Abtrünniger Theologieprofessor scheitert vor Gericht

Glaubensgemeinschaften dürfen entscheiden, wer ihre Pfarrer und Pastoren ausbildet. Das stellte das Bundesverfassungsgericht nun im Fall des Theologen Gerd Lüdemann fest. Dieser hatte sich 1998 offiziell vom christlichen Glauben losgesagt und verlor deshalb seinen Lehrstuhl für "Neues Testament" an der Universität Göttingen.
Von PRO

Ein jahrelanger Rechtsstreit ist nun vor dem obersten deutschen Gericht zu Ende gegangen – und stärkt das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Einen Professor, der sich vom christlichen Glauben abkehrt, müssen theologische Fakultäten nicht weiter beschäftigen, machte das Bundesverfassungsgericht im Fall Gerd Lüdemann klar. Dieser hatte seit 1983 den Lehrstuhl für „Neues Testament“ an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Göttingen inne.

1998 veröffentlichte er das Buch „Der große Betrug. Und was Jesus wirklich sagte und tat“ sowie einen sogenannten „Brief an Jesus“, in denen er die historische Korrektheit der meisten Worte Jesu und seine Auferstehung anzweifelte und sich vom christlichen Glauben abkehrte. Er selbst bezeichnete sich als „ungläubiges Kirchenmitglied“. Die Hochschule entließ ihn daraufhin im Einverständnis mit der Hannoverschen Landeskirche aus seinem Amt. Fortan lehrte er das konfessionsungebundene Fach „Geschichte und Literatur des frühen Christentums“. Dieser Lehrstuhl wurde extra für ihn geschaffen. Damit stand er jedoch außerhalb der Studiengänge zur Ausbildung des theologischen Nachwuchses. Lüdemann klagte und verlor – 2005 zunächst vor dem Bundesverwaltungsgericht, nun auch vor dem Bundesverfassungsgericht.

„Theologischer Nachwuchs ist gefährdet, wenn Lehrer nicht glauben“

„Die Wissenschaftsfreiheit von Hochschullehrern der Theologie findet ihre Grenzen am Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften“ heißt es im Urteil der Richter. Das bedeutet im Klartext: Die Religionsgemeinschaften dürfen darüber bestimmen, wer ihre Pfarrer und Pastoren ausbildet. „Es kann und darf nicht Sache des religiös-weltanschaulichen neutralen Staates sein, über die Bekenntnisgemäßheit theologischer Lehre zu urteilen“, heißt es aus Karlsruhe. Die Ausbildung des theologischen Nachwuchses sei dann gefährdet, wenn die Lehrer selbst nicht mehr am Glaubensbekenntnis festhielten.

Lüdemann hatte sich in den vergangenen zehn Jahren immer wieder öffentlich gegen den Auferstehungsglauben der christlichen Kirchen gestellt. Sie sei eine „Halluzination“, schrieb er 2008 in der „Welt am Sonntag“. Dabei berief er sich auf einen „großen wissenschaftlichen Konsens“, demzufolge die Erzählungen der Evangelien über den auferstandenen Jesus „historisch wertlos“ seien. Weiterhin vermutete er, Jesus sei nicht durch den heiligen Geist gezeugt worden, sondern bei einer Vergewaltigung Marias durch einen Unbekannten. Auch 2006 und 2007 schrieb er für die „WamS“ und schlussfolgerte dort, seine Erkenntnisse besiegelten nicht nur den Tod des alttestamentlichen Geschichtsgottes, sondern auch das Ende des Vaters Jesu Christi (pro berichtete).

Papstbuch eine „peinliche Entgleisung“

Im Laufe der Jahre veröffentlichte er Werke wie „Die Auferweckung Jesu von den Toten. Ursprung und Geschichte einer Selbsttäuschung“ (2002) oder auch „Der erfundene Jesus. Unechte Jesusworte im Neuen Testament“ (2008). 2007 kritisierte er im Magazin „Der Spiegel“ das Buch „Jesus von Nazareth“ von Papst Benedikt XVI. Das Werk sei eine „peinliche Entgleisung“ und „intellektuell unglaubwürdig“. Lüdemann habe zudem immer wieder vorgeschlagen, theologische Fakultäten durch allgemeine „Departments of Religion“ zu ersetzen und dann erst den Kirchen das Recht zuzugestehen, durch eigene Prüfung die für sie geeigneten Absolventen auszuwählen, schreibt „Die Welt“.

Das Scheitern des Hochschullehrers vor dem Bundesverfassungsgericht sorgt für Wirbel in der deutschen Medienwelt. Die linksgerichtete „Frankfurter Rundschau“ etwa schreibt: „Die theologischen Fakultäten abzuschaffen ist höchste Zeit. Theologie ist keine Wissenschaft. […] Theologenausbildung ist Sache der Religionsgemeinschaften, soll von ihnen organisiert und bezahlt werden. Wie zum Beispiel Mormonen und Satanisten es tun.“ Auf seiner Homepage erklärt Lüdemann selbst: „Theologie an der Universität muss wie jede andere akademische Disziplin frei sein und darf nicht von wissenschaftsfremden Voraussetzungen ausgehen.“

Zugeständnisse: Weitere Verfahren notwendig

Das Bundesverfassungsgericht machte Lüdemann jedoch auch Zugeständnisse. Hochschullehrer, so berichtet der Evangelische Pressedienst (epd), hätten Rechte auf Teilhabe an der „amtsprägenden Tätigkeit der Studentenausbildung und der Nachwuchsförderung“. Ob Lüdemann dieses Recht durch die Ausübung des Faches „Geschichte und Literatur des frühen Christentums“ gegeben sei, müsse laut Gericht Sache weiterer Verfahren sein. (PRO)

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