Ist Deutschland der barmherzige Samariter?

Laut dem Wirtschaftswissenschaftler Clemens Fuest befindet sich Deutschland angesichts steigender Flüchtlingszahlen in einem „Samariter-Dilemma“: Selbstlose Hilfe sei zwar edel, könne aber dazu führen, dass die Zahl der Hilfesuchenden zunimmt und den Helfenden überfordert. Dann müsse er zu Maßnahmen greifen, die wenig barmherzig sind.
Von PRO
Flüchtlinge auf dem Weg von Wien nach München
Die Politik muss unbarmherzige Maßnahmen ergreifen, damit Bürger weiterhin barmherzig sein und sich für Flüchtlinge engagieren können, ohne überfordert zu werden. Denn: Eine Herausforderung, die grenzenlos erscheint und kein absehbares Ende hat, entmutigt eher, als zur selbstlosen Hilfe zu motivieren. Auf dieses Problem macht der Wirtschaftswissenschaftler Clemens Fuest in einem Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aufmerksam. Er bezieht das Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus dem Lukasevangelium auf die aktuelle Flüchtlingskrise und stellt fest, dass der Vergleich an manchen Stellen hinkt. Die Geschichte vom barmherzigen Samariter handelt von einem Menschen, der von Räubern überfallen wurde und nun verletzt auf der Straße liegt. Zwei fromme Menschen, ein Priester und ein Levit, gehen vorbei, ohne einen Finger zu rühren. Dann kommt ein Samariter, ein andersgläubiger Mensch, und hilft dem Verletzten. Dieses Gleichnis wird traditionell als Aufruf verstanden, gerade als Christ Menschen in Notsituationen zu helfen. In diesen Tagen zieht man es auch gerne als Handlungsmaxime für die deutsche Flüchtlingspolitik heran.

Wo der Vergleich hinkt

Fuest zufolge ist dieser Vergleich aber in Bezug auf die aktuelle Flüchtlingsproblematik abwegig, da er nur einen Teil des Problems beleuchtet. Bei der Zuwanderung von Flüchtlingen kämen Aspekte hinzu, die den „Samariter Deutschland“ in ein Dilemma stürzten: Im Gleichnis müsse der Samariter nicht damit rechnen, dass durch seine Hilfe die Zahl der Hilfesuchenden zunehme. Er ist nicht plötzlich mit zehn, 20 oder 200 Verletzen konfontiert, weil er einem geholfen hat. Das würde seine Kräfte vermutlich auch übersteigen. In der heutigen Situation jedoch beeinflusse die Aufnahmebereitschaft Deutschlands und die vergleichsweise großzügigen Sozialleistungen die Entscheidung der Flüchtlinge, sich nach Europa aufzumachen. Ob Kriegsflüchtling oder nicht – nach Deutschland kämen die Menschen aufgrund der Sozialleistungen und der höheren Löhne, denn sichere Länder gebe es auch in Heimatnähe. Zudem wirke sich die deutsche Hilfsbereitschaft negativ auf andere Länder, im Gleichnis dargestellt durch den Priester und den Leviten, aus. Diese erreiche die implizite Botschaft, nichts tun zu müssen, da Deutschland sich ja schon um das Problem kümmere. Fuest, Professor an der Uni Mannheim, mahnt, harte Korrekturen seien notwendig, wenn man wolle, dass die Bevölkerung auf Dauer fähig und bereit bleibe, Flüchtlingen zu helfen. Dazu gehörten eine Eindämmung der Zuwanderung, beschleunigte Asylverfahren und eine unverzügliche Abschiebung abgelehnter Bewerber. Abschiebungen seien aber unbarmherzig, sie gingen mit menschlichen Härten einher. Aus seinem „Samariter-Dilemma“, in das sich Deutschland im Alleingang gestürzt habe, könne es sich nur gemeinsam mit den europäischen Partnern befreien – durch gleichmäßigere Verteilung der Zuwanderer, effektivere Kontrollen an den EU-Außengrenzen und durch eine gemeinsame Anstrengung, die Krisen im Nahen Osten, die zur Flüchtlingsbewegung geführt haben, zu beenden. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/kommentar/detailansicht/aktuell/sueddeutsche-zeitung-stellt-realitaet-auf-den-kopf-93466/
https://www.pro-medienmagazin.de/kommentar/detailansicht/aktuell/asyl-trotz-sorgen-und-fragen-nicht-verzagen-93253/
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