Eine schöne Bescherung?


Eine Brustvergrößerung, eine Verschlankung der Oberschenkel und eine Kieferkorrektur vor laufender Fernsehkamera ziehen die Massen an. Die Fernsehsendung "Extrem schön! - Endlich ein neues Leben" auf RTL II erzielt immer höhere Einschaltquoten und zeigt, dass dieses Format den Geschmack der Zuschauer trifft.

 "Bezüglich unseres Schönheitsideals übt die Gesellschaft enormen Druck aus", warnt die Typ- und Imageberaterin Petra Waldminghaus.
Von PRO

Im Gespräch mit pro berichtet sie von eigenen Erfahrungen mit Menschen, die nach einer Schönheits-OP "nicht unbedingt glücklicher sind als vorher oder das kurzzeitig entstandene Glücksgefühl nicht lange anhält. Nur die Ansprüche werden höher." Oft sei das Selbstbewusstsein der Personen, die sich behandeln lassen, nicht groß genug. Dass Menschen Veränderungen an ihrem Körper vornehmen, will die Typ- und Imageberaterin prinzipiell nicht ausschließen: "Wenn Personen durch Unfälle massiv geschädigt sind, halte ich dies für durchaus in Ordnung. Ansonsten hat jeder von Gott schöne Seiten geschenkt bekommen. Aber wir Menschen sehen oft nur das Negative", stellt Waldminghaus fest.

Werner Mang gilt als einer der renommiertesten Schönheits-Chirurgen im deutschsprachigen Raum. Er kümmert sich um die hoffnungslosen Fälle. Wenn es notwendig ist, bekommen seine Patienten vor laufenden Kameras sogar alle drei der oben beschriebenen Eingriffe direkt nacheinander verpasst. RTL II bescheren die Geschichten immer höhere – inzwischen sogar zweistellige – Marktanteile. Von 6,9 über 8,7 Prozent hat sich das Format mit der dritten Folge der dritten Staffel  an diesem Sendeplatz auf 11,3 Prozent gesteigert.

 "Vielleicht ist es die Sensationsgier der Menschen, vielleicht wollen sie sich aber während der Serie in ihre Träume flüchten", versucht Waldminghaus den Erfolg zu erklären.

Letzte Hoffnung



Der Sender selbst wirbt auf seiner Internetseite mit eindeutigen Aussagen für das Format: "Schöne Babys bekommen mehr Zuwendung, schöne Erwachsene haben mehr Erfolg. Doch was ist mit denen, die von der Natur nicht mit einem attraktiven Äußeren bedacht wurden?" Die Sendung richte sich deswegen an Personen, die wegen ihres Aussehens ausgegrenzt werden, ihr Selbstwertgefühl verloren und sich aus dem Leben zurückgezogen hätten.



Vor der Teilnahme an der Show werden die Patienten nach ihren Erwartungen befragt, was sie an ihrem Aussehen stört, welche Körperteile sie als besonders schlimm empfinden und wie das Aussehen ihr Leben beeinträchtigt. Vor der Kamera selbst beschreiben einige die anstehenden Veränderungen als "letzte Hoffnung". Zur Scham und den ständigen seelischen Schmerzen kommen Aussagen, dass "alles keinen Sinn mehr hat".

 Kandidatin Anett etwa plagt eine krankhafte Eifersucht, weil sie ihren Körper hasst: "Ich würde am liebsten eine Schere nehmen und die Fettschürze abschneiden", sagt sie unter Tränen. Außerdem gesteht sie, dass sie seit ihrer Jugend unter Komplexen leidet und sich oft die Frage stellt: "Warum bist Du überhaupt da?"


Wenn sie erst einmal als Kandidaten ausgewählt sind, soll ein Expertenteam aus Ärzten, Psychologen, Fitnesstrainern und Ernährungsberatern den Kandidaten zu "ihrem Traumaussehen und zu einem neuen Selbstwertgefühl" verhelfen. Auf der Internetseite der Serie sind sogar die Links zu den entsprechenden Fachleuten angegeben, darunter auch ein Mediziner des Universitätsklinikums Bonn.



"Nicht Perfektion, nur Verbesserung"



Für die Teilnehmerinnen ist "Extrem schön" mit mindestens acht Wochen Trennung von der Familie und weitere Entbehrungen und Schmerzen verbunden. RTL II begleitet je Folge den Weg von zwei Frauen: Von der Voruntersuchung, über den ersten Gang in die Schönheitspraxis bis sich die Kandidatinnen "unters Messer" begeben, ist der Privatsender hautnah mit dabei. Zu Wort kommende Schönheitschirurgen betonen, dass bei vielen Beteiligten der "Leidensdruck nachvollziehbar" sei. Bei der Umsetzung der Wünsche gehe es nicht um Perfektion, sondern nur um eine Verbesserung. Der Sender RTL II spricht von "harmonischer Gestaltung", während sich für viele Kandidatinnen ein Herzenswunsch erfüllt.



In Deutschland ist die Zahl der Schönheitsoperationen bis 2007 binnen zwei Jahren von 400.000 auf mehr als eine Million gestiegen, obwohl es sich bei vielen plastischen Operationen keineswegs um eine harmlose Kleinigkeit handelt. Rund 17 Millionen Menschen auf der ganzen Welt unterziehen sich pro Jahr um der Schönheit willen solchen Torturen, so schätzt die Medizinerin Gabriela Gerstweiler auf ihrer Internetseite.

Das Konzept einer Sendung, in der sich Menschen vor laufender Kamera an Nase, Brust oder Bauch operieren lassen, ist für "erfahrene" Fernsehzuschauer nichts Neues. Bereits 2004 sorgten TV-Formate wie "I want a famous face" auf dem Musiksender "MTV" oder "The Swan" (Pro7) für rege Diskussionen. RTL legte 2008 nach und bereitete das Thema mit dem Format "Aus alt mach neu" auf. (pro)

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