Mindestens jeder zehnte Suizid ein assistierter Suizid

Mehr als jeder zehnte Selbstmord in Deutschland könnte ein assistierter Suizid sein. Das zeigt eine gemeinsame Erhebung des Suizidpräventionsprogramms und der Deutschen Akademie für Suizidprävention. Auch insgesamt steigt die Zahl der Selbstmorde an.
Von Johannes Blöcher-Weil
Vor allem mit Hilfe von Tabletten nehmen sich immer mehr Menschen das Leben. Das zeigt eine akutelle Erhebung zu Suiziden.

Die Suizidzahlen in Deutschland bleiben auch 2024 auf einem anhaltend hohen Niveau. Vor allem ältere Menschen nehmen sich verstärkt das Leben. Aber auch die wachsende Zahl assistierter Suizide bereitet Fachleuten Sorgen. Sie fordern eine bundesweit abgestimmte, auskömmlich finanzierte und langfristig angelegte Suizidprävention. Präventive Angebote müssten einfach erreichbar sein.

Die Gesamtzahl der Suizide ist im Vergleich zum Vorjahr leicht auf 10.372 Todesfällen (plus 0,6 Prozent) gestiegen. Suizidiert haben sich deutlich mehr Männer (71,5 Prozent) als Frauen (28,5 Prozent). Das zeigt eine gemeinsame Erhebung des Nationalen Suizidpräventionsprogramms und der Deutschen Akademie für Suizidprävention.

Da das Statistische Bundesamt assistierte Suizide nicht gesondert ausweist, beruft sich die Studie auf die offiziellen Angaben der Sterbehilfeorganisationen, die 2024 997 assistierte Suizide ausweisen. Das würde bedeuten, dass mehr als jeder zehnte Suizid in Deutschland assistiert erfolgt. In der langfristigen Betrachtung ist seit 2021 ein Anstieg bei der Zahl der Suizide um 12,6 Prozent zu verzeichnen. Besonders stark gestiegen sind die Suizide durch Medikamente, deren Fallzahlen sich seit 2020 fast verdoppelt haben und nun bei 2.002 liegen. Hier könnte auch ein Zusammenhang mit den assistierten Suiziden bestehen.

Mecklenburg-Vorpommern ist trauriger Spitzenreiter

Die Zahl der Suizide pro 100.000 Einwohner ist 2024 von 12,2 auf 12,4 gestiegen. Der Anstieg zeigt, dass die Zunahme nicht allein durch Veränderungen der Bevölkerungsstruktur erklärbar ist, sondern dass das Suizidrisiko insgesamt leicht gestiegen ist. Das Bundesland mit der höchsten Suizidrate Mecklenburg-Vorpommern (16,6) gefolgt von Sachsen (15,9) und Sachsen-Anhalt (15,7). Die niedrigsten Werte verzeichnen das Saarland (8,3) sowie Nordrhein-Westfalen (10,2).

73,8 Prozent aller Suizide werden von Personen über 50 Jahren verübt. Die Suizidrate steigt mit dem Lebensalter deutlich an. Während sie bei Männern zwischen 20 und 25 Jahren bei 8,9 liegt, steigt sie bei Männern zwischen 85 und 90 Jahren auf 80,3. Bei Frauen zeigt sich ein vergleichbarer Trend mit Werten zwischen 3,6 (20 bis 25 Jahre) und 25,6. Das durchschnittliche Sterbealter durch Suizid beträgt 61,7 Jahre und ist im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen.

Am häufigsten geschieht der Suizid durch Erhängen (4.037 Fälle), gefolgt von der Vergiftung durch Medikamente (2.002 Fälle). Die Fachleute fordern vor allem eine schnelle, detaillierte und zuverlässige Datenerhebung, um die Statistiken zu Todesursachen zügiger zu veröffentlichen. Dies gelte vor allem auch für die Daten zum assistierten Suizid.

Zudem bräuchte es niedrigschwellige Angebote zur Suizidprävention. Die Studien zeigen, dass bis zu 70 Prozent der Menschen vor einem Suizid oder Suizidversuch von den Hilfsangeboten des Gesundheitswesens nicht erreicht werden.

Hilfe bei Suizidgedanken

Denken Sie darüber nach, sich das Leben zu nehmen? Holen Sie sich Hilfe, zum Beispiel bei der Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

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