Das Universum weist auf einen Gott hin

Der Physik-Professor Gerd Ganteför stellte durch seine Forschung zu Astrophysik und Quantenwelt fest: Die Welt lässt sich nicht allein über die Materie erklären. Das Universum basiert auf Information. Aber wer hat sich das alles ausgedacht?
Von Jörn Schumacher

Gerd Ganteför war Physikprofessor an der Universität Konstanz. Seit er vor zweieinhalb Jahren emeritierte, erklärt er in zahlreichen Videos auf Youtube die Welt der Physik. Da er eine angenehme Stimme und eine sympathische Art hat und weil er komplizierte Dinge einfach erklären kann, klicken Tausende seine Videos an.

Sein Kanal „Grenzen des Wissens“ hat mehr als 100.000 Abonnenten. In sechs Jahren hat Ganteför 460 Videos veröffentlicht mit insgesamt 20 Millionen Klicks. Der 68-Jährige ist „Erklärbär“ für ­Astro-, Nano- und Quantenphysik, für Energie und Klima. Doch schwingt bei allem eine übernatürliche Saite mit: Ganteför war früher Atheist, doch die Physik brachte ihn auf Gott.

Bereits vor der Corona-Pandemie setzte die Uni Konstanz Ganteför als „Erklärbär“ für Videos zu interessanten physikalischen Phänomenen ein. In der Pandemie mussten die Vorlesungen für die Studenten als Online-Videos aufgenommen werden. Plötzlich riefen diese Clips viel mehr Menschen auf, als sonst in den Vorlesungen saßen. Ganteförs Video „Relativitätstheorie für Laien“ beispielsweise brachte es auf über acht Millionen Aufrufe. So kam es zu seinem eigenen Kanal. „Mir macht es einfach Spaß, mein Wissen mit Menschen zu teilen“, sagt der Physiker im Gespräch mit PRO.

https://youtu.be/YZ0wWI90yk8

Ganteför hat eine hohe Schlagzahl, er veröffentlicht zwei Videos pro Woche: eines zu Astrophysik, eines zu Energie und Klima. „Erstere schauen rund 20.00 Menschen, letztere jeweils etwa 40.000.“ Ihm gehe es darum, das aufzuzeigen, was die Physik zum Thema Klima sagen kann. Und nicht mehr. Der Physik geht es immer um Sachlichkeit, betont er. „Niemals um Angst.“ Was er aber in der öffentlichen Debatte beim Thema Klimawandel vielfach beobachte, sei Angst, Panik und Weltuntergangsstimmung.

Die Welt geht nicht unter

Als UN-Generalsekretär António Guterres davon sprach, dass die Menschheit wegen des Klimawandels auf einem „Highway to hell“, also auf der Autobahn in die Hölle sei, habe ihn das sehr geärgert, sagt Ganteför. „Das ist ein religiöses Moment“, sagt er. Hier werde die Physik missbraucht für eine Ideologie; und jeder, der dabei nicht mitmacht, werde angefeindet und gecancelt. Ganteför beschwört immer wieder: „Wir sind eben nicht zum Untergang verurteilt. Die Menschheit wird wegen des Klimawandels nicht aussterben.“

Dabei geht der Physiker zum größten Teil konform mit dem Weltklimarat. „Es gibt den Treibhauseffekt durch CO2 und die Verbrennung von Kohle, Gas und Erdöl“, betont er, „und es gibt die menschengemachte Klimaerwärmung, keine Frage. Doch die Medien und die Klimaaktivisten machen daraus eine Hysterie.“ Zwar dürfe der Anteil von Kohlendioxid in der Atmosphäre nicht zu hoch werden. Doch Ganteför ist sich sicher, dass es einen Ausweg gibt. Und der sieht in etwa so aus: Die Hälfte der rund 40 Milliarden Tonnen CO2, die jährlich in die Atmosphäre kommen, wird von den Meeren sowie von den Bäumen aufgenommen. Sein Fazit: „Wir müssen nicht mehr auf null Emissionen kommen, sondern auf die Hälfte.“

Gerd Ganteför Foto: Stephan Wagner

Zur Person

Gerd Ganteför, geboren 1956, wuchs in Dortmund auf, sein Vater war Chemiker. Er studierte von 1977 bis 1984 Physik an der Universität Münster und promovierte an der Universität Bielefeld im Bereich Nanotechnologie. Danach war er Postdoktorand in den USA und habilitierte am Forschungszentrum Jülich. 1997 wurde er an die Universität Konstanz berufen, an der er bis zum Ende seiner Dienstzeit 2022 forschte und lehrte. Seit rund 20 Jahren lebt er im Thurgau in der Nordschweiz am Bodensee. Auf seinem Youtube-Kanal „Grenzen des Wissens“ erklärt er wissenschaftliche Zusammenhänge rund ums Thema Klima, aber auch andere physikalische und metaphysische Fragen:   youtube.com/@GrenzendesWissens

In einem Video machte der Physiker darauf aufmerksam, dass auch die Ressource Wind nicht unendlich ist. „Wenn man der Luftströmung mittels Windkraftanlagen Energie entzieht, verändert man dadurch die Windströme.“ Studien deuteten darauf hin, dass der Wind hinter großen Windkraftparks in der Nordsee schwächer ist. Das hat durchaus Folgen für die Natur. Wegen seiner Thesen sei er von Klima-Wissenschaftlern angegriffen worden, so Ganteför. Auch von Schikanen seinetwegen gegenüber einem Freund berichtet er und spricht von „Mafia-Methoden“.

Ganteför wurde als Klimaleugner diffamiert und sogar als AfD-Anhänger. Dabei ist er Mitglied der FDP in seinem Kanton Thurgau. Vor rund zehn Jahren sprach er zweimal auf Einladung der AfD bei Veranstaltungen der Partei zu Energie und Klima – also zu einer Zeit, in der die AfD deutlich weniger radikal war als heute.

In einem Video „Klima: Ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht“ erzählt Ganteför von dieser nicht einfachen Zeit. Seine Universität habe sich nicht hinter ihn gestellt oder zu den Anschuldigungen befragt. Forschungsanträge Ganteförs seien plötzlich abgelehnt worden. Er vergleicht es mit der Hexenverfolgung im Mittelalter. „Nur die Anklage hat das Wort. Und die Anklage, das ist die Klimabewegung.“ Die sogenannte Klima-Wissenschaft kam ihm gar nicht mehr wie eine Wissenschaft vor, sondern wie eine Ideologie mit religiös-fanatischen Zügen.

Heute steht Ganteför zwischen den Stühlen: Erklärt er in seinen Videos haargenau und wissenschaftlich, wieso es den Treibhaus­effekt gibt und warum es richtig ist, immer weniger CO2 zu emittieren, wird er von Leugnern der Klimaveränderung angegriffen; zeigt er indes auf, dass riesige Windparks den Wind auf ihrer Lee-Seite schwächen können, wird er selbst als Klimaleugner beschimpft.

Begegnung mit dem Übernatürlichen

In vielen Videos geht es um Astrophysik und die „Grenzen des Wissens“. Dann gibt er gerne zu, wenn es spekulativ wird. „Was heißt eigentlich ‚übernatürlich‘?“, fragt er in einem Video. „Ist es alles das, was man nicht aus dem Alltag kennt und jederzeit sieht? Im Grunde ist ja schon eine elektromagnetische Welle übernatürlich.“ Nach einem tiefen Blick in die Quantenforschung könne man nur feststellen: „Ja, es gibt Übernatürliches!“ Das habe nichts mit Esoterik zu tun. Für ihn heißt das vor allem „immateriell“.

In seinem neuesten Buch „Das rätselhafte Gewebe unserer Wirklichkeit und die Grenzen der Physik“ beschreibt Ganteför die Gründe dafür, warum er nicht länger an ein materialistisches Universum glauben mag. Also an ein Weltbild, demzufolge das Universum einer gigantischen Maschine gleicht, deren Zahnräder in Form von Naturgesetzen den Ablauf bestimmter Prozesse kontrollieren.

„Im Universum entwickelt sich alles hin zu wahrscheinlicheren Zuständen.“ Dieses Gesetz der Entropie verlangt, dass die Ordnung von selbst immer mehr abnimmt, und sich Energie im Universum verteilt, bis alles den großen Kältetod stirbt. Und doch wirkt der Entropie etwas Mysteriöses entgegen. Das kann nur Information sein. Sie ist ein Indiz für Leben. Immer dort, wo Leben ist, wird der Entropie entgegengearbeitet.

„Die Physik kann die Natur sehr gut beschreiben“, sagt Ganteför gegenüber PRO. „Aber sie kann die Warum-Frage nicht beantworten.“ Warum bewegt sich das Licht mit 300.000 Kilometern pro Sekunde und nicht mit fünf? Warum sind die Naturkonstanten genau so groß, wie sie sind? Gerade in der Quantenphysik gebe es Phänomene, die man zwar mathematisch beschreiben könne, „bei dem unser bisheriges Weltbild aber nicht mehr mitkommt“, so der Physiker. „Sie erscheinen uns wie Wunder.“ Das Wesen vieler Dinge habe die Wissenschaft noch nicht verstanden.

Das Universum ist maßgeschneidert

Dazu gehört etwa, dass ein Quantensystem sich anders verhält, wenn man es beobachten kann. „Wenn ich es nicht beobachten kann, verhält sich ein Teilchen wie eine Welle. Kann ich es aber beobachten, verhält es sich wie ein Teilchen“, erklärt der Physiker einen der verrücktesten Versuche der Wissenschaftsgeschichte, das Doppelspalt-Experiment. Das zeigt, dass etwa Licht und andere Quantenobjekte zugleich Eigenschaften von Teilchen und von Wellen haben.

„Da spielt offenbar Information eine Rolle. ­Information gibt es aber ansonsten in der unbelebten Natur nicht einfach so.“ Ganteför versucht einen Vergleich: „Wenn man auf einem fremden Planeten ein Buch mit Buchstaben darin finden würde, würde man davon ausgehen, dass eine Intelligenz das Buch geschrieben hat.“ Parallel dazu stecke die DNA in den Lebewesen ähnlich voll mit Information. „Ohne Information kein Leben.“

„Wenn die Naturkonstanten und -gesetze nur ein wenig anders wären, sähe unser Universum ganz anders aus, und dann gäbe es uns nicht.“

Ganteför zog daraus einen Schluss: „Die tiefere Ebene unserer Existenz enthält eine metaphysische, eine geistige Ebene. Sie ist eben nicht rein materiell.“ Das materialistische Weltbild sei von einem Zeitgeist geprägt, ist Ganteför überzeugt, und zwar von einem atheistischen. In seinem Buch und auch in einem ausführlichen Video greift er deshalb den „Gotteswahn“-Autor Richard Dawkins an. Der argumentiere nicht als Naturwissenschaftler, sondern rein ideologisch, ärgert sich Ganteför. Er missbrauche die Naturwissenschaft für seine Ideologie, die gegen Gott und Religion gerichtet sei.

Eine andere verblüffende Erkenntnis brachte den Physiker ins Grübeln. „Das Universum scheint maßgeschneidert für Leben zu sein“, sagt Ganteför. „Wenn die Naturkonstanten und -gesetze nur ein wenig anders wären, sähe unser Universum ganz anders aus, und dann gäbe es uns nicht. Spräche man hier von einem oder zwei Parametern, könnte man es als Zufall abtun. „Aber es sind 50 bis 100! Da wird man schon nachdenklich.“ Er fügt hinzu: „Vielleicht kommen wir irgendwann zu der Erkenntnis: Information ist die eigentliche Basis der Realität. ‚It from Bit.‘“ Diese kurze Sentenz hat der 2008 verstorbene amerikanische Physiker John Wheeler geprägt. Alles Sein („It“) stamme aus Information („Bit“).

Die Naturwissenschaft kann die Existenz Gottes nicht beweisen, stellt Ganteför fest. „Sie kann aber ebenso nicht die Nichtexistenz beweisen.“ Gegenüber dem Darwinismus hat er mittlerweile eine gewisse Skepsis. „Er ist kalt, mörderisch und gnadenlos“, sagt er in einem seiner Videos und fügt hinzu: „Gnade ist ein christlicher Begriff. Christentum ist die Überwindung des Darwinismus.“ Ganteför verweist auf die Bergpredigt und stellt fest: „Ich möchte in einer Welt, in der der Darwinismus vorherrscht, nicht leben.“

Für ein Video lud er Ralf B. Bergmann ein, Professor für Physik der Universität Bremen. Das Thema: „Naturwissenschaft und Christentum“. Der Glaube an Gott sei vernünftig und erkläre die Existenz und die Eigenschaften der Welt besser als der Atheismus, kommen sie im Gespräch überein. In einem „Weihnachts-Spezial-Video“ ging Ganteför über seine gewöhnliche naturwissenschaftlich geprägte Informationsvermittlung hinaus und wagte ein Bekenntnis: Er sei „von seinen Wurzeln her Christ“. Seine Interpretation, wie er betont, sei die christliche Theologie. „Die Basis oder Substanz der Welt ist Geist: ‚Am Anfang war das Wort.‘“ Das könne man mit Physik nicht beweisen. Aber es gehe am Ende um Wahrscheinlichkeiten.

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