„Daten sind das neue Öl“

"Der Staat hat die Aufgabe, die Freiheit und Sicherheit seiner Bürger auch im Internet zu schützen", sagte der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Christean Wagner. Auf dem Kongress "Das Internet im Spannungverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit" diskutierten Politiker und Medienexperten im Hessischen Landtag über Internetkriminalität, aber auch, inwiefern der Staat die Nutzer durch Gesetze schützen kann.
Von PRO

Das Internet habe keine moralische Dimension. Lediglich der Zweck, für den es eingesetzt werde, könne ethisch bewertet werden, sagte Wagner in seiner Eröffnungsrede beim Internetkongress der CDU-Fraktion in Wiesbaden. Die Bedeutung des Internets könne in der heutigen Zeit nicht hoch genug eingeschätzt werden. Beispielsweise habe die Bundesregierung das Web in den vergangenen Tagen als sogenannte kritische Infrastruktur bezeichnet. "Fällt das Internet aus, dann wird es kritisch für fast alle Lebensbereiche – von der Versorgung der Bevölkerung bis hin zur inneren und äußeren Sicherheit," betonte der Politiker. Deshalb sei ein Cyber-Abwehrzentrum gegründet worden, um Deutschland vor Angriffen auf die nationale Infrastruktur des Internets zu schützen, erläuterte Wagner vor knapp 300 Teilnehmern im Hessischen Landtag. "Die Erscheinungsformen der Cyberkriminalität verändern sich von Jahr zu Jahr und stellen die Polizei vor immer neue technische und rechtliche Herausforderungen. Internetnutzer müssen sich ständig gegen neue Formen der Online-Kriminalität wappnen." Der Staat habe die Aufgabe, die Freiheit und Rechte der Bürger zu schützen und durch Gesetzesänderungen mehr Transparenz für die Nutzer zu schaffen.

Der hessische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Volker Bouffier wies in seiner Rede auf das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit der Nutzer hin. Die Frage, wie man den einzelnen Nutzer schützen könne, ohne ihn in seiner Freiheit einzuschränken, sei eine bisher nicht ausreichend gelöste Aufgabe. Als Beispiel nannte Bouffier die Debatte um den richtigen Umgang mit kinderpornografischen Angeboten. Trotz jahrelanger Diskussionen sei die Politik bei diesem Thema nicht weitergekommen. "Wir werden um die Debatte des Sperrens nicht herumkommen", sagte Bouffier.

"Wir brauchen internationale Vereinbarungen"

Der CDU-Landesvorsitzende forderte neue Regelungen im Telekommunikationsgesetz. Beispielsweise sollten Provider verpflichtet werden, die jeweils höchsten Sicherheitseinstellungen zum Standard zu machen. Auch die vollständige Löschung eines Nutzerkontos müsse künftig möglich sein. Bei allen gesetzlichen Vorgaben sei das Hauptproblem allerdings die Kontrolle der Umsetzung. Bouffier wies darauf hin, dass alle nationalen Anstrengungen im weltweiten Netz an Grenzen stoßen. "Wir brauchen stärkere internationale Vereinbarungen. Da ergibt sich natürlich die Frage, welche gemeinsamen Werte sich auf internationaler Ebene finden lassen", so der hessische Ministerpräsident.

Kritisch äußerte sich der CDU-Politiker zur Medienkompetenz: Zwar seien rund 30 Millionen Deutsche aktiv in Sozialen Netzwerken. Leider seien die Menschen aber nicht sensibel für die Gefahren. "Menschen entäußern sich im Internet in einem Maße der Privatheit, dass es dem Staat kaum noch möglich ist, die Einzelnen zu schützen." Medienkompetenz sieht Bouffier als Aufgabe von Eltern und Schule, aber auch der Öffentlichkeit, besonders der Medien.

Der Vorsitzende der Jungen Union Hessen, Ingmar Jung, sieht die Gefahr der digitalen Spaltung in Deutschland. Jung machte deutlich, dass sich bereits Grundschüler im Internet bewegen, aber oft nicht ausreichend sensibilisiert für dessen Gefahren seien. Er forderte daher die Einführung des Unterrichtsfaches "Medienkunde".

"Viel zu viele Nutzer wissen zu wenig." Diese Meinung vertrat der Leiter der Multimedia-Abteilung des Hessischen Rundfunks, Tilo Barz, in der anschließenden Podiumsdiskussion. Der Staat müsse dazu helfen, mehr Transparenz bei Internetangeboten zu schaffen. Den Medien käme hierbei eine Vermittlerrolle zu. Barz wies auch darauf hin, dass das Internet ein globales Medium sei, das sich allen Versuchen, Zensur auszuüben, widersetze.

Das Internet ist nicht kostenlos – die Nutzer zahlen mit Daten

Guido Brinkel, Bereichsleiter Medienpolitik des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (bitkom), machte darauf aufmerksam, dass die Annahme, das Internet sei umsonst zu haben, ein Irrtum sei. So wie Strom und Wasser nicht gratis zu haben sind, seien auch Internetangebote nicht wirklich kostenlos. "Die Währung im Netz sind Daten. Genau genommen sind Daten das neue Öl", sagte der Medienexperte. Er ist der Meinung, dass Nutzer stellenweise einen effektiveren Einfluss auf Unternehmen ausüben könnten als der Datenschutz. Beispielsweise hätten die Facebook-Betreiber aufgrund der Kritik der Nutzer Änderungen beim Datenschutz vorgenommen. Brinkel bezeichnete die Selbstregulierung im Internet streckenweise sogar als wirkungsvoller als Datenschutzgesetze. Der Gründer von "Wiki-Watch", Wolfgang Stock, wies ebenfalls auf die Macht der "kritischen Masse" hin. Die rasante Geschwindigkeit, mit der Informationen sich im  Internet verbreiten würden, aber auch die Macht der Nutzer seien die großen Pluspunkte im Netz. Dies habe sich nicht zuletzt in den letzten Tagen bei den Unruhen im Nahen Osten gezeigt.

Nach Ansicht von Lutz Stroppe, Abteilungsleiter Kinder und Jugend des Bundesfamilienministeriums, gehen Jugendliche vorsichtiger mit ihren Daten um, als allgemein gedacht werde. Stroppe sprach sich gegen die Einführung eines Schulfaches ‚Medienkunde‘ aus. Umgang mit Medien müsse in die anderen Unterrichtsfächer miteinbezogen werden. Wichtig seien vor allem Maßnahmen, die
die Medienkompetenz von Eltern und Erziehenden stärken und verbessern.

Der Hessische Landesdatenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch erläuterte am Beispiel der Vorratsdatenspeicherung das Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Strafverfolgung. "Wenn erstmal eine Infrastruktur geschaffen ist, also Daten abgespeichert wurden, könnten diese auch leicht missbraucht werden", so Ronellenfitsch. Hier seien politische Entscheidungen gefragt. (pro)

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