Der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Hendrik Streeck (CDU), will Mediensucht insbesondere bei jungen Menschen gezielter vorbeugen. „Jugendliche nutzen viel zu viel Social Media, Streaming-Dienste oder Games“, sagte Streeck. Für dieses Problem müsse ein stärkeres Bewusstsein geschaffen und bestehendes Recht durchgesetzt werden.
Streeck sagte der „Welt“ in einem am Sonntag online veröffentlichten Interview, laut Datenschutz-Grundverordnung dürften Jugendliche auch in Deutschland erst ab 16 Jahren ohne Zustimmung der Eltern einen Social-Media-Account erstellen. „Aber welche Plattform kümmert sich um diese Regelung?“, fragte er. Eine wirksame Altersüberprüfung einzuführen, würde aus seiner Sicht viel bringen. „Und ich sehe auch die Eltern stärker in der Verantwortung, hinzuschauen, was ihre Kinder im digitalen Raum treiben“, sagte der Drogenbeauftragte.
Über diese und andere Punkte werde zu reden sein, um zu Regelungen zu kommen, die für alle Plattformen einheitlich sind. Idealerweise würden diese in europäischer Zusammenarbeit umgesetzt. Der Bonner Mediziner Streeck war Ende Mai zum Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung berufen worden.
Social-Media: Emotionale Schäden bei Mädchen
Der Ulmer Psychiater Manfred Spitzer nannte es Körperverletzung, Smartphones oder Tablets an Kindergarten-Kinder auszuteilen. Als Folgen nannte er Risiken für die Entwicklung des Gehirns, für die Augen und zu wenig Bewegung.
Zudem hält auch er Social-Media-Dienste für Kinder für gefährlich. Spitzer sprach „von emotionalen Schäden bei den Mädchen und jungen Frauen, die über Ängste und Essstörungen über Depressionen bis hin zu Suizidgedanken und tatsächlichen Selbstmorden reichen“. „Facebook, TikTok und Co. wissen das bekanntermaßen, aber es gehört nun einmal zu deren Geschäftsmodell. Und daher geschieht nichts, wenn wir uns nicht darum kümmern und endlich weniger verantwortungslos als bisher handeln“, sagte der Neurowissenschaftler und Psychiater der „Welt am Sonntag“.
Als einen Grund, warum das Nutzen von Handy und sozialen Netzwerken für Kinder und Jugendliche bislang nicht reglementiert ist, sieht Spitzer den Einfluss der großen Konzerne: „Die Digital-Lobby von heute ist die mit Abstand stärkste der Welt.“
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Der Psychiater hält den Verzicht auf Einschränkungen für verantwortungslos: „Vor 100 Jahren hat man Kinder beruhigt, indem man ihnen ein mit Alkohol und Opium getränktes Wollläppchen unter die Zunge gelegt hat. Heute bekommen sie ein Smartphone – mit all den beschriebenen Folgen für Gehirn, Gesundheit und Bildung. Ich hoffe, wir brauchen keine hundert Jahre, um zu verstehen, was wir unseren Kindern antun.“