Abtreibungen in Deutschland: Rückgang oder Zunahme?

Erstmals seit Jahren ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland wieder spürbar angestiegen. Das vermeldete das Statistische Bundesamt am Freitag. Manfred Spieker, Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Osnabrück, plädiert in einem Essay für die Tageszeitung "Die Welt" für eine Reform der Abtreibungsgesetze.
Von PRO
Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag mitteilte, wurden im zweiten Quartal diesen Jahres 26.900 Abtreibungen gemeldet. Das sind 300 Abbrüche beziehungsweise 1,2 Prozent mehr als im zweiten Quartal 2011. Die absoluten Zahlen gingen zum ersten Mal seit acht Jahren deutlich nach oben, sagte Hans-Jürgen Heilmann vom Statistischen Bundesamt gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa). Weiter heißt es im Bericht, dass 97 Prozent der Abbrüche nach der Beratungsregelung vorgenommen wurde.

Erst im März verkündete das Statistische Bundesamt jedoch, dass es 2011 im Vergleich zum Vorjahr 1,4 Prozent weniger Abtreibungen gegeben habe. Manfred Spieker, Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Osnabrück, schreibt in seinem Essay für "Die Welt", dass die Zahlen des Statistischen Bundesamtes irreführend seien. Seit 1996 melde es vierteljährlich die ihm gemeldeten Abtreibungen. Bis zum Jahr 2011 seien die Abtreibungen demnach um 17 Prozent auf 108.867 zurückgegangen. Im Jahr 2001 habe es die meisten gemeldeten Abtreibungen gegeben, erinnert Spieker, nämlich 134.694.

Spieker kritisiert jedoch, dass es in Wirklichkeit keinen Rückgang der Abtreibungen gebe, denn: "Der Rückgang der Abtreibungszahlen wird relativiert, wenn man ihn mit der Entwicklung der Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter von 15 bis 45 vergleicht. Diese Zahl ging von 17,663 Millionen 1996 auf 15,676 Millionen 2010, also um rund zwei Millionen, zurück."

"Verstecke" für Abtreibungsärzte

Zudem seien die Zahlen nicht vollständig, weil die Wahrhaftigkeit der Antworten der Ärzte nicht überprüfbar sei und bei Tests auch Antwortverweigerungen zu verzeichnen waren. Außerdem seien in der Abtreibungsstatistik "die unter einer anderen Diagnose abgerechneten und die im Ausland vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche nicht enthalten", hat das Statistische Bundesamt bis zum Jahr 2000 in ihren jährlichen Berichten unterstrichen. "Ab 2001 fehlte dieser Hinweis", so Spieker. Eine Untersuchung des "Allensbacher Instituts für Demoskopie" habe 1988 ergeben, dass rund 14 Prozent der Abtreibungen damals im Ausland vorgenommen wurden.

Es gebe zudem "Verstecke" für Abtreibungen, kritisiert der Autor: Ärzte würden Abtreibungen unter einem anderen Namen bei der Gebührenabrechnung verwenden, etwa "Entfernung von Nachgeburt", "Ausräumung einer Blasenmole", "Abrasio der Gebärmutterhöhle und des Gebärmutterhalskanals".

Spieker zieht den Schluss, dass man auch bei vorsichtiger Schätzung die Zahl der vom Statistischen Bundesamt gemeldeten jährlichen Abtreibungen verdoppeln müsse. Man müsse von rund zehn Millionen Abtreibungen in vergangenen vier Jahrzehnten ausgehen. Spieker: "Die Reformen des Abtreibungsstrafrechts seit 1974 sind gescheitert. Obwohl sie alle das Ziel propagierten, den Schutz ungeborener Kinder zu verbessern, haben sie zunächst zu einer Steigerung der Abtreibungen und dann zu einer Stabilisierung auf hohem Niveau geführt. (…) Es ist an der Zeit, realistische Abtreibungszahlen zur Kenntnis zu nehmen und das Schwangeren- und Familienhilfeergänzungsgesetz von 1995 erneut zu ändern." (pro)
http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article109235990/5-432-350-Leben.html
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