„Freiheit“ schrieb Sophie Scholl auf die Rückseite ihrer Anklageschrift. Das Wort Freiheit stand auch auf den Flugblättern, die sie mit ihrem Bruder Hans Scholl und anderen Mitstreitern der Widerstandsbewegung „Weiße Rose“ gegen die Schreckensherrschaft von Adolf Hitler verteilt hatte. Die beiden Studenten werden dafür zum Tode verurteilt und am 22. Februar 1943 von den Nationalsozialisten ermordet. Das ist nun 75 Jahre her.
Tod durch die Guillotine: So hatte der Präsident des Volksgerichtshofes, Roland Freisler, nur wenige Stunden vor der Hinrichtung der Geschwister Scholl geurteilt. Zuerst musste Sophie ihren Kopf unter das Fallbeil im Gefängnis München-Stadelheim legen, dann ihr älterer Bruder. Seine Überzeugung wird zu seinen letzten Worten: „Es lebe die Freiheit!“, ruft Hans Scholl kurz vor der Hinrichtung. Ein Satz, der in die Geschichte eingeht.
Nur vier Tage zuvor – an einem Donnerstagmorgen – wird das Schicksal der beiden Widerstandskämpfer besiegelt. Am 18. Februar 1943 betreten Hans und Sophie Scholl mit einem Koffer voller Flugblätter die Münchner Universität, an der er Medizin und sie Biologie und Psychologie studiert. Es ist das sechste Flugblatt der „Weißen Rose“: „Im Namen des ganzen deutschen Volkes fordern wir vom Staat Adolf Hitlers die persönliche Freiheit, das kostbarste Gut der Deutschen, zurück“, heißt es darin.
Hausmeister Jakob Schmid beobachtet, wie die Geschwister die Flugblätter von der Balustrade des Lichthofes im Foyer der Universität fallen lassen und liefert sie der Gestapo aus. Noch am selben Tag werden Sophie und Hans Scholl verhaftet – damals sind die beiden erst 21 und 24 Jahre alt. Der Stein kommt ins Rollen.
Zwei Tage später wird auch Mitstreiter Christoph Probst (23) in Haft genommen, weil die Gestapo einen Flugblatt-Entwurf von ihm bei Hans Scholl findet. Der Vater von drei Kindern stirbt am gleichen Tag wie die Geschwister. Später im Jahr töten die Nazis auch die „Weiße Rose“-Mitglieder Alexander Schmorell, Willi Graf und Professor Kurt Huber. Letzter war der Verfasser des schicksalhaften sechsten Flugblatts.
Grundlage für das Todesurteil der Geschwister unter anderem wegen „Wehrkraftzersetzung“ sind Gestapo-Vernehmungsprotokolle. Die Kommissare Anton Mahler und Robert Mohr verhören die beiden tagelang getrennt voneinander. Erst als Sophie vom Geständnis ihres Bruders erfährt, ist sie bereit, selbst eines abzulegen. „Ich bereue meine Handlungsweise nicht und will die Folgen auf mich nehmen“, sagt sie.
Mut aus christlicher Überzeugung heraus
Sich für eine gerechte Sache einzusetzen, hätten die Geschwister Scholl aus ihrem liberal-protestantische Elternhaus mitbekommen, sagt Theologe Robert Zoske, der sich in seiner gerade erschienenen Biografie „Flamme sein!“ Hans Scholl und der „Weißen Rose“ widmet. Der Vater Robert habe im Ersten Weltkrieg etwa nicht an der Waffe gedient, sondern als Sanitäter gearbeitet. Die Mutter Magdalene sei eine evangelische Krankenschwester gewesen, die Opferbereitschaft gelobt hatte.
Aufzeichnungen zeigen, dass Sophie und Hans Scholl ihre Kraft und ihren Mut aus einem unerschütterlichen Glauben zogen. So schrieb Hans: „Es muss ein sichtbares Zeichen des Widerstandes von Christen gesetzt werden. Sollten wir am Ende dieses Krieges mit leeren Händen vor der Frage stehen: Was habt ihr getan?“
In einem der Flugblätter der „Weißen Rose“ heißt es: „Jedes Wort, das aus Hitlers Mund kommt, ist Lüge. Wenn er Frieden sagt, meint er den Krieg, und wenn er in frevelhafter Weise den Namen des Allmächtigen nennt, meint er die Macht des Bösen, den gefallenen Engel, den Satan. (…) Wer aber heute noch an der realen Existenz der dämonischen Mächte zweifelt, hat den metaphysischen Hintergrund dieses Krieges bei weitem nicht begriffen. (…) Gibt es Dich, der Du ein Christ bist (…)? Wir müssen das Böse dort angreifen, wo es am mächtigsten ist, und es ist am mächtigsten in der Macht Hitlers.“
Von: dpa / Jörn Schumacher