Sich zurückgewiesen und gekränkt zu fühlen, kann einer von mehreren Faktoren sein, die zu einer Radikalisierung von Muslimen führen. Das haben Forscher der Uni Münster herausgefunden. Begünstigt würden Radikalisierungen auch durch wenig Kontakte zu Nicht-Muslimen und durch religiösen Fundamentalismus.
Das Ergebnis bedeute nicht, dass man jedem Fünften der 1.887 Befragten pauschal eine mögliche Radikalisierung unterstellen könne. Nicht jeder Radikale verspüre ein Ressentiment und nicht jeder Mensch mit einem Ressentiment gleite in die Radikalisierung ab oder werde zum Extremist. Die Ergebnisse zeigten aber „eine gefährliche Nähe zu religiös motivierten Ansprachen von Islamisten, die gezielt Menschen mit Ressentiments ansprechen, um sie gegen die deutsche Gesellschaft zu mobilisieren“.
Der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie (ZIT), Mouhanad Khorchide, fordert deswegen, gezielt Maßnahmen zu fördern, „die Muslime in ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft bestärken und positiv sowie identitätsstiftend wirken“. Es benötige Räume, in denen Muslime Anerkennung und Teilhabe erfahren. Dazu könne auch die Stärkung des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen beitragen.
Konstruktive Erzählungen über gutes Zusammenleben sind hilfreich
Zudem sollten in sozialen Medien Projekte gefördert werden, die konstruktive Beispiele für das Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen in einer pluralen Gesellschaft lieferten. Die Moschee-Gemeinden sollten „positive Erfahrungen von Musliminnen und Muslimen sichtbar machen und Chancen betonen, die das Leben in Deutschland bietet“, um langfristig eine positive Grundhaltung zu erzeugen.
Existierten schon Ressentiments, könne ein positives Selbstbild oft nur durch Abwertung derjenigen aufgebaut werden, von denen man sich herabgesetzt fühlt. Wenn sich solche Gefühle verfestigten, „führen sie zu einer Haltung der fortgesetzten Selbstbehauptung und Empörung“, heißt es in der Mitteilung der Universität. Muslime reagierten wenig gelassen bei pauschalen und abwertenden Urteilen gegenüber dem Islam.
Dem Projektteam der Universität gehört neben Khorchide auch der renommierte Religionssoziologe Detlef Pollack an. Die Studie basiert auf quantitativen Studien und qualitativen Interviews. Die Befragungen wurden von Juli 2023 bis April 2024 durchgeführt. Dabei ging es um politische Einstellungen, Wertvorstellungen und die eigene Haltung im Blick auf Kritik am Islam. In den qualitativen Studien untersuchte das Forschungsteam, wie Ressentiments entstehen und welche ihre prägenden Merkmale sind.
Die vollständige Studie erscheint voraussichtlich im August. Sie soll nicht nur die wissenschaftliche Diskussion voranbringen, sondern auch die Prävention vor Radikalisierung stärken. Gefördert wurde die Studie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.