbst zustimmte, ermögliche den 22 evangelischen Landeskirchen, unterschiedliche Wege zu gehen. Er erinnert daran, dass sich die evangelische Kirche klar zum Leitbild von Ehe und Familie bekenne und auch homosexuelle Pfarrer diesem Leitbild verpflichtet seien. Die Regel sei für ihn die Familie, in Einzelfällen müsse man jedoch gesondert entscheiden. "In der bayerischen Landeskirche wurde jetzt eine Möglichkeit beschlossen: Kirchenvorstand, Landeskirchenrat, Dekan und Regionalbischof müssen einmütig zustimmen. Damit kann ich leben, auch wenn ich selber diese Regelung nicht unterstützt habe." (pro)
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