PRO: Wer ist Martin Luther für Sie?
Lutz Barth: Sicherlich einer der wichtigsten Persönlichkeiten der Geschichte und unverzichtbar für unser Leben bis heute. Er hat die Bibel auf Deutsch herausgebracht, die deutsche Sprache maßgeblich mitgeprägt und wieder darauf hingewiesen, was der Einzelne für Gott bedeutet. Martin Luther hat den Menschen den Blick gegeben, dass Gott jeden Menschen unendlich liebt. Luther ist für mich definitiv der, der die Kirche in Deutschland wieder zu ihrer Kernaufgabe zurückgeführt hat: das Evangelium Jesu Christi klar und deutlich zu verkündigen.
Wie wichtig ist Ihnen der Reformationstag als Feiertag?
Mir ist die Bedeutung dieses Tages – genauso wie bei Ostern und Weihnachten – jeden Tag bewusst. Ich bräuchte nicht extra einen Erinnerungstag dafür. Das liegt aber mit daran, dass ich zum Beispiel mit dem „Luthertheater“ fast das ganze Jahr damit unterwegs bin. Dennoch finde ich es wichtig, dass wir diese Zeiten haben, an denen wir kirchenfestlich Dinge hervorholen, die sonst in Vergessenheit geraten würden.
Wie kann der 31. Oktober gebührend gefeiert werden?
Da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Meine Frau und ich spielen seit mehreren Jahren jährlich besonders im Oktober Sequenzen aus der Biografie von Martin Luther nach. Ähnlich wie ein Theaterstück. Wir bieten das in unterschiedlichen Städten an, um auf die damaligen Geschehnisse hinzuweisen. Der Reformator selbst hatte sich damals auch einer großen Palette an Ausdrucksformen bedient: Karikaturen, Theater, Liedern, Predigten und vielem mehr. Wichtig dabei: Er hatte immer das Ziel, den Menschen das wunderbare Evangelium von Jesus Christus weiterzugeben. Wenn wir Reformationstag feiern, dann nicht, um Luther zu feiern, sondern die Botschaft, für die er einstand. Um das zu feiern, können wir uns gerne kreativ austoben.
„Wenn wir Reformationstag feiern, dann nicht, um Luther zu feiern, sondern die Botschaft, für die er einstand.“
Bedeutet Reformation zu feiern nicht gleichzeitig auch die Spaltung zu feiern?
Die Katholiken sagen immer, dass Luther gespalten hat, aber er wollte die Kirche wieder auf ihren Ursprung zurückführen. Sein Gedanke war nie eine Spaltung. Das Problem entstand, nachdem die religiösen Führer sich geweigert hatten, das zu akzeptieren. Er hatte die Wahl: Seine Erkenntnis für nichtig erachten oder dafür einstehen. Für Luther war klar: Ich kann den Schatz, den ich erkannt habe – das Evangelium – nicht opfern, nur damit es zu keiner Spaltung kommt. Er hat diese Abspaltung nicht gewollt. Er hat sich für das wahre Evangelium entschieden.
Damals war der Papst ein Prinz aus dem Hause Medici. Der Mainzer Bischof war ein Prinz aus dem Geschlecht der Hohenzollern – das waren Politiker, keine Theologen. Luther wusste das anfänglich nicht. Er dachte, dass das alles fromme Menschen seien. Doch es ging offensichtlich rein um Macht und Geld. Ich bin immer wieder erschrocken, wenn manche Freikirchler meinen, sie hätten mit Luther nichts zu tun. Ohne Luther gäbe es auch die Freikirchen so nicht.
Sie haben eben erwähnt, dass wir unserer Kreativität freien Lauf lassen sollen, um auf die Botschaft Luthers hinzuweisen. Sich eine Luther-Tonsur schneiden zu lassen, gehört wohl eher nicht dazu. Aber vielleicht die 95 Thesen an die eigene Kirchentür hämmern?
Wieso eigentlich nicht? Einige der Thesen wären auch heute noch wirkungsvoll und es bräuchte eine Aktualisierung für die Menschen von heute. Das könnte man sicherlich gut inszenieren. Letztendlich wäre die Reformation heute ähnlich notwendig. Wieder zurück zum Kern des Evangeliums und Jesus Christus in den Mittelpunkt stellen, so wie es Luther damals gemacht hat.
„Dieser Schatz muss doch unter die Menschen.“
Was müsste Ihrer Meinung nach reformiert werden?
Viele haben heute, wenn sie an Gott glauben, einen lieben, vertrottelten Gott vor Augen, der alles vergeben muss, ganz nach dem Motto „Berufsbeschreibung: Menschen Schuld vergeben“. Die Bedeutung und Wertschätzung dafür, was es Gott gekostet hat, sich klein zu machen, Mensch zu werden, und sich demütigen zu lassen, sind verloren gegangen. Sie müssen verstehen: Gott hat sich für uns Sünder geopfert, damit wir die Möglichkeit bekommen, zu leben. Die Liebe Gottes wird heutzutage einfach zu wenig wertgeachtet. Eine gesunde Ehrfurcht vor Gott müsste durch den Reformationstag neu ins Bewusstsein gerufen werden. Es geht mir garantiert nicht ums Angstmachen, sondern ums Ernstnehmen. Ich wünsche mir, dass die Menschen wieder zu dem kommen, der weiß, wie das Leben gelingen kann. Dann würden nicht so viele innerlich zerbrechen, auch Christen nicht.
Um die Thesen Luthers verlauten zu lassen, müsste man aber noch Fein-Anpassungen machen, um der Bedeutung gerecht zu werden. Die Kirchentür war damals das „schwarze Brett“ der Universitäten. Heute etwas an die Kirchentür zu hämmern, wäre natürlich erst einmal Sachbeschädigung.
Was halten Sie von sogenannten „Bora-Partys“? Das ist eine Motto-Feier als Alternative zu Halloween, mit zeitgenössischer Kleidung, Kulinarik und Sprache. Ziel: Auf Katharina von Bora, die Ehefrau Luthers, hinzuweisen. Ihre Rolle als emanzipierte Frau in der Reformation ist ja auch nicht zu unterschätzen.
Grünes Licht. Das klingt sehr gut. Die Rolle von Katharina von Bora war sehr wichtig. Als Nonne floh sie aus ihrem Kloster und heiratete Martin Luther. Dabei suchte sie sich Luther als ihren Mann aus, nicht umgekehrt. Sie war sehr durchsetzungsfähig. Den Haushalt übernahm sie vollständig. Nicht umsonst nannte Martin Luther sie gelegentlich „Herr Käthe“. Sie war die Herrin zu Hause und verköstigte am Tag 30 bis 50 Personen. „Bora-Partys“ sind somit akzeptiert. Allerdings nur, wenn man immer auf die Botschaft hinweist, um die es dem Ehepaar Luther ging: die frohe Botschaft der Vergebung von Jesus Christus.
Sie sagten, dass Sie im Oktober die Geschichte der Reformation in kleinen Theatersequenzen nacherzählen. Unter anderem schlüpfen Sie am Reformationstag in die Rolle Martin Luthers. Worauf freuen Sie sich besonders, wenn Sie Martin Luther darstellen werden?
Dass ich das Evangelium so klar benennen kann. In einer Rolle ist das leichter als in meiner eigenen Person. Ich kann beispielsweise mit der Faust auf das Pult hauen und sagen: „Dieser Schatz muss doch unter die Menschen. Ich kann doch keine Kompromisse machen. Die befreiende Botschaft von Gottes Liebe und Barmherzigkeit zu verkünden, ist unser Auftrag. Wer Gott mehr fürchtet als Menschen, erhält dazu die Freiheit und den Mut.“
Vielen Dank für das Gespräch!