„Der Glaube nimmt mir Druck“

Die Nationalspielerin Sarai Linder hat mit den deutschen Fußballerinnen im Sommer um den EM-Titel gekämpft. Der Sport ist für die Wolfsburgerin die schönste Nebensache der Welt. Linder gibt vor allem ihr christlicher Glaube Halt.
Von Johannes Blöcher-Weil
Sarai Linder spielt jetzt die zweite Saison für den VfL Wolfsburg.

Die Stimmung an diesem Vormittag Anfang Oktober ist gelöst. Auf dem Trainingsplatz in Wolfsburg findet bei trübem und kühlem Wetter ein lockerer Aufgalopp statt. Am Wochenende zuvor haben die Frauen des VfL Wolfsburg ihre Gegnerinnen aus Essen mit 8:0 vom Platz gefegt und stehen punktgleich mit Bayern München an der Spitze der Frauen-Bundesliga. Mitten im Trainingsgeschehen ist Sarai Linder. Die Nationalspielerin hat sich nach ihrer Verletzung, die sie sich bei der Fußball-EM im Sommer zugezogen hat, wieder in die Mannschaft gekämpft.

Und diese gehört zu den ersten Adressen im europäischen Frauenfußball. Elf DFB-Pokalsiege, sieben deutsche Meisterschaften und zwei Champions-League-Erfolge zieren den Briefkopf der Niedersachsen. Im Sommer 2024 wechselte Linder von der TSG Hoffenheim hierher. Die 26-Jährige empfindet es als Privileg, dass sie mit ihrer Leidenschaft Fußball Geld verdienen kann. Aber im Gespräch mit ihr wird auch deutlich, wie zuversichtlich sie sonst durchs Leben geht.

Eine wichtige Basis dafür ist ihr christlicher Glaube. Es wollten zwar nicht alle Trainer hören, aber der Fußball sei für sie nicht das Wichtigste auf der Welt, hat Linder einmal gesagt. Der Sport und der Glaube haben ihr Leben geprägt. Linders Vater war ein guter Schwimmer und auch Basketballer, ist aber beim Fußball gelandet, die Mutter war eine aktive Leichtathletin. Linder hat ihre ersten fußballerischen Schritte in einem kleinen Verein beim SV Hilsbach gemacht. In Hoffenheim durchlief sie dann die übrigen Jugendmannschaften.

„Bei mir stand immer der Spaß im Vordergrund“

Sie spielte in der Jugend-Bundesliga, in den Nationalmannschaften und wechselte mit 16 Jahren zur Frauenmannschaft. Im Gespräch sagt sie einen Satz, den Fußballprofis wohl eher selten öffentlich sagen, aber den man ihr sofort glaubt: „Bei mir stand immer der Spaß im Vordergrund.“

Linder scheut eher das Rampenlicht und stellt sich lieber in den Dienst der Mannschaft. Umso erstaunlicher war, dass sie in einer Sport-Doku des ZDF anlässlich der Fußball-EM ihren Glauben thematisierte und wie wichtig das Gebet für sie ist. Ihr Glaube begleite sie im Alltag und nehme ihr viel Druck: „Gott hat mir das Talent geschenkt, er wird einen Grund dafür haben“, sagte Linder. Der Glaube helfe ihr auch, schwierige Phasen zu akzeptieren.

Etwa bei den Olympischen Spielen in Paris. Sie spielte ein starkes Turnier, bis sie krank wurde. Sie habe dann, wie häufig in schwierigen Situationen, gebetet und in der Bibel gelesen. Besonders wertvoll sei für sie der Bibelvers gewesen, dass sie alle Sorgen auf Gott werfen und ihm vertrauen dürfe: „Auch wenn ich es gerade nicht verstehe.

Linder ist in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen. Die Eltern haben ihr früh biblische Geschichten vorgelesen und sie und ihre Geschwister mit in den Gottesdienst genommen. „Natürlich gab es auch Zeiten, in denen ich keine Lust darauf hatte. Aber den Glauben habe ich nie infrage gestellt.“ Ihr gibt der Glauben Ruhe und Kraft, erzählt sie, vor allem wenn sie verzweifelt ist oder persönliche Rückschläge erleidet: „Ich kann mich in solchen Phasen zu 100 Prozent auf den Glauben beziehen.“ In ihrem Reisegepäck darf eine Bibel nie fehlen.

Beim Lesen markiert sie sich wichtige Stellen, die gerade in ihre Lebenssituation passen. Auch während des Interviews holt sie die Bibel aus ihrer Sporttasche und zeigt den Vers aus dem Matthäus-Evangelium, der ihr gerade besonders wichtig ist: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.“ Diese Zusage soll ihr Glaubensleben begleiten.

Fußball ist nicht das Wichtigste

In ihrer baden-württembergischen Heimat war sie erst in einer freien Gemeinde in Hoffenheim und dann bis zu ihrem Wechsel nach Wolfsburg im ICF Sinsheim. In Wolfsburg sucht sie gerade noch nach einer passenden Gemeinde. Aber der Gottesdienstbesuch sei sehr oft nicht mit den Trainingsplänen kompatibel. Auf ihrem Instagram-Kanal postet sie regelmäßig Bibelverse. Sie sei aber keine Theologin, sie möchte von ihren Erfahrungen oder denen aus ihrem Umfeld berichten.

Hasskommentare oder blöde Sprüche in den sozialen Medien habe sie wegen ihres Glaubens noch nicht bekommen. Ganz im Gegenteil: Viele seien neugierig, fragten nach und kämen ins Gespräch. „Das ist schön.“ Und sie fühlt sich mit anderen Spielerinnen verbunden, von denen sie weiß, dass auch sie dieses Fundament haben. Als Christin sei sie aber kein besserer Mensch: „Ich habe auch meine Fehler und Macken.“ Wenn sie nach einer Niederlage mit sich und ihrer Leistung hadert, hilft es ihr, dass der Fußball nicht das Wichtigste im Leben ist. Mit diesem Wissen könne sie zuversichtlich nach vorne schauen.

Fußballerinnen müssten lernen, mit Druck umzugehen: „Aber ich versuche, mich auf meine Stärken zu konzentrieren und schlechte Gedanken wegzuschieben. Und natürlich bete ich auch.“ Als Profi brauche sie Ruhe, Klarheit und Leichtigkeit. Zweifel würde man ihr schnell anmerken. Ihr Glaube und der Gottesdienst helfen ihr dabei, den Kopf freizubekommen und innerlich stark zu werden, sagt Linder. „Ich darf auch mal ein schlechtes Spiel machen.“

Zum Nationalmannschaftskader gehört sie seit ihrer ersten Nominierung 2023. „Als die Bundestrainerin angerufen hat, war ich total aufgeregt. Ich habe es aber auch als Wertschätzung für meine Leistung gesehen.“ Bei der Europameisterschaft im Sommer war Linder eine feste Stütze und bestritt alle Gruppenspiele, bis sie im Viertelfinale wegen einer Verletzung frühzeitig ausgewechselt werden musste. Wenn sie gemeinsam mit ihren Teamkameradinnen die Hymne singt, bekommt sie Gänsehaut, verrät Linder. Um als Mannschaft erfolgreich zu sein, müsse sich jeder wohlfühlen, die Stärken und Schwächen seiner Mitspielerinnen kennen und um die Spielidee der Mannschaft wissen: „Wenn ich ein Duell mit meiner Gegenspielerin verliere und meine Innenverteidigerin kommt zur Hilfe, macht das ein Team aus.“

Auch wenn es bei der EM „nur“ für das Halbfinale gereicht hat, fühlte sich dies für sie nicht wie eine Niederlage an. Als U17-Europameisterin und Bronzemedaillengewinnerin in Paris hat sie schon einige sportliche Erfolge gefeiert. Schattenseiten im Profi-Geschäft hat Linder bisher noch nicht erlebt: „Ich habe mich ja bewusst dafür entschieden. Ich habe meiner Mutter versprochen, dann mit dem Fußball aufzuhören, wenn ich sage, dass ich zur Arbeit gehe.“ An die Zeit danach hat sie schon gedacht und eine Ausbildung zur Physiotherapeutin gemacht. Ein Beruf, in dem sie anderen helfen kann, wie sie sagt. Das passt zum Auftreten der sympathischen Fußballerin.

Der Artikel ist erstmals in der Ausgabe 6/2025 des Christlichen Medienmagazins PRO erschienen. Das Heft können Sie hier kostenlos bestellen.

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