Rezension

Noah, der Biber

Haben Sie sich schonmal gefragt, welches Tier Noah wohl wäre? Oder Adam? Nein? Wir auch nicht. Eine neue Kinderbibel gibt darauf trotzdem erstaunlich plausible Antworten.
Von Anna Lutz

In der Kinderbibel „Die Reise ins versprochene Land“ ist alles so, wie man es erwartet: bunte Bilder. Wuchtige Geschichtenauswahl. Nicht allzu viel Text, um es Vorlesenden und Kindern leichter zu machen, am Ball zu bleiben. Und doch, einen wesentlichen Unterschied zu herkömmlichen Kinderbibeln, von Kees de Kort bis Wimmelbibel, gibt es: Noah hat mitnichten fünf Finger an den Händen, dafür aber erstaunlich lange Frontzähne. Und Jakob hat wenig Haar, dafür aber zwei Hörner auf dem Kopf. Denn Autor Haakon Lie ersetzt alle Menschen in der biblischen Erzählung durch Tiere. Kann das funktionieren?

Die Antwort sei vorweggenommen: Ja, kann es. Wer mit gemeindegeprägten Erwachsenenaugen einen ersten Blick ins Buch wirft, der mag denken: Schaut seltsam aus, das Flußpferd auf dem Berg Sinai (denn in ein solches verwandelt Lie den Bringer der Zehn Gebote, Mose). Doch dieses Buch ist für Kinder gemacht und die, das hat die Autorin dieses Textes bei ihrem eigenen Nachwuchs getestet, finden die tierischen Hauptfiguren ziemlich witzig und spannend. Kein Wunder, macht doch ein Maul aufreißendes rotes Flußpferd mit Wanderstock in der vierfingrigen Hand einiges mehr her, als ein staubiger, menschlicher und weit wenig farbenfroher Wüstenwanderer.

Foto: Deutsche Bibelgesellschaft
Noah baut als Biber fleißig an der Arche

Tatsächlich gelingt es dem Autor und Illustrator bei genauerem Hinsehen aber auch, erwachsene Bibelleser zu überzeugen. Denn die Tiere sind hier nicht willkürlich ausgewählt. Stattdessen erklären kleine Infokästen, was die biblische Figur mit dem zoologischen Pendant zu tun hat. 

Noah, der Biber, erscheint wohl am einleuchtendsten: Der Erbauer der Arche kann, wenn er denn schon ein Tier sein soll, wohl nur ein holzaffiner Nager sein. Denn, das verrät die Bibel, nach dem Menschen hält der Biber den Weltrekord für das größte Bauwerk. Der größte Biberdamm der Welt ist 850 Meter lang.

Adam, hier ein etwas treudoof dreinblickender und fröhlich mit Poklatscher ins paradiesische Wasser springender Elefant, vermittelt zunächst eine gewisse charakterliche Naivität. Vielleicht nicht ganz unpassend für den Urvater der Menschheit, der sich an Gott versündigte, weil er endlich etwas schlauer werden wollte und deshalb in die von der Schlange angepriesene Frucht biss. Doch Haakon Lie bietet noch eine bessere Erklärung für die Wahl dieses Tieres als Adam (und in wärmeren Farbtönen auch Eva). Denn Elefanten sind „großartige Gärtner“. Durch Fressen und Ausscheiden sind sie die perfekten Verbreiter von Pflanzensamen und verhelfen den Wäldern zum Wachstum. 

So geht es weiter: Jakob und Josef werden als Stiere zum Arbeitstier, Mose zum gefährlichen und manchmal leicht zu erzürnenden Flusspferd, das dem Pharao, einem Krokodil, ins Gesicht brüllt: „Lass meine Herde gehen!“

Der erste und bisher einzige erschienene Teil dieser Kinderbibel endet mit dem Kampf um Kanaan und dem Einzug der Israeliten ins gelobte Land. Der nächste Teil soll im kommenden Herbst erscheinen. Darin warten dann die Geschichten von Jona und anderen Propheten. Ob die Reihe bis zum Neuen Testament fortgesetzt wird, ist aus der Vorschau nicht ersichtlich. Sinn ergäbe es allemal, denn welches Tier Jesus wird, liegt auf der Hand: ein Löwe.  

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