Die Videoplattform YouTube ist 20 Jahre nach ihrer Erfindung aus dem Alltag junger Menschen kaum wegzudenken – auch nicht für viele christlich geprägte Jugendliche. Die Plattform wird zwar überwiegend zur Unterhaltung genutzt, aber auch zur Information und für Glaubensthemen.
Seit TikTok mit Kurzvideos den Markt erobert hat, zieht YouTube mit „Shorts“ nach: schnell, laut, emotional. Doch was bedeutet das für den Glauben? Für die Ethik? Für die Persönlichkeit?
„YouTube ist riesig – in der Nutzung, im Angebot, in der Wirkung“, sagt der Medienpädagoge Achim Halfmann. Bei den 15- bis 19-Jährigen stehe YouTube nach einer aktuellen Untersuchung der Medienanstalten im Bereich des Videokonsums an erster Stelle, weit vor Fernsehen und anderen Medien. YouTube könne informativ sein oder irreführend, inspirierend oder manipulativ. „Die Herausforderung liegt darin, dass jeder seine eigene Welt auf YouTube hat“, sagt er. Durch Algorithmen bekomme jeder genau das, was vorher schon gesucht oder geschaut wurde. So entstehe eine Filterblase, die kritisch hinterfragt werden müsse.
Die größte Gefahr sieht Halfmann in der Emotionalität der Bilder: „Bilder umgehen oft unser Nachdenken. Sie wirken direkt auf unsere Gefühle und verankern sich tief.“ Deshalb sei medienpädagogisches Training so wichtig – zum Beispiel, um Fake News von seriösen Nachrichten zu unterscheiden oder die eigene Informationssuche bewusster zu gestalten.
Religiöse Orientierung wirkt – auch online
Eine Studie der Universitäten Erlangen und Wien hat untersucht, wie sich christliche Orientierung auf die Mediennutzung auswirkt. Dabei wurden katholische und evangelische Jugendliche befragt. Auch wenn die Teilnehmerzahl begrenzt war, zeigt die Studie nach Halfmanns Einschätzung wertvolle Tendenzen:
„Christliche Jugendliche nutzen digitale Medien durchaus, um sich über ihren Glauben zu informieren oder sich auszutauschen, Impulse für ihren Glauben und ihr Glaubensleben zu finden, um sich auch über ihren Glauben mitzuteilen“, so Halfmann.
Besonders spannend: Die Wertorientierung der jungen Christen zeigt sich auch im Internet und in Sozialen Medien. Während sie sich kritisch gegenüber schädigendem Verhalten äußern – etwa Mobbing oder Bloßstellung – sehen sie missionarische Aktivitäten im Internet weniger problematisch.
Die Studie bestätige, dass Glaube und Ethik in der Mediennutzung zum Ausdruck kommen: „Religiöse Orientierung stärkt die Handlungsbereitschaft, die Reflexion und die ethische Haltung junger Menschen“, fasst Halfmann zusammen. Das christliche Menschenbild und die Frage „Was macht das mit dem anderen?“ begleite viele beim Posten, Teilen und Kommentieren.
Für die Bildungsarbeit bedeutet das: Medienkompetenz darf nicht rein technisch gedacht werden. Es geht auch darum, wertebewusst zu handeln – etwa bei Gebeten im Livestream, der Nutzung von KI-Tools oder dem Schutz der Privatsphäre.
Beziehungen wertschätzend und glaubwürdig gestalten
Was früher im Jugendkreis besprochen wurde, finde heute mitunter in Shorts, Streams und Kommentaren statt. Sollten Christen also aktiv als Influencer auf YouTube, Instagram und Co. auftreten? Halfmann ist überzeugt: „Da spricht nichts dagegen, solange es transparent geschieht.“ Tatsächlich würden christliche Influencer bereits ausgebildet und gefördert. Entscheidend sei, nicht nur auf die großen Accounts zu setzen. Denn: „Jeder Christ ist Influencer im eigenen digitalen Umfeld.“
Die stärkste Wirkung gehe oft nicht von Reichweite aus, sondern von Authentizität in bestehenden Beziehungen – ob im Chat, Kommentar oder geteilten Video. „Wenn wir digitale Beziehungen wertschätzend und glaubwürdig gestalten, dann spiegelt sich unser Glaube darin wider.“
Es gelte, YouTube und die sozialen Medien nicht zu verteufeln, sondern geschickt und effektvoll einzusetzen, sagt Halfmann. Die Corona-Pandemie hat nach seiner Einschätzung gezeigt, dass die Kirchen „digital können“. Doch noch zu oft bleibe es beim Einweg-Stream. Halfmann sieht die Zukunft im echten Austausch – anonym oder persönlich. „Ob in Kommentaren oder durch neue Beratungsformate – wir brauchen mehr Dialog.“