Abtreibungsgegner müssen ohne „grobe Störungen“ durch Gegendemonstranten ihre Meinung in einer Versammlung kundtun können. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss klargestellt und die Verurteilung eines Gegendemonstranten zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 20 Euro als verhältnismäßig angesehen. (AZ: 1 BvR 2428/20) Die Versammlungsfreiheit beinhalte zwar das Recht, gegen eine andere Demonstration zu protestieren, nicht aber, diese ausschließlich zu stören oder zu verhindern.
Konkret ging es um einen angemeldeten Demonstrationszug der ultrakonservativen Piusbruderschaft zum Thema „Schutz des ungeborenen Lebens“ in der Freiburger Innenstadt. Die Abtreibungsgegner wurden jedoch am Weiterziehen wegen einer Sitzblockade von Gegendemonstranten gehindert.
„Mein Bauch gehört mir“-Schilder
Auf Gebete, Gesänge und Durchsagen der Abtreibungsgegner reagierten die Gegendemonstranten mit Trillerpfeifen und Sprechchören wie „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat“. Schilder mit Aufschriften wie „Mein Bauch gehört mir“ wurden hochgehalten.
Um den Weiterzug der Abtreibungsgegner zu ermöglichen, löste die Polizei die Sitzblockade auf und drängte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schließlich beiseite, darunter auch der Beschwerdeführer. Dieser wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 200 Euro verurteilt, weil er die Versammlung der Abtreibungsgegner „grob gestört“ hat. Mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte zog der Mann vor Gericht und rügte eine Verletzung seiner Versammlungsfreiheit.
Verfassungsgericht hält Geldstrafe für verhältnismäßig
Doch das Bundesverfassungsgericht entschied, dass der Mann zu Recht verurteilt wurde. Die Geldstrafe sei auch verhältnismäßig.
Die Versammlungsfreiheit beinhalte das Recht, auf eine Versammlung mit einer Gegendemonstration zu reagieren. Für den Prozess der freien Meinungsbildung in einem demokratischen Gemeinwesen sei es aber von „zentraler Bedeutung, dass das Recht, seine Meinung gemeinschaftlich mit anderen öffentlich kundzutun, nicht zum Mittel wird, um Menschen mit anderen Überzeugungen an der Wahrnehmung desselben Rechts zu hindern“, heißt es in dem Beschluss. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei „groben Störungen“, die allein der Verhinderung nicht verbotener Versammlungen dienten, Strafen vorsehe.