Heftige Kritik an Linken für Antisemitismus-Definition

Die Linke hat sich auf ihrem Parteitag in Chemnitz gegen die in Deutschland übliche Definition von Antisemitismus gestellt. Der Zentralrat der Juden und andere Verbände sind empört. Sie können sich „keinerlei Kooperation“ mit der Partei vorstellen.
Von Johannes Blöcher-Weil
Für Josef Schuster steht nach dem Parteitagsbeschluss die Glaubwürdigkeit der Linken auf dem Spiel.

Mit einer knappen Mehrheit haben die Delegierten der Linkspartei auf dem Parteitag in Chemnitz die sogenannte „Jerusalemer Erklärung“ angenommen. Sie definiert Antisemitismus und gilt als Alternative zur sogenannten IHRA-Definition, die der Zentralrat und die Bundesregierung unterstützen.

Der Beschluss sieht vor, dass deutsche Behörden die IHRA-Definition in Zukunft durch die Jerusalemer Erklärung ersetzen sollen. Die Jerusalemer Erklärung erlaubt mehr Kritik an Israel. Sie sieht auch die BDS-Bewegung, die Israel boykottieren will, nicht als zwingend antisemitisch. Viele sehen an der „Jerusalemer Erklärung“ kritisch, dass sie israelbezogenen Antisemitismus nicht klar definiert.

In dem Parteitagsbeschluss heißt es, dass die IHRA-Definition ein „Einfallstor für autoritäres, staatliches Handeln“ sei. Für ihren Beschluss wird die Partei von jüdischen Verbänden und Politikern heftig kritisiert.

Schuster: „Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel“

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat eine klare Abgrenzung von der Linkspartei gefordert. Ihr Vorsitzender Josef Schuster wirft der Partei vor, „nicht an der Seite der Jüdinnen und Juden in Deutschland“ zu stehen. Die Linken müssten Antisemitismus in ihren eigenen Reihen überwinden. Er rief die demokratischen Parteien dazu auf, keine Bündnisse mit der Linken einzugehen, da diese ansonsten ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzten.

Die Religionsbeauftragte der Grünen, Lamya Kaddor, warf der Partei vor, sich auf eine umstrittene Definition festzulegen, statt die Debatte der Wissenschaft zu überlassen. Ziel müsse es sein, die Gesellschaft in vielen Bereichen stärker für Antisemitismus zu sensibilisieren. Die IHRA-Definition lasse nämlich sehr wohl Kritik an Israels Regierungshandeln zu.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Marlene Schönberger, bemängelte, dass die Linke längst widerlegte Behauptungen verbreite. Die IHRA-Arbeitsdefinition richte sich gegen antisemitische Ressentiments, aber nicht gegen Meinungen. Die Linke bleibe die Antwort schuldig, was sie unter Antisemitismus verstehe. Der CDU-Abgeordnete Christoph Ploß schloss laut Bild-Zeitung eine „normale Zusammenarbeit“ mit der Partei aus. Sie sei weder Verhandlungs- oder Abstimmungspartner, sondern ein Gegner wie die AfD.

Ramelow: „Wer Israel auslöschen möchte, ist Antisemit“

Auch innerhalb der Partei gab es Kritik. Der frühere Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, verdeutlichte, dass eine Mehrheit nicht bestimmen könne, was Angelegenheit von Haltung sei: „Wer Israel auslöschen und Juden vernichten oder vertreiben will, der ist Antisemit!“ Parteichef Jan van Aken hatte von einem Beschluss zur Jerusalemer Erklärung abgeraten. Die Linke könne einen wissenschaftlichen Streit nicht per Parteitagsbeschluss entscheiden. Das Existenzrecht Israels bleibe „unangefochten Teil unserer DNA“, erklärte der Politiker. Antisemitismus und Nahost-Konflikt sind Dauerbrenner in der innerparteilichen Debatte der Partei „Die Linke“.

Der IHRA gehören 31 Mitgliedstaaten an. Sie will mit Experten die Forschung und das Gedenken an den Holocaust stärken und voranbringen. Die veröffentlichte Definition ist rechtlich nicht bindend, wird aber in Deutschland in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens auf Bundesebene angewandt, betont der Antisemitismus-Beauftrage der Bundesregierung, Felix Klein. Deswegen bedauerte Klein auch die Abkehr der Partei von dem „wertvollen Instrument“, das dabei helfe, Antisemitismus zu erkennen.

Auch der jüdische Verein WerteInitiative verurteilte laut ZDF die Entscheidung. Mit dem Beschluss öffne die Partei „israelfeindlicher Agitation unter dem Deckmantel der Kritik die Tür – und entzieht sich damit der Verantwortung, jüdisches Leben und jüdische Perspektiven wirksam zu schützen“, erklärte der Vereinsvorsitzende Elio Adler.

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