Jugendforscher: Eltern sind oft überfordert

Viele Eltern sind mit digitalen Medien überfordert und haben ihren eigenen Konsum nicht im Griff, findet Jugendforscher Klaus Hurrelmann. Deshalb hält er ein Verbot von sozialen Medien für Jugendliche nicht für sinnvoll.
Von Jonathan Steinert
Kinder schauen in ein Smartphone

Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann hält nichts davon, Kindern und Jugendlichen Social Media zu verbieten. „Aus einer so weitverbreiteten Kulturtechnik auszustei­gen, käme einer Kapitulation gleich“, sagte der Wissenschaftler dem „Spiegel“. Außerdem würde man Kindern und Jugendlichen dadurch ihre erlern­ten Kommunikationskanäle abschneiden. Er plädiert hingegen dafür, die Konzerne hinter den sozialen Medien stärker zu regulieren.

Nach Einschätzung Hurrelmanns hinkten viele Eltern den technischen Möglichkeiten ihrer Kinder hinterher. Sie seien selbst überfordert von der Informationsflut und hätten ihren Medienkonsum nicht im Griff. Statt eines Verbots rät er Eltern, sich die Technik mit ihren Kindern gemeinsam zu erarbeiten. „Die Kinder bringen die intuitiven Fähigkeiten mit, die Geräte zu bedienen, die Eltern ihr Hinter­grundwissen und die Fertigkeit, Informationen objektiver zu bewerten und einzuordnen“, sagte er. Dies ist für ihn ein Beispiel dafür, wie Menschen unterschiedlicher Generationen ihre jeweiligen Lebenserfahrungen im Dialog zusammenbringen können.

Jedoch gebe es immer weniger Berührungspunkte zwischen jüngeren und älteren Menschen. In Parteien, Vereinen und Kirchengemeinden liege der Altersdurchschnitt oft bei 60 Jahren oder darüber. Junge Menschen diskutierten vor allem im digitalen Raum. Zu echten Auseinandersetzungen zwischen den Generationen komme es daher kaum, was das Verständnis für die Positionen der jeweils anderen erschwere.

Neue App soll Altersnachweis bringen

In der deutschen und europäischen Politik wird derzeit über das Für und Wider von Altersgrenzen für soziale Medien und strengere Regulierungen der Plattformbetreiber diskutiert. Während etwa Bundesbildungsministerin Karin Prien und der Suchtbeauftragte der Bundesregierung, Hendrik Streeck (beide CDU), sich dafür aussprechen, Social Media erst ab 16 Jahren zu erlauben, hält Bayerns Ministerpräsident Markus Söder das für „totalen Quatsch“. Auch der Deutsche Lehrerverband findet eine gesetzliche Altersbegrenzung nicht sinnvoll.

Die EU hat in der vorigen Woche Leitlinien dazu vorgestellt, wie Digitalkonzerne vor allem minderjährige Nutzer besser schützen können, etwa vor Suchtgefahren, Mobbing oder unerwünschter Kontaktaufnahme durch andere Nutzer über die Plattformen. Außerdem will die EU eine App testen, mit der sich das Alter sicher nachweisen lässt, um Zugang zu bestimmten Online-Diensten zu erhalten. Der Prototyp wird zunächst in einzelnen europäischen Ländern getestet, unter anderem in Frankreich und Italien. Ab Ende kommenden Jahres könnte das auch mittels einer „digitalen Brieftasche“ geschehen.

Jugendliche müssen laut den Nutzungsbedingungen sozialer Netzwerke mindestens 13 Jahre alt sein, um sich anmelden zu dürfen. Doch praktisch lässt sich die Altersbeschränkung bei der Anmeldung leicht umgehen, sodass auch deutlich jüngere Kinder auf Instagram oder Tiktok unterwegs sind.

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