Studie zu Spaltung der Gesellschaft: Zwei verfestigte Lager

Ein Drittel der Bevölkerung gehört laut einer Studie einem von zwei Blöcken an, die sich mit verhärteten Positionen gegenüberstehen - bei Themen wie Zuwanderung oder Demokratie. Experten sehen die Spaltung mit Sorge. Es gehe um einen grundlegenden Identitätskonflikt.
Von dpa
Menschen auf „Querdenken"-Demonstrationen eint vor allem Misstrauen gegenüber der Regierung, den Medien oder dem Finanzsystem

In Deutschland haben sich einer Umfrage zufolge zwei verfestigte Lager mit extrem gegensätzlichen Haltungen gebildet, denen ein erheblicher Teil der Bevölkerung angehört. In den beiden Blöcken seien Einstellungen zu nationaler Zugehörigkeit, Demokratie und Vertrauen in die Politik komplett entgegengesetzt. Auch beim Gefühl einer Bedrohung durch Migranten und Muslime oder einer gefühlten eigenen Benachteiligung zeige sich eine starke Polarisierung. Zu dem Ergebnis kommt ein Forscherteam der Universität Münster, das eine Spaltung der Gesellschaft sieht.

Hinter vielen konträren Einzelthemen stehe ein zentraler, grundlegender Konflikt um die Identität, sagte Mitautor Mitja Back der Deutschen Presse-Agentur. Man sei überrascht gewesen, dass nach der Befragung von bundesweit gut 1.400 Personen sogar ein Drittel der Bevölkerung einem der beiden Lager zuzuordnen sei. „Wer gehört zu unserem Land, wer bedroht wen, wer ist benachteiligt? Es ist auch erstaunlich, wie weit die Positionen über ganz viele Konfliktthemen hinweg auseinanderliegen“, betont der Psychologe.

Die Wissenschaftler nennen die beiden Lager in der am Donnerstag veröffentlichten Studie „Verteidiger“ – zu ihnen zählen demnach 20 Prozent der Bevölkerung – und „Entdecker“ mit einem Anteil von 14 Prozent. Dazwischen liegen zwei Gruppen, die wegen „mittlerer Positionen“ zunächst nicht in den Fokus rücken. Was macht also die beiden polarisierten Lager aus?

„Verteidiger“ gegen „Entdecker“

„Verteidiger“ befürworten ein eher enges Konzept der ethnisch-religiösen Zugehörigkeit. Konkret meinen sie zu einem größeren Teil: Nur wer im Land geboren ist, deutsche Vorfahren hat, den größten Teil seines Lebens in Deutschland verbracht hat oder Christ ist, gehört dazu. Zugleich fühlt sich etwa die Hälfte von ihnen durch „Fremde“ – Muslime oder Geflüchtete – bedroht und selbst kulturell benachteiligt, heißt es in der Analyse. Lediglich ein geringer Teil „Verteidiger“ sei zufrieden mit der Demokratie, wenige vertrauten Regierung und Parlament.

„Verteidiger“ sind demnach im Vergleich zu den „Entdeckern“ häufiger heimatverbunden und zeigten vergleichsweise häufiger eine hohe Religiosität. In dieser Gruppe habe nach eigener Aussage jeder Vierte einen niedrigen sozialen Status, besser Gebildete seien weniger vertreten als in der „Entdecker“-Gruppe.

Unter den „Entdeckern“ machen die Forscher dagegen nur eine Minderheit aus, die ein enges Konzept von Zugehörigkeit nach ethnisch-religiösen Kriterien befürwortete. Durch Muslime und Geflüchtete fühle sich niemand in hohem Ausmaß bedroht. Zuwanderung und wachsende Vielfalt gelten als Chancen. „Entdecker“ zeigten sich überwiegend eher zufrieden mit der Demokratie, vertrauten der Politik fast ausnahmslos. Entdecker seien vergleichsweise gut gebildet und eher nicht von materieller Not betroffen.

Aggressive Haltung gegenüber Fremden

Die Bevölkerungsumfrage war auch in Frankreich, Schweden und Polen durchgeführt worden. Die Aussagen der Studie gelten den Autoren zufolge in vielen Bereichen ganz ähnlich auch für Frankreich und Schweden. Rund 5.000 Menschen hatte das Marktforschungsunternehmen Kantar Ende 2020 insgesamt befragt.

Die Untersuchung lässt sich auch als Mahnung sehen. So heißt es: „Die ‚Verteidiger‘ transformieren ihr Bedürfnis nach Sicherheit zunehmend in eine aggressive Grundhaltung gegenüber Fremdem“ und ebenso gegen die „Entdecker“-Gruppe. Diese wiederum dringe immer vehementer auf gesellschaftliche Veränderungen „nach ihren eigenen Vorstellungen von maximaler Offenheit und Diversität“. Die Studie sieht eine „zunehmend genervt-überhebliche Grundhaltung, welche die andere Seite nur umso mehr provoziert“.

Unter allen vier Gruppen sei in Deutschland nur unter „Verteidigern“ eine hohe Präferenz für die rechtspopulische AfD auszumachen, ergänzt Back. Man habe in diesem Lager auch eine Neigung zu Verschwörungsmythen und zum Konzept „starker Führer“ festgestellt. 

„Der Identitätskonflikt löst sich nicht von allein“, stellt Back klar. Globalisierungseffekte wie Migration, Finanzkrisen, Klimakrise oder die Pandemie verstärkten den Konflikt. Das könne sich noch verschärfen. Um die „verfahrene Situation“ zu lösen, solle Politik sich nicht auf eine Seite schlagen, sondern beide Forderungen auf ihren Kern „herunterbrechen“. Es brauche Kompromisse bei legitimen Bedürfnissen wie Stabilität und Sicherheit einerseits, Offenheit und Wandel andererseits.

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7 Antworten

  1. Das Interessante dabei ist ja, dass beide Seiten für ihre jeweilige Haltung viele Beispiele und Belege haben. Beispiele, die auch die Gegenseite kennt – und doch kommen sie zu völlig entgegengesetzten Ergebnissen.
    Argumente, Fakten und Dialog reichen hier anscheinend nicht (mehr) zur Konfliktlösung.
    Im Grunde kann man nur mit Johann Georg Hamann schließen:
    „Nicht das Sein, sondern das Bewußtsein ist die Quelle alles Elends.“

    Und natürlich kann ich auch die Verteidiger verstehen, die eher restriktiv handeln wollen, wenn sie ja sehen, dass die Freundlichkeit einer Willkommensgesellschaft auch auf die ausgedehnt wird, die diese Gesellschaft ausnutzen, schädigen und Menschen verletzen:

    „Es sind Nachrichten wie diese, die einfach nur Kopfschütteln hervorrufen müssen: Ein Gefährder durfte mit 14 Identitäten durch Deutschland reisen, mit Rauschgift handeln, hatte beste Kontakte zu Salafisten, brüstete sich mit Anschlagsplänen – und galt doch nicht als Gefährder, von dem tatsächlich eine Gefährdung ausging; ein Tunesier, der ihm geholfen haben soll, kassierte unter verschiedenen Identitäten so viel Sozialleistungen in einer Woche, wie andere im Monat mühsam verdienen müssen.

    Am schwersten davon wiegt die Nachricht über den Gefährder und Terroristen Anis Amri. Denn sie bedeutete den Tod von zwölf Menschen. Amri wurde monatelang beobachtet, auch kontrolliert, aber es „reichte“ angeblich nicht für eine Inhaftierung.“
    https://www.faz.net/aktuell/politik/anschlag-in-berlin/der-fall-anis-amri-fuer-dumm-verkauft-14606163.html

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  2. Der Artikel ist wohl von der dpa. Dort scheinen die politischen Preferenzen der Mitarbeiter ähnlich zu sein wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Warum sonst würde man wohl von der „rechtspopulistischen“ AfD sprechen aber nicht von „linkspopulistischen“ Linken und Grünen? Weil die eigene Seite natürlich nicht populistisch ist, sondern immer nur der Gegner. Die „Verteidiger“ werden hier eindeutig negativ dargestellt (niedriger sozialen Status, schlechter gebildet, aggressive Grundhaltung gegenüber Fremden, rechtspopulistisch, „starker Führer“) während die „Entdecker“ durchweg positive Zuschreibungen erfahren. Dabei könnte man dieser Gruppe sehr wohl auch eine gewisse aggresive Grundhaltung gegenüber Einheimischen bescheinigen. Das äußert sich dann in Slogans wie „Deutschland verrecke“, „Oma ist ne alte Umweltsau“ u.ä. oder abwertenden Begriffen wie „Kartoffel“, die zum Teil ganz ungeniert im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreitet werden.

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    1. Ich habe das mit dem „rechtspopulistische AfD“ komplett überlesen. So sehr habe ich mich schon an solcherlei Diffamierungen gewöhnt. Da sieht man auch wieder, was diese pro unkommentiert abdruckt.

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    2. „Warum sonst würde man wohl von der “rechtspopulistischen” AfD sprechen…“

      Stimmt. Rechtsextremistisch wäre der richtige Begriff für diesen „gärigen Haufen“.

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  3. @Maik bringt es doch schön auf den Punkt. Wir leben in einer Gesellschaft, in der vieles hypermoralisiert und mit aller Gewalt gepusht wird, aber immer zu Gunsten eines linkslastigen Gesellschaftsbildes. Liberale und konservative Ansätze werden von der Medienschaft abgekanzelt oder überhaupt nicht erwähnt. Dass es dann noch Marktforschungen gibt, die das angeblich wissenschaftlich unterfüttern ist doch dann kein Wunder.
    Wo ist denn die Frage, wer Kantar bezahlt für so eine Abwertung weiter gesellschaftlicher Kreise? Wir reden immer von Teilhabe usw. Warum wird ein schlechte Bildung dann als negativ dargestellt usw. Unglaublich.
    Die Antwort darauf kann nur sein, da die „Progessiven“ immer aggessiver zu Werke gehen, dass sich die mit „niedrigem sozialen Status und schlechter Bildung usw. “ nicht hinter dem Berg halten sondern noch lauter werden und bitte im Herbst wählen gehen. Es wird Zeit über eine sozial-liberal, wertkonservative Wende in Deutschland!!!

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    1. „Es wird Zeit über eine sozial-liberal, wertkonservative Wende in Deutschland!!!“

      Was soll denn dieses „wertkonservativ“ bedeuten? Ganz konkret bitte!!!

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  4. In dem Beitrag wird wieder richtig Stimmung gegen Konservative gemacht. Sie werden in Bezug zu der AfD gesetzt, als „sozial schwach“ und „ungebildet“. Wobei man heute „gebildet“ oft als „perfekt indoktriniert bezeichnen könnte. Wenn man Bildung mißt, kommt es eben nicht darauf an, ob jemand ein Hochschulstudium absolviert hat. Viele davon sind, gelinde gesagt, zu dumm einen Eimer Wasser umzutreten, haben es nur geschafft, sich binnen einer gewissen Zeit auf Steuerzahlerkosten mehr oder weniger nützliche Kenntnisse in einem mehr oder minder nützlichen Fachbereich anzueignen. Das führt dann dazu, daß ein BWLer als „gebildet“ gilt, ein Kfz-Mechatroniker eben nicht. Dann wird klar, daß eben der BWLer überbezahlt wird, aber der Kfz-Mechatroniker nicht. Ob „gebildet“ oder nicht, daß bestimmen die, die sich selbst als „gebildet“ bezeichnen. Da kann z.B. jemand mehrere Doktortitel, selbst in Naturwissenschaften haben, hat aber von der Bibel keine Ahnung. Aus der Sicht „Bibelkenntnis“ betrachtet, ist der Mann völlig ungebildet. Mancher von den angeblich gebildete kann nicht einmal einen Reifen wechseln, die Wäsche richtig waschen oder einen Nagel gerade einschlagen.
    Somit halte ich die Trennung der Gesellschaft eher in „bodenständig“ und „ländlich“ einerseits und „hedonistisch“, „urban“ und „kosmopolitisch“ anderseits gegeben. Letztere halten sich für die Intelligenteren, haben ein aggressives Sendungsbewußtsein, haben die Medien zu einem großen Teil unterwandert und versuchen durch das Nutzen bestimmter Begriffe, Framing, Genderideologie, politischer Korrektheit und anderen Methoden die Deutungshoheit darüber zu erlangen, was gut und was böse ist. Klar ist, in dieser Gruppe finden sich im Endeffekt keine wiedergeborenen Christen, sie suchen ihre Identität in ihren Ideologien. Das haben sie übrigens mit Nationalisten gemein. Trotzdem sind diese scheingebildete Gruppe bestrebt, Konservative, Gläubige und eben Nationalisten „in einen Topf zu werfen“. Die bekannte „Nazikeule“ ist das Instrument. Gern wird auch Antisemitismus und Rassismus unterstellt, diese Begriffe sehr, sehr weit gedehnt, ja überdehnt. Damit habe diese Leute aber kein Problem, da sie der Ansicht sind, das Recht zu habe, zu bestimmten, welche Begriffe was bedeuten und was erlaubt ist und was nicht. So werden Demonstranten, die Straftaten ausüben, als „Aktivisten“ bezeichnet, wenn sie dieselbe Agenda verfolgen. Es wird aus dieser Gruppe aber niemals über Lebensschützer wie z.B. Abtreibungsgegner von Aktivisten gesprochen, wenn diese eine Aktion machen. Auch die Anarchisten, welche den Reichstag in Berlin oder das Parlamentsgebäude in den USA gestürmt haben, sind in deren Augen keine „Aktivisten“. Wären es Personen der Terrorgruppe „Antifa“ oder Palästinenser gewesen, hätte man sie als „Aktivisten“ bezeichnet. Diese Methode läßt sich auch bis in die Nachrichten wie der Tagesschau verfolgen. Erfunden haben das Besetzen von Begriffen im eigenen Sinne im Endeffekt die Nazis, die grausame Tatsachen mit beschönigenden Begriffen belegt haben, die Personengruppen mit abfälligen Bezeichnungen belegt haben.
    Es gibt ein weiteres Merkmal. Die Gruppe der „Entdecker“ geht fast nie einer produktiven Erwerbsarbeit nach, weder im Handwerk, noch in Ingenieursbereich oder Gesundheitswesen. Sie leben meist vom Geld der Steuerzahler, damit es nicht so auffällt, werden extra Posten geschaffen oder hahnebüchene Begründungen für überzogene Gehälter genannt. Es ist eben nicht normal, daß so ein Nachrichtenansager wie der Herr Kleber vom ZDF pro Jahr ein Salair von 550.000€ erhält, eine Krankenschwester würde sich dagegen schon über ein Zehntel der Summe freuen. Sie hat weitaus mehr Verantwortung, ein Fehler von ihr kann ein Menschenleben gefährden. Auch Intendanten der Sender, die ganzen Beauftragten usw. alles unproduktive Positionen. Man kann es einfach festmachen: Würde jemand, außer der Betroffene selbst, verhungern, verdursten oder nackt laufen, wenn er nicht arbeitete? Würde der Staat seine Aufgaben nicht mehr erfüllen? Wenn das alles nicht zutrifft, dann ist es ein unwichtiger Posten und meist überbezahlt. Die, die jeden Tag hart arbeiten, um eben diese Sender mit den schon wie Schutzgeld eingetriebenen Rundfunkbeiträgen finanzieren, die die ganze rot-grüne Folklore mitfinanzieren, denen, denen „ein paar Cent“ mehr Energiekosten wirklich weh tun, die haben die Nase voll und begehen dann eben schnell die Dummheit, ihr Heil bei der AfD zu suchen, die vermeintliche Lösungen bereit hält. Das hat diese Partei übrigens mit den „Grünen“ gemein. Auch das sind Populisten. Beispiel: Selbst wenn Deutschland von jetzt auf gleich klimaneutral im Verkehrssektor wäre, also wirklich daraus kein CO2 mehr entstünde, würde allein der Kohlekraftwerkzubau eines Jahres in China dieses zunichte machen. Die Chinesen lachen sich tot, daß wir unsere Wirtschaft ruinieren, sie dann gern in die Bresche springen und liefern – zu ihren Konditionen ohne Rücksicht auf Umwelt, Menschenrechte usw.

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