Schweiz: Freikirche darf nicht im Genfer See taufen

Eine Freikirche wollte im Genfer See taufen – doch die Behörden erlaubten dies nicht. Nun will sich die Gemeinde ihr Recht einklagen. Im Mittelpunkt steht ein bestimmtes Dokument.
Von Norbert Schäfer

Eine evangelische Freikirche im Schweizer Kanton Genf will auf dem Gerichtsweg eine öffentliche Taufveranstaltung am Genfer See durchsetzen. Dazu hat die Kirche nach Angaben ihres Anwalts am 6. Februar 2023 eine Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Dem jetzt angestrengten Verfahren war ein Urteil des Justizgerichtshofs der Republik und des Kantons Genf vorausgegangen, der einen Verwaltungsbescheid des Departements für Bevölkerungssicherheit und Gesundheit bestätigt hatte, der die Veranstaltung am See nicht genehmigte.

Nach Angaben der Schweizerischen Evangelischen Allianz bat die die evangelische Freikirche von Cologny im Mai 2022 um die Erlaubnis, am öffentlichen Strand von La Savonnière in Collonge-Bellerive im Kanton Genf, an einem Sonntagmorgen eine Taufveranstaltung durchführen zu können. Das zuständige Departement für Bevölkerungssicherheit und Gesundheit verweigerte am 27. Juni 2022 die Durchführung der Veranstaltung.

Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes?

Die Behörde begründete dies mit der Weigerung der Kirche, eine Verpflichtungserklärung zum Gesetz über die Laizität des Staates zu unterzeichnen. Die Kirche klagte vor dem Justizgerichtshof der Republik und des Kantons Genf gegen den Bescheid. Der Justizgerichtshof bestätigte am 20. Dezember 2022 das vom Departement verhängte Verbot.

Die evangelische Freikirche von Cologny hat den Fall nun vor das Bundesgericht gebracht, weil sie in dem Bescheid der Behörde eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, des Diskriminierungsverbots und eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung der Religions- und Versammlungsfreiheit sieht.

In der Schweiz hängen die Beziehungen zwischen Kirche und Staat von den einzelnen Kantonen ab. Der Kanton Genf ist nach Angaben vom Anwalt der Kirche, Olivier Bigler-de Mooij, traditionell durch die protestantische Reformation geprägt und hat den Grundsatz der Laizität in seiner Verfassung verankert.

Dieser Grundsatz werde jedoch nicht auf die gleiche Weise verstanden wie in Frankreich. Während in Frankreich strikt zwischen Kirche und Staat unterschieden werde, unterhalte der Staat im Kanton Genf „Beziehungen zu bestimmten Religionsgemeinschaften“.

Kirche hat Erklärung zur Laizität nicht unterschrieben

Nach dem Gesetz über die Laizität des Staates (Loi sur la laïcité de l’État, LLE) kann der Staat nach Angaben des Anwalts unter anderem Steuern für bestimmte Religionsgemeinschaften erheben, den kostenlosen Zugang zu Seelsorgern in Krankenhäusern oder Gefängnissen ermöglichen und dafür sorgen, dass die Kirchen für kulturelle Aktivitäten genutzt werden.

Um die Dienste des Staates in Anspruch nehmen zu können, müssten die betreffenden Gemeinschaften allerdings vom Staat anerkannt sein. Um anerkannt zu werden, müsse der Vorrang des Schweizer Rechts vor allen anderslautenden religiösen Verpflichtungen in einer Erklärung anerkannt werden. Das hat die Kirche bislang offenbar nicht getan. Derzeit sei noch nicht entschieden, ob die Kirche die Erklärung unterzeichnen möchte. Einige seien mit der Erklärung einverstanden, andere nicht.

Im aktuellen Verfahren gehe es um die Nutzung des öffentlichen Raums, erklärte Bigler-de Mooij. Das Departement möchte demnach den Zugang zum öffentlichen Raum nur anerkannten religiösen Organisationen vorbehalten. Damit hat die Kirche aber ein Problem, weil es kein Recht auf Anerkennung gibt. „Selbst wenn die Kirche die Erklärung unterzeichnet, gibt es keine Garantie, dass die Kirche anerkannt wird“, erklärte Bigler-de Mooij. Es sei nicht möglich, die Entscheidung der zuständigen Abteilung vor einem unabhängigen Gericht anzufechten.

Das Departement wollte sich auf Nachfrage unter Hinweis auf das laufende Gerichtsverfahren bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils nicht zu dem Vorgang äußern. Der Anwalt der Kirche rechnet mit einem Urteil in acht bis zehn Monaten.

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2 Antworten

  1. Liebe „Schweizer Freikirche“, ihr wollt euch auf juristischem Weg, das Recht zur Taufe im Genfer See, erstreiten. Bitte tut das nicht! „Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir in Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?“ (Röm. 6,3).
    Liebe Freikirchler, bedenkt doch, dass Tote – keine Rechte – mehr haben! Wenn ihr wirklich bereit seid, allem Eigenwillen, alles Selbstische, in den Tod zu bringen, dann fangt doch gleich damit an. Richard Wurmbrand hat dazu eine sehr interessante Predigt gehalten. Tote kann man nicht beleidigen, sie haben keine Rechte …! Jesus will unsere Gerechtigkeit sein, Er sorgt in Allem für uns.
    Lieber Gruß, Martin Dobat

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  2. Der Umgang mit solchem (im Wortsinn) bewusst diskriminierenden Verhalten wird auch für Deutschland relevanter. Im vorliegenden Fall wurde ja kein konkretes Problem (Störung Dritter, Verschmutzung, konkurrierende Nutzungen, …) angeführt.

    Die Frage ist, ob man gesellschaftlichen Gruppen selektiv die Sondernutzung des öffentlichen Raums untersagen kann, wenn/weil sie christlich/religiös sind oder weil sie weltanschauliche Auflagen nicht erfüllen. Also zum Beispiel: Großfamilien oder ein Kaninchenzüchterverein dürfen sich dort zum Baden treffen, eine Gemeinde zum Taufen jedoch nicht? Ein Picknick am Ufer ist erlaubt, dabei zu einer Taufe in den See zu steigen jedoch nicht?

    Wenn es bei der Taufe nicht zu einer Beeinträchtigung Dritter oder einer „Glaubenskundgebung“ kommt, sollte es der Kanton schwer haben, mit seiner Auffassung durchzukommen, denn bei Sondernutzungen kommt es primär auf das Geschehen an (hier: ein Mensch taucht einen anderen unter und spricht etwas dazu), nicht auf eine weltanschauliche Wertung desselben. Die Laizität der Kantonsverwaltung wird auch nicht davon beeinträchtigt, dass gesellschaftliche Gruppen im Kanton nicht laizistisch sind, auch wenn sie der religiösen Betätigung nicht nur hinter verschlossenen Türen und in Katakomben nachgehen. Der See gehört nicht der Kantonsverwaltung, auch wenn sie stellvertretend für die Allgemeinheit Verfügungsrechte wahrnimmt.

    Insofern geht es hier schon um Grundsatzfragen und einen Präzedenzfall. Vielleicht weiß ja der in Genf sitzende Menschenrechtsrat eine Antwort.

    Immerhin gut, dass Johannes dem Täufer die Nutzung des Jordans von den Römern nicht untersagt wurde.

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