Kolumne

Denis Mukwege – und der Kampf für die Rechte von Frauen

Der kongolesische Arzt Denis Mukwege versorgt Frauen, die im Krieg Opfer von sexueller Gewalt wurden. Er erinnert daran, dass die Menschenwürde universell ist – und Schweigen angesichts von Unrecht keine Option. Eine Kolumne von Uwe Heimowski
Von PRO
Uwe Heimowski, Denis Mukwege

Ein siebzigster Geburtstag ist allemal ein Anlass, einen Menschen zu würdigen. Das will ich zum Jahresende gern noch tun. In diesem Jahr feierte der kongolesische Gynäkologe, Menschenrechtsaktivist, Laienprediger und Friedensnobelpreisträger Dennis Mukwege seinen Ehrentag.

Einmal sind Denis Mukwege und ich uns persönlich begegnet. Zufällig. 2019 auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund. Es ist fast zu peinlich, es zu erzählen, aber wir standen gemeinsam am Waschbecken der Herren-Toilette. Ein Jahr zuvor war ihm der Friedensnobelpreis verliehen worden, ich kannte sein Bild aus den Medien und hatte auch sein autobiografisches Buch „Meine Stimme für das Leben gelesen“ gelesen, das dann später in unserer Familie die Runde machte.

Was für eine Gelegenheit, ihn nun persönlich zu treffen. Also gab ich mir einen Ruck und sprach ihn an: „Bon jour, Monsieur“, und ergänzte fragend: „Dennis Mukwege?“ Er nickte freundlich. Mein Französisch war erschöpft, und wir sprachen auf Englisch weiter. Ich stellte mich vor, zu dem Zeitpunkt arbeitete ich als Referent für Menschenrechte bei meinem Freund, dem Bundestagsabgeordneten Frank Heinrich. Mukwege interessierte sich sehr dafür. Und wie sich herausstellte, hatte er etwas Zeit bis zu seinem nächsten Vortrag, so gingen wir einen Kaffee trinken. Ein angeregtes Gespräch entstand. Mukwege ist ein emphatischer Zuhörer – und ein leidenschaftlicher Erzähler zugleich.

Denis Mukwege wurde 1955 in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) geboren, einem Land auf, das bis heute von politischer Instabilität und wirtschaftlicher Unsicherheit geprägt ist. Schon früh entwickelte er den Wunsch, Menschen zu helfen. Ursprünglich wollte Mukwege Kinderarzt werden, doch die Realität in seiner Heimat führte ihn auf einen anderen Weg: die Gynäkologie.

Sexuelle Gewalt als Kriegswaffe

Er erkannte, dass Frauen in seiner Region besonders verletzlich waren – nicht nur durch mangelnde medizinische Versorgung, sondern auch durch die Gewalt, die sie in Konflikten erlitten. Im Kampf um die Rohstoffe wie Koltan, die es in der DRK reichlich gibt, sind Arbeitssklaven, Kindersoldaten und systematische Gewalt gegen Frauen an der Tagesordnung. „Ihr im Westen redet über E-Autos und das Klima. Das sind wichtige Themen. Aber dann müsst ihr auch etwas gegen die Ausbeutung von Frauen und Kindern tun“, ereifert sich Mukwege. Ich kann nur beschämt nicken.

1999 gründete Mukwege das Panzi-Hospital in Bukavu, einer Stadt im Osten des Kongo. Was als einfache Klinik begann, entwickelte sich zu einem Zufluchtsort für tausende Frauen, die Opfer brutaler Vergewaltigungen geworden waren. In den Bürgerkriegen des Kongo wurde sexuelle Gewalt zur Kriegswaffe: Frauen wurden nicht nur missbraucht, sondern oft so schwer verletzt, dass sie ohne medizinische Hilfe nicht überleben konnten. Mukwege und sein Team führten komplexe Operationen durch, um die körperlichen Schäden zu behandeln. Doch Mukwege ging weiter: Er baute ein ganzheitliches Konzept auf, das auch psychologische Betreuung, soziale Reintegration und rechtliche Unterstützung umfasst. Sein Ziel war nicht nur Heilung, sondern Wiederherstellung von Würde.

Die Demokratische Republik Kongo gilt als eines der gefährlichsten Länder für Frauen. Schätzungen zufolge wurden seit Beginn der Konflikte Millionen Frauen vergewaltigt. Mukwege bezeichnet diese Gewalt als „strategische Waffe“, die darauf abzielt, Gemeinschaften zu zerstören. Er prangert nicht nur die Milizen an, sondern auch die internationale Gemeinschaft, die zu lange wegschaute. Für ihn ist klar: Sexualisierte Gewalt im Krieg ist kein Kollateralschaden, sondern ein gezieltes Mittel der Terrorisierung.

Mukwege sprach öffentlich über die Verantwortlichen – und bezahlte dafür einen hohen Preis. 2012 überlebte er ein Attentat, bei dem sein Wachmann getötet wurde. Seitdem lebt er unter ständigem Schutz. Dennoch ließ er sich nicht einschüchtern. „Ich kann nicht schweigen, wenn Frauen leiden“, sagte er einmal. Sein Mut machte ihn zu einer globalen Stimme für die Opfer von Kriegsverbrechen.

Menschenwürde ist universell

Für seinen Einsatz erhielt Mukwege zahlreiche Auszeichnungen, darunter den UN-Menschenrechtspreis, den Sacharow-Preis und 2018 den Friedensnobelpreis, den er gemeinsam mit Nadia Murad entgegennahm. Beide wurden für ihren Kampf gegen sexuelle Gewalt als Waffe in Konflikten geehrt. In seiner Nobelpreisrede rief Mukwege die Welt dazu auf, nicht länger wegzusehen: „Die Würde der Frau ist die Würde der Menschheit.“

Mukwege fordert nicht nur medizinische Hilfe, sondern auch Gerechtigkeit. Er kämpft für die strafrechtliche Verfolgung der Täter und für eine internationale Politik, die den Schutz von Frauen und Kindern in Konflikten ernst nimmt. Sein Engagement zeigt, dass Heilung nicht allein eine medizinische, sondern auch eine gesellschaftliche und politische Aufgabe ist. Er erinnert uns daran, dass Menschenwürde universell ist – und dass Schweigen angesichts von Unrecht keine Option sein darf.

Denis Mukwege ist mehr als ein Arzt. Er ist ein Hoffnungsträger, ein Mahner und ein Kämpfer für Gerechtigkeit. Und: Er ist ein sehr spannender Gesprächspartner. Herzlichen Glückwunsch, Denis, Gott erhalte dir deine Gesundheit.

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