Die Waldenser, eine der ältesten vorreformatorischen Christengemeinden, siedelten sich 1699 auch im südhessischen Rohrbach-Wembach-Hahn an, das heute zu Ober-Ramstadt gehört. Zwei Bibeln stehen repräsentativ für die lange Geschichte dieser bis heute dort ansässigen Gemeinde: Ein in Leder und Holz gebundenes Neues Testament aus dem Jahr 1744 sowie eine von 1802. Doch vor 26 Jahren verschwanden die wertvollen Bücher. Durch einen unglaublichen Zufall fanden die Bibeln nun zurück an ihren Bestimmungsort.
Die 281 Jahre alte Bibel war 1750 vom damaligen Pfarrer Johann Philipp May mit anderen Exemplaren zu Beginn seiner Tätigkeit angeschafft worden, um sie unter den Familien der Gemeinde zu verteilen. Waldenser waren 1699 aus dem Pragelatal – der Heimat der Waldenser in den Alpen – auch nach Rohrbach-Wembach-Hahn gekommen und hatten dort eine neue Heimat gefunden. Der damalige Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt duldete und förderte sie.
Die ältere Bibel wurde 1744 von Pierre Pellet in Genf auf Französisch gedruckt. Die zweite Bibel wurde 1802, ebenfalls in Genf, gedruckt und ging 1856 in den Besitz der Kirchengemeinde.
Die Waldenser sind eine Glaubensbewegung, deren Anhänger jahrhundertelang wegen Ketzerei verfolgt, getötet und vertrieben wurden. Sie erkennen allein die Bibel als höchste Autorität an und streben ein Leben nach dem Vorbild von Jesus Christus an. Der Name geht auf den Kaufmann Valdes (auch Petrus Waldus) aus Lyon zurück, der um das Jahr 1180 herum eine Bewegung von Wanderpredigern gegründet und Teile der Bibel ins Provenzalische übersetzt hatte. Heute gibt es Waldenser in Frankreich, Deutschland, Österreich, der Schweiz, USA, Südamerika und Italien, wo sie sogar eine der größten protestantischen Gemeinden bilden.
Beim Jubiläum verschwunden
Die Bücher wurden ursprünglich im Pfarrbüro der Waldensergemeinde in Rohrbach-Wembach-Hahn aufbewahrt. Doch beim Jubiläum zum 300-jährigen Bestehen der Gemeinde 1999 verschwanden sie auf bislang ungeklärte Weise. Laut der Frankfurter Rundschau sagte der Heimatforscher Gerad Keller, die Bücher sollten für ein Fachbuch über die Waldenserkolonie bei Ober-Ramstadt fotografiert werden. Zwar seien sie danach zurückgegeben worden, dann aber abhandengekommen. Ursprünglich hatte die Bibel Theophile Perron aus Rohrbach gehört, wie handschriftliche Eintragungen auf den letzten Seiten des Buches zeigen. Laut Keller, der ein Nachfahre der Perrons ist, ergeben sich dadurch neue Hinweise auf den Stammbaum der Familie.
Auf einem Bücherflohmarkt in Brensbach im Odenwaldkreis fand ein Buchbinder aus Wersau die Bücher im vergangenen Jahr wieder. Der 78-jährige Georg Kaffenberger sagte gegenüber der Zeitung: „Mir war sofort klar, dass das etwas Besonderes ist und ich sie nicht dort lassen kann.“ Der Verkäufer habe nicht gewusst, was er da anbietet. Kaffenberger erwarb die Bücher und wandte sich an die Waldenser in Rohrbach-Wembach-Hahn. Fotografien bestätigten, dass es sich um die gesuchten Originale handelte. Kaffenberger übergab die wertvollen Schriftstücke im November bei einem Gottesdienst an die Gemeinde. Wie die Bibeln auf einen Flohmarkt gelangten, ist bis jetzt ungeklärt.
Pfarrer Christoph Lubotta wertete ihre Rückkehr als Zeichen, wie Gott durch den Menschen wirkt: „Das ist kein Zufall.“ Carola Lautenschläger, Leiterin des Waldensermuseums, kündigte an, dass die beiden Bücher nun einen würdigen Platz im Museum in Rohrbach erhalten werden.