Islamkritik: Panikmache oder Aufklärung?

Seit Samstag ist "Die Panikmacher" auf dem Markt, eine Streitschrift des Feuilletonchefs der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) gegen Islamophobie. Patrick Bahners straft Islamkritiker wie Thilo Sarrazin, Necla Kelek oder Heryk M. Broder ab. Die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) nennt das ein "Meisterwerk", "Spiegel"-Redakteur Matthias Matussek hingegen findet es einfach nur "makaber", und die Angegriffenen wehren sich.

Von PRO

"Ein Meisterwerk der Aufklärung" sei das, was Patrick Bahners von der FAZ niedergeschrieben habe, lautet das Fazit der SZ zu seinem Buch "Die Panikmacher". Darin mahnt der Journalist eine ausufernde Islamophobie an. Etwa durch das Vorurteil, der Islam erlaube das Lügen sei systematisch ein falsches Bild über diese Religion propagiert worden, findet Bahners und kritisiert all jene, die sich seit Jahren dafür einsetzen, dass der Islam weniger Einfluss auf Politik und Gesellschaft hat: Angefangen bei den Publizisten Henryk M. Broder und Necla Kelek bis hin zur Frauenrechtlerin Ayaan Hirsi Ali. Das Buch ist schon jetzt für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch/Essayistik nominiert.

In der aktuellen Ausgabe des "Spiegel" streitet der Autor mit Necla Kelek. Sie gehöre zu jenen, die in der Öffentlichkeit eine Angst produziere, dass es sich bei jedem Moselm, der nach dem Koran lebe, um einen potentiellen Terroristen handele. "Eine islamische Demokratie muss kein Ding der Unmöglichkeit sein", sagt er im Bezug auf die Revolution in Ägypten, und: "Auch in der Bibel steht der Satz, der Mensch müsse mehr Gott gehorchen als den Menschen, und es gibt Christen, die diesen Satz nicht für obsolet halten."

Bahners: Kelek zeichnet Phantombild

"Die Religionen sind nicht gleich. Es gibt Religionen, die sich modernisiert haben und in der säkularen Welt angekommen sind", kontert Kelek. In islamischen Ländern gebe es aber keine Religionsfreiheit. "Wenn ich die Situation der Frauen in Ägypten in Betracht ziehe, dann macht es mir Angst, dass sie die Unterdrückung unter Mubarak hinter sich und womöglich eine Unterdrückung durch den Scharia-Islam vor sich haben", erklärt sie.

Für Bahners hingegen zeichnet Kelek ein "Phantombild" des Islam, zu welchem "barbarische Sitten" wie "Zwangsheiraten und Ehrenmorde" gehörten. "An die Stelle der Empirie treten bei Ihnen Verschwörungstheorien, wonach ein Kartell der Gutmenschen dafür sorgt, dass über die Probleme nicht geredet werden darf", sagt Bahners und verweist auf Keleks These, die Streitigkeiten über die Teilnahme muslimischer Mädchen am Schwimmunterricht nähmen zu. "Das sind hochpauschale Beschreibungen, denn die scheinbare Empirie in Ihren Büchern, Frau Kelek, besteht aus Anekdoten, die dann mit einer radikalen Religionskritik aufgeblasen werden." Kelek hingegen beharrt darauf, dass in zahlreichen Schulen derweil gar kein Schwimmunterricht mehr angeboten werde, weil er sich als zu problematisch erwiesen habe. "Wie können Sie ignorieren, dass muslimische Mädchen nicht am Schwimmunterricht teilnehmen dürfen, dass sie keine deutschen Freundinnen haben dürfen, dass ihre Brüder sie bewachen müssen, anstatt in der Schule für ihre Zukunft in Deutschland lernen zu dürfen?", fragt Kelek.

"Haben Sie wirklich nichts von London, Madrid, Bali, Djerba gehört?"

In der "Welt am Sonntag" verteidigte sich auch Henryk M. Broder gegen die Vorwürfe, er sei ein "Panikmacher". Er schreibt über Bahners: "Ich war öfter versucht, zum Telefon zu greifen, den Kollegen anzurufen und zu fragen: ‚Haben Sie wirklich nichts von London, Madrid, Bali, Djerba gehört? Waren Sie gerade beim Kritikerempfang, als Daniel Pearl vor laufender Kamera geköpft wurde? Wurde Theo van Gogh von einem herabfallenden Dachziegel erschlagen? Hat ein frustrierter Konkurrent versucht, Kurt Westergaard zu ermorden? War es ein katholischer Kardinal, der die Fatwa gegen Salman Rushdie unterschrieben hat? Und glauben Sie wirklich, das alles hat nichts mit dem Islam zu tun?’"

Die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" veröffentlichte am Samstag eine Erwiderung Thilo Sarrazins auf Bahners Buch. Er schreibt: "Im Kampf gegen die Islamkritiker im Allgemeinen und die genannten Personen im Besonderen geraten Bahners die Probleme, welche die Islamkritik anspricht, weitgehend aus den Augen. Es geht ihm nicht um Frauenrechte, nicht um Transferbezug, nicht um Mängel in der Bildungsbeteiligung, nicht um das Heiratsverhalten, nicht um Erscheinungen der Gewalt, nicht um Parallelgesellschaften. Patrick Bahners geht es nur um ein Thema: nämlich darum, dass es aus seiner Sicht falsch und moralisch verwerflich ist, Muslime zur Assimilation an die europäische Kultur anzuhalten. Wenn der türkische Präsident Erdogan je einen Ghostwriter brauchte, Patrick Bahners wäre die ideale Besetzung." Sarrazin resümiert: "Hier hat sich ein Autor – und wohl auch ein Mensch – wirklich verrannt."

Islamkritiker werden zu Gotteskriegern


Auch der "Spiegel"-Redakteur und gläubige Christ Matthias Matussek hat Einwände gegen die neue Kritik an den Islam-Kritikern. In einem Beitrag für "Spiegel Online" am Samstag schreibt er: "Unsere Feuilleton-‚Aufklärer‘ nehmen an ihren Gegnern einen Zeichenwechsel vor, der magischer nicht sein könnte. Sie machen aus demokratischen Kritikern am Islam Gotteskrieger." Die Panikmacher seien bei Bahners eben nicht "die Verursacher von Panik, also Islamisten, die sich mit Sprengstoffladungen in New York, London oder Moskau inmitten von Menschenmengen in die Luft jagen, sondern diejenigen, die vor ihnen und der heiligen Mörderideologie, die sie beseelt, warnen".

Eine von diesen Panikmachern sei Ayaan Hirsi Ali, "eine zarte und mutige Frau, der im Namen Allahs im Alter von fünf die Klitoris abgeschnitten und später im Koranunterricht wegen Unbotmäßigkeit der Schädel zerschlagen wurde", wie Matussek schreibt. Hirsi Ali werde von Bahners mit dem Satz zitiert, dass der Islam nicht diskutiere, sondern bei abweichender Meinung doch eher töte. Matussek: "Tötet, wie Mohammed Bouyeri, der Mörder des niederländischen Filmemachers Theo van Gogh. Töten möchte wie das Scharia-Gericht im afghanischen Masar-i-Scharif den Journalisten Sajid Perwis Kambachsch wegen Gotteslästerung – das Urteil wurde schließlich in 20 Jahre Haft umgewandelt." Weiter schreibt der Journalist: "Sagen wir es so: Hirsi Alis Einwände gegen einen radikalen, Einspruch nicht duldenden Islam sind nicht ganz so sehr aus der Luft gegriffen, ebensowenig wie viele der Argumente Broders oder Keleks, die vielleicht auch Bahners oder Steinfeld (Feuilleton-Chef der SZ, Anm. d. Red.) einfallen könnten, wenn sie wieder mal zwei Stunden vor Abflug wegen islamistischer Terrorgefahr ihre Zahnpastatuben in Klarsichthüllen durch den Sicherheitscheck tragen müssen, auf Socken, denn die Schuhe liegen auf dem Band."

"Geradezu makaber"

Matussek erinnert an Aussagen des türkische Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan: "Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten." Im Hinblick auf all diese Tatsachen sei es "geradezu makaber, wie Bahners aus dem gepolsterten Sessel eines Feuilletonisten heraus einer Frau wie Hirsi Ali mit ihrer Leidensgeschichte die leidenschaftliche Absage an jene Religion" vorwerfe. (pro)

http://www.faz.net/s/Rub1DA1FB848C1E44858CB87A0FE6AD1B68/Doc~E84DCAB5ADB6D43FDB88B6FEE9E4333B1~ATpl~Ecommon~Scontent.html
http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,746473,00.html
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