Weidel versackt im Lärm, ARD in der Kritik

Beim ARD-Sommerinterview mit Alice Weidel übertönten Proteste vom Spree-Ufer das Gespräch. Die Aktion sorgte für Kritik an der ARD – die Rede ist von einem „Debakel“ und einem „Konjunkturprogramm für die AfD“.
Von Norbert Schäfer
Alice Weidel (AfD) ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags



Beim „Bericht aus Berlin“ hatte Hauptstadtstudio-Leiter Markus Preiß am Sonntagabend die AfD-Vorsitzende Alice Weidel zum ARD-Sommerinterview zu Gast. Doch weniger der Inhalt des Gespräches verfängt, vielmehr die äußeren Begleitumstände. Denn das Interview wurde vom gegenüberliegenden Spree-Ufer durch lautstarke Proteste überlagert.

Das Gespräch zwischen dem ARD-Journalisten und der AfD-Politikerin fand als Open-Air-Interview auf einer Terrasse des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses im Regierungsviertel an der Spree mit Blick auf das Reichstagsgebäude am anderen Ufer statt. Von dort aus produzierten die Demonstranten zunächst mit Trillerpfeifen, Hupen und Sprechgesängen eine massive Lärmkulisse, sodass das Gespräch zwischen der Politikerin und dem Journalisten überlagert wurde.

Etwa ab der Minute 14 des Gesprächs wird im Hintergrund ein Bus am anderen Spree-Ufer erkennbar. Etwa eineinhalb Minuten später erschallt dann aus dem Fahrzeug mit der Aufschrift „Adenauer SRP+“ ein Gesang – einziger Inhalt die Wiederholung des Slogans „Scheiß AfD“ – so laut, dass Weidel und Preiß Schwierigkeiten hatten, sich zu verständigen. „Ich kann ihre Frage kaum verstehen“, sagte Weidel – dabei saßen der Journalist und die Politikerin keine zwei Meter voneinander entfernt. Der Lärm des Gesangs kommt etwa in der Minute 27 des rund 30-minütigen Gesprächs wieder zum Erliegen.

Preiß: Weidel in der Situation „sportlich“

Hinter der Aktion vor dem Reichstagsgebäude steckt die Künstlergruppe „Zentrum für Politische Schönheit“. Die Demonstranten am gegenüberliegenden Spree-Ufer trugen teilweise Transparente mit der Aufschrift „Omas gegen Rechts“. Medienberichten zufolge war die Demonstration nicht angemeldet und wurde schließlich von der Polizei gestoppt. Festnahmen hat es demnach keine gegeben.


In der „Tagesschau“ erklärte Preiß später, dass er sich während eines Einspielers mit Weidel über den Fortgang des Gesprächs verständigt habe. „Wir waren uns einig: Wir setzen das Interview fort“, erklärte Preiß. Es sei schade gewesen, dass buchstäblich einige seiner Fragen an die Politikerin dem Lärm zum Opfer gefallen seien, erklärte der ARD-Journalist in der Nachrichtensendung. Dass die AfD-Politikerin unter den Umständen das Interview weiter geführt habe, bezeichnete er als „sportlich“.

Auf Twitter teilte Weidel noch am Sonntagabend mit: „So sieht es übrigens aus, wenn die #tagesschau ein #Sommerinterview mit der AfD im CDU-regierten Berlin führt – während im Hintergrund der NGO-Chor protestiert. Einschalten ab 18 Uhr in der ARD – da gibts das ganze Interview zu ‚hören‘…“ Unterdessen fordert die AfD eine Wiederholung des Interviews.

Handelsblatt: „Konjunkturprogramm für die AfD“

Die „Zürcher Neue Zeitung“ schreibt am Montag von einem „gebührenfinanzierten Debakel“, und dass die ARD das Interview hätte abbrechen müssen. Im Gespräch mit Welt erklärte der langjährige FDP-Bundestagsabgeordnete und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki, dass er an entsprechender Stelle das Interview abgebrochen hätte. „Was mich wundert: Wir haben ausreichend Polizei am Deutschen Bundestag […] und der Bus […] steht im Halteverbot“, stellte der Liberalen-Politiker fest. Er frage sich, warum die Polizei, die den Ort bewache, das Fahrzeug nicht des Platzes verwiesen habe. Die Störer hätten letztlich Weidel „in die Hände gespielt“ und verhindert, sie inhaltlich zu stellen. Demokraten würden „keinen Millimeter Boden preisgeben, aber wir stören nicht“.

Das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) spricht gar von einem „Armutszeugnis“ für die ARD. Der Sender habe Schutzmaßnahmen unterlassen und für eine gezielte Störaktion eine Bühne geboten. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) kommt zu dem Urteil, dass die Störer und die ARD damit allenfalls der AfD einen Gefallen getan hätten, bediene der Krach doch „exakt die Opfererzählung, die die rechtsextreme Partei von sich als vermeintlich verfolgter Unschuld verbreitet“.

Laut „Handelsblatt“ hat die ARD eine Reaktion auf das Interview mit Weidel angekündigt. Aus der Sendung wolle der Sender Schlüsse ziehen und in Zukunft Vorkehrungen treffen. Das Blatt schreibt in einem Kommentar von einem „Konjunkturprogramm für die AfD“. Die „taz“ findet in einem Kommentar zu dem Sommer-Interview mit Weidel, dass die ARD „dankbar sein sollte über die Beteiligung der Öffentlichkeit“.

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