Der Rundfunkrat des Norddeutschen Rundfunks hat eine Programmbeschwerde gegen das Reportagemagazin „Klar“ mit Julia Ruhs zurückgewiesen. Das Gremium verabschiedete am Freitag mit 29 Stimmen mehrheitlich einen Beschluss, nach dem in der ersten Ausgabe des Formats mit dem Titel „Klar – Migration: was falsch läuft“ kein Verstoß gegen den NDR-Staatsvertrag und den Medienstaatsvertrag vorgelegen habe.
Mit dem Beschluss verband das Gremium auch den Hinweis, dass das Format „nicht vollumfänglich den Anforderungen an die Qualität eines Formats im NDR“ entsprochen habe. Bemängelt wurden eine „beschränkte Perspektivenvielfalt“ und „zu starke Emotionalisierung“. Auch sei die Sendung überfrachtet gewesen.
Zuvor hatte NDR-Intendant Hendrik Lünenborg vor dem Gremium Fehler des Senders beim Umgang mit dem Reportagemagazin eingeräumt. Diese Fehler seien bei der „Überführung des Formats in den Regelbetrieb“ und bei der Kommunikation passiert, sagte Lünenborg. Es habe sich gezeigt, dass die „Debattenkultur“ im NDR „nicht im besten Zustand“ sei. Er kündigte an, dass er die Debattenkultur im Sender im Hinblick auf Perspektivenvielfalt verbessern wolle. Das sei eine „zentrale Aufgabe für den NDR“, sagte er.
Mehr als eine Stunde Diskussion
Programmdirektor Frank Beckmann sagte, der Sender habe die politische Wirkung der Ankündigung, dass der NDR die Sendung „Klar“ fortsetzen werde, aber ohne die Moderatorin Julia Ruhs, nicht richtig eingeschätzt. Auch seien Fehler bei der Kommunikation passiert. Das Sendekonzept für „Klar“ habe „immer mehrere“ Moderatoren vorgesehen, unterstrich Beckmann: „Wir haben Frau Ruhs nie zugesagt, dass es weitergeht und dass alle Sendungen von ihr moderiert werden.“
Das Gremium diskutierte vor der Abstimmung länger als eine Stunde über das Reportagemagazin, das NDR und BR im April gestartet hatten. Es sollte nach der Ankündigung des NDR „große Streitfragen“ aufgreifen, „die in der Mitte der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden“. Vor allem an der Sendung „Klar – Migration: was falsch läuft“, die am 9. April im NDR gesendet wurde und seither in der ARD-Mediathek steht, hatte es viel Kritik im Sender, aber auch von außen gegeben. Die Ausgabe „Klar – Der Frust der Bauern“ wurde am 11. Juni beim NDR gesendet, die dritte Ausgabe „Klar – Hat Corona uns zerrissen?“ folgte am 30. Juli.
Am 17. September hatte der NDR mitgeteilt, dass beide Sender das Format fortsetzen wollen, dass aber künftig nur noch in den vom BR verantworteten Ausgaben Julia Ruhs moderieren werde. Am 19. September gab der NDR bekannt, dass die ehemalige „Bild“-Chefredakteurin Tanit Koch die vom NDR verantworteten Ausgaben präsentieren werde. Die Zahl der Ausgaben pro Jahr soll von drei auf sechs verdoppelt werden.
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Mehrere Politiker hatten kritisiert, dass der NDR die Zusammenarbeit mit Ruhs nicht fortsetze. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte gesagt, die Entscheidung des NDR sei „kein gutes Signal für die Meinungsfreiheit“ im Sender. Auch Heidi Reichinnek (Linke) hatte die Entscheidung kritisiert. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte gefordert, den Rundfunkbeitrag von derzeit 18,36 Euro pro Monat einzufrieren, „damit endlich Druck entsteht, damit Reformen passieren“. In der Sitzung des Rundfunkrats verwahrten sich der Personalrat und einige Rundfunkräte gegen die Versuche der Politik, sich in Personalangelegenheiten des Senders einzumischen.