„7 Tage“ in einer Abtreibungsklinik: Scham, Blut und Routine

Es geht mitunter eklig zu in dieser Dokumentation. „Es ist wichtig, dass du einen Film über dieses Thema machst, aber ich möchte lieber nichts sagen“, sagten ihr Frauen vorab, berichtet die Journalistin Luisa Szabo. Für ihre SWR-Dokumentation hat sie eine Abtreibungsklinik besucht. Sie stieß auf viel Routine und wenig Skrupel.
Von Jörn Schumacher
Für die SWR-Dokumentation „7 Tage... In der Abtreibungsklinik“ besuchte eine Journalistin eine Abtreibungsklinik im Süden Deutschlands

Luisa Szabo besuchte eine Abtreibungsklinik „im Süden Deutschlands“, um für ihre Dokumentation in der Reihe „7 Tage“ Fragen zu beantworten wie: Wie läuft eine Abtreibung ab? Welche Gründe haben Frauen, die abtreiben? Und warum entscheidet sich ein Arzt für so einen Beruf? Wie erleben Frauen diese Situation? Szabo sprach mit den betroffenen Frauen und mit dem Arzt.

Friedrich Stapf führt seit 40 Jahren Abtreibungen durch. Für ihn es ein Job, reine Routine. Im Hawaii-Hemd sucht er medizinisch das Beste für die Frauen, die bei ihm auf dem Stuhl liegen, sowie eine möglichst leichte Atmosphäre beim Eingriff.

„Das ist die ganze Schwangerschaft“

Stapf führt rund 3.000 Schwangerschaftsabbrüche im Jahr durch. Das sind manchmal 14 pro Tag. Ein Blick in die Schale nach dem Eingriff, und Stapf sagt zu seiner Patientin: „Das ist die Fruchtblase, und diese Flusen ist der Mutterkuchen. Mehr war nicht.“ Einen Embryo sieht man nicht. „Das ist die ganze Schwangerschaft“, sagt Stapf. Die Moderatorin Szabo kommt mit der Patientin überein: „Ich glaube, er wollte dir das zeigen, um dir zu zeigen, dass es nicht so schlimm ist.“

Paragraf 218 definiert in Deutschland einen Schwangerschaftsabbruch als Straftat. „Die Krankenkasse zahlt, wenn eine Frau vergewaltigt wurde, ihre Gesundheit in Gefahr ist oder wenn sie weniger als 1.300 Euro im Monat zum Leben hat“, klärt Szabo auf. Erst ab der zwölften Woche sehe man Strukturen des kleinen Körpers. Und auch das bekommt die Reporterin zu Gesicht. „Mit medizinischer Indikation können Frauen bis zur 17. Schwangerschaftswoche abtreiben“, heißt es im Bericht. Allerdings ist laut Strafgesetzbuch § 218a ein Schwangerschaftsabbruch auch später straffrei, wenn die Gesundheit der Mutter in Gefahr ist oder wenn die Schwangerschaft auf einem Sexualdelikt beruht. Betroffenheit findet die Journalistin in dieser Klinik kaum, weder bei den Patientinnen, noch beim Arzt oder seinem Personal. Für die Angestellten ist es Routine. „Mich nimmt es schon ein bisschen mit“, sagt sie selbst. „Die Abtreibung findet unter Vollnarkose statt. Der Eingriff selbst dauert nur wenige Minuten“, lernt der Zuschauer.

Szabos Dokumentation ist Teil der SWR-Reihe „7 Tage“. Der Bericht ist seit einer Woche im Dokumentationskanal des Senders auf YouTube zu sehen. Ein Sendetermin im SWR Fernsehen steht noch nicht fest.

Jede fünfte Frau hat laut Statistik in ihrem Leben einmal abgetrieben, heißt es in der Sendungsinformation. Doch zwischen 2003 und 2018 ist die Zahl der Arztpraxen und Kliniken in ganz Deutschland um 40 Prozent zurückgegangen. „Nur wenige Ärzte wollen mit diesem Thema in Verbindung gebracht werden.“ Wo die Klinik, die sie besucht hat, steht, will Szabo nicht sagen. „Stapf befürchtet, das könnten Abtreibungsgegner als Werbung für Abtreibungen auslegen.“ Im selben Moment zeigt der Beitrag allerdings den Schriftzug mit dem Namen der Klinik am Gebäude, so dass es zumindest nicht schwer sein dürfte, die Klinik zu finden. „Man kann ja googeln“, sagt die Journalistin selbst.

„Wann beginnt menschliches Leben vor der Geburt?“

Szabo spricht mit den Frauen, alle wollen anonym bleiben. Da ist Sabrina, die psychische Probleme hat und weiß: „Das Kind hätte kein Leben gehabt mit mir, ganz ehrlich.“ Sie möchte erst dann ein Kind, wenn sie ihr eigenes Leben im Griff hat und dem Kind etwas bieten kann, sagt sie.

Kritiker oder Gegner von Abtreibungen kommen nicht zu Wort. Religiöse Fragen spricht Szabo nicht an. Sie sinniert allenfalls: „Von 100 Frauen entscheiden sich kurz vor Abbruch noch 15 für das Kind“ und: „Über allem steht die Frage: Wann beginnt menschliches Leben vor der Geburt?“ Eine Antwort darauf sucht der Beitrag nicht. Und die Frage wird auch nicht dem Arzt Friedrich Stapf gestellt. Hier werden zwei Leben miteinander abgewogen: Das potentielle Leben eines Embryos mit dem der Frau.

Stapf macht diesen Job jetzt seit 40 Jahren. Er ist jetzt 74 Jahre alt. „Warum machen Sie den Job immer noch?“, fragt die Journalistin. Stapf sagt: „Weil ich diese Arbeit gern mache und dazu beitragen möchte, dass es den Frauen so gut wie möglich geht, egal, ob sie den Abbruch machen oder nach Hause gehen und das Kind kriegen.“ Die Doku zeigt zwei Sichtweisen auf ein und dieselbe Sache, wie es in der Sendungsinformation heißt: „Für selbsternannte ‚Lebensschützer‘ ist Stapf ein Mörder. Frauen, die sich für eine Abtreibung entschieden haben, finden bei ihm Hilfe.“

Von: Jörn Schumacher

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen