Wenn die ganze Gemeinde Politiker segnet

Am Samstag lud die Evangelische Allianz Wetzlar zum Segensgebet für Politiker unterschiedlicher Parteien. Das Beispiel soll Schule machen.
Von Nicolai Franz

Dass Politiker in Kirchen auftreten, ist alles andere als eine Seltenheit. Manchmal diskutieren sie dort Themen wie die Frage nach dem Verhältnis zwischen Staat und Kirche, was das „C“ für Parteien mit dem Attribut „christlich“ heute bedeuten muss – und nicht selten steigen Mandatsträger sogar auf die Kanzel, um zu predigen, quer über die Parteigrenzen hinweg.

An diesem Samstagabend Ende November war es anders. Denn es dürfte eine Premiere gewesen sein, was sich im Wetzlarer Dom abspielte. Sechs Politiker verschiedener Parteien, von Mitgliedern des Bundestags bis zu Kommunalpolitikern, waren nicht etwa gekommen, um eine Rede zu halten. Sondern um, fromm gesprochen, „Zeugnis zu geben“. Und sich segnen zu lassen.

Hunderte Menschen waren der Einladung der Evangelischen Allianz Wetzlar gefolgt, um dabei zu sein. Die nach Veranstalterangaben bis zu fünfhundert Personen hatten aber nicht nur eine Zuschauerrolle: Statt eines lauten Segensgebetes vom Mikrofon aus wurden die Politiker – allesamt Christen verschiedener Couleur – in freikirchlicher Manier gesegnet. Je ein Delegierter aus Wetzlarer Kirchengemeinden, darunter die Anskarkirche und die noch recht junge „International Christian Fellowship“ legte einem der Politiker die Hände auf und betete. Ohne Mikro, und alle gleichzeitig. Das Publikum wurde explizit gebeten, mitzubeten.

Den Gottesdienst initiiert hatte Wolfgang Baake, der einst Politikbeauftragter der Evangelischen Allianz in Deutschland und Geschäftsführer der Christlichen Medieninitiative pro war. Er wünschte sich im Gespräch mit PRO, dass die Segnung Schule macht: „In vielen Regionen in Deutschland gibt es Politiker, denen der Segen wichtig ist.“ Baake will andere Ortsallianzen zu ähnlichen Segensgottesdiensten ermutigen.

In seiner Predigt sprach Henrik Otto, Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, über die Segnung des Jakobs am Jabbok, nachdem er eine Nacht lang mit einem Mann gerungen hatte, der sich später als Gott selbst entpuppte. Auch Politiker würden um Segen und Erfolg ringen, dabei mache die Geschichte aus dem Alten Testament (1. Mose 32) deutlich: Wahrer Segen erweise sich darin, sich an Gott zu binden. So wie Jakob, der Gott nicht habe gehen lassen, bevor der ihn gesegnet hatte.

Zeugnisabend mit Mandatsträgern

Die politischen Jakobs im Gottesdienst waren der Bundestagsabgeordnete Johannes Volkmann (CDU, Lahn-Dill-Kreis), die hessischen Landtagsabgeordneten Frank Steinraths (CDU) und Matthias Büger (FDP), die Kreisbeigeordnete Rebecca Neuburger-Hees (CDU), Carsten Braun (CDU), der Landrat des Lahn-Dill-Kreises, und der stellvertretende Landrat Frank Inderthal (SPD). Andere angefragte Politiker waren verhindert, so der Veranstalter.

Die beiden letzteren verbindet eine besondere Geschichte: Beide waren 2024 in der Landratswahl gegeneinander angetreten, die Braun schließlich gewann. Beide Kandidaten sind bekennende Christen und begegneten sich mit einem für die Politik seltenen beiderseitigen Respekt. Das Foto des Landkreises vom Wahlabend zeigt die beiden, wie sie einander die Hände auf die Schulter legten, die beiden „betonten am Wahlabend ihre gegenseitige Dankbarkeit für den fairen Wahlkampf“, heißt es in der Bildunterschrift. Am Ende machte Braun seinen Kontrahenten sogar zu seinem Stellvertreter.

Im Gespräch mit ERF-Moderator Ingo Marx berichteten die Politiker, wie ihnen der Glaube, das Gebet und christliche Werte in ihrer Aufgabe helfen. Eigentlich sei Jesus ja eher zu den Schwachen gegangen, nicht zu den Mächtigen, also den Politikern, bemerkte Marx. Der Bundestagsabgeordnete Johannes Volkmann antwortete schlagfertig: „Aber immerhin ist er zu den Zöllnern gegangen, das ist doch schon mal was.“

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