10 Gebote – Ethik in digitaler Welt

Die Medienwissenschaftlerin Petra Grimm wirbt mit einem Katalog ethischer Grundsätze darum, die Würde des Einzelnen, seine Privatheit, Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit auch in der virtuellen Welt zu achten und wertzuschätzen. Eine Gefahr sieht sie in der zunehmenden Digitalisierung.
Von Norbert Schäfer
Petra Grimm leitet an der Hochschule der Medien in Stuttgart das Institut für Digitale Ethik

Für einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Datenflut und den Schutz der Privatsphäre in einer vernetzten Wirklichkeit hat die Medienwissenschaftlerin Petra Grimm geworben. Bei einer Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Ethik als Leitplanke im Prozess der Digitalisierung“ im mittelhessischen Haiger hat die Leiterin des Instituts für Digitale Ethik an der Hochschule der Medien in Stuttgart vor Auswirkungen der zunehmenden Digitalisierung gewarnt.

Die Mediennutzung führe zu ethischen Konflikten und betreffe vor allem Jugendliche. Für die Nutzung digitaler Medien und moralisches Handeln darin, hat Grimm deshalb zusammen mit Masterstudierenden der Hochschule der Medien in Stuttgart „10 Gebote der Digitalen Ethik“ formuliert, die als Navigationsinstrument dienen und Jugendlichen einen Impuls geben, über Handlungsnormen und Wertekonflikte ins Gespräch zu kommen. Darin gibt es Hinweise für Jugendliche, wie diese sich im Internet selber entfalten und darstellen können, soziale Anerkennung bekommen und sich unterhalten lassen können, ohne dabei den Selbstschutz aufzugeben.

Unter anderem sollen Jugendliche für Privatheit und den Schutz der Intimsphäre sensibilisiert werden. Oberstes Gebot ist der Schutz von Privatheit und Anonymität, etwa um zu verhindern, dass ein potenzieller Arbeitgeber Rückschlüsse aus Facebook-Einträgen eines Bewerbers auf die Arbeitsleistung ziehen kann.

Privatheit habe die Funktion der persönlichen Autonomie. Als ethische Norm solle gelten: „Selbstbestimmt darüber entscheiden können, wer was wann und in welchem Zusammenhang über einen weiß“, sagte Grimm und warnte davor, Algorithmen als „allwissend“ anzusehen und Maschinen letzte Fragen der Ethik zu übertragen. „Wir sollten uns einmal überlegen, ob Digitalisierung und Big Data nicht auch für das Gemeinwohl einsetzbar sind“, erklärte Grimm. Die Medienwissenschaftlerin sieht darin vor allem eine Aufgabe der Kirchen.

Grenzen verschwimmen

„Die Grenze zwischen Online und Offline-Raum wird sich zunehmend auflösen“, sagte die Wissenschaftlerin. Der soziale Lebensraum der Kinder sei zunehmend das „On-Life“, in dem sie auf der Grundlage verinnerlichter Werte zwischen verschiedenen Handlungen auswählen müssten. Werte steuerten Menschen in dem was sie tun. „Werte dienen auch der Rechtfertigung und steuern die Wahrnehmung. Eine Welt ohne Werte ist nicht vorstellbar“, konstatierte Grimm. Technik und digitale Medien sind nach Auffassung der Wissenschaftlerin jedoch nicht wertneutral. Allein die ständige Verfügbarkeit des Smartphones stelle einen Wert an sich dar. „Mein Handy ist wie ein Teil meines Körpers“, zitierte die Wissenschaftlerin ein junges Mädchen aus einer wissenschaftlichen Untersuchung.

Appell an Eigenverantwortlichkeit

Grimm appellierte bei der Veranstaltung der regionalen Initiative für die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, media Lahn-Dill, an die rund 100 Zuhörer, den Schutz ihrer Privatsphäre zu fordern und Angebote zu nutzen, die private Daten schützen. Sie empfahl den Gebrauch alternativer Suchmaschinen und Email-Dienste und verschlüsselter Emails. Datenschutz sieht die Wissenschaftlerin im Zeitalter kommerzieller Datensammlung nicht als Verhinderer, sondern als Chance, die vor Manipulation, Diskriminierung und sozialer Kontrolle schützt. Die Technik sei „eindeutig der Schrittmacher“, der Strukturen auflöse und neue entstehen lassen und bringe Umbrüche in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen mit sich. Die Zukunft werde zunehmend von automatisierten Systemen geprägt, im „Internet der Dinge“ mit der Umwelt vernetzt. (nob)

Von: nob

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