Nach dem Attentat in Winnenden: Diskussion um Killerspiele

Der Bundestag berät am heutigen Mittwoch über mögliche Konsequenzen des Amoklaufs in Winnenden. Eines der zu behandelnden Themen sind die so genannten "Killerspiele". Bereits kurz nach der Tat wurde der Ruf nach einem generellen Verbot laut. Bayern und Hessen legten dem Bundesrat nun einen entsprechenden Antrag vor – aber Kritiker sehen in der Forderung reinen Aktionismus.
Von PRO

Unter dem Titel „Kinder, Jugendliche, Familien stärken – Konsequenzen nach dem Amoklauf“ diskutiert der Bundestag in einer „Aktuellen Stunde“ mögliche Konsequenzen aus dem Amoklauf des 17-jährigen Tim K., der vergangenen Mittwoch 15 Menschen getötet hatte. Besonders im Visier der Politiker: So genannte „Killerspiele“. Laut Medienberichten soll Tim K. noch am Vorabend der Tat „FarCry2“ gespielt haben, einen so genannten „Ego-Shooter“. Dabei jagt der Spieler in einem afrikanisch anmutenden Land einen Waffenschmuggler – und schießt dabei wild um sich. Zudem fanden Ermittler die Spiele „Counterstrike“ und „Tactical Ops“ auf seinem Rechner.

„Die Empathiefähigkeit, die Fähigkeit, Mitleid zu empfinden, wird reduziert, wenn man sich ständig in die Rolle des aggressiven, tötenden Gewalttäters phantasiehaft begibt. Das bleibt nicht ohne Folgen auf die eigene Psyche“, sagte der Kriminologe Christian Pfeiffer, der am Mittwoch als Experte zum Thema im Bundestag spricht, in einem „Stern“-Interview zum Thema „Killerspiele“.

Volker Bouffier: „Menschenverachtende Dinge“

Solche Warnungen blieben nicht ungehört. „Diese menschenverachtenden Dinge gehörten schleunigst vom Markt“, forderte der hessische Innenminister Volker Bouffier. Laut der der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ will er „ein komplettes Herstellungs- und Verbreitungsverbot für Killerspiele“ in Deutschland durchsetzen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sowie sein Parteikollege Joachim Hermann, bayerischer Innenminister, planen, einen entsprechenden Verbotsvorschlag im Bundesrat einzubringen. „Wir müssen uns jetzt endlich aufraffen und den Mut haben, die brutalsten Spiele zu verbieten. Das ist keine Frage der Medien- und Kunstfreiheit mehr“, sagte Herrmann dem „Münchner Merkur“.

Auch Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sieht in den Spielen scheinbar eine der Hauptursachen des Amoklaufs. Sie plant, mit Hilfe von Testkäufern die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes bei der Abgabe von Computerspielen strenger zu überwachen. „Landkreise können nach heutiger Rechtslage 17-jährige Jugendliche zu Testkäufen losschicken“, erklärte von der Leyen laut „Financial Times Deutschland“. „Wenn kontrolliert wird und den Verkäufern klar ist, dass es sie 50.000 Euro Bußgeld kosten kann, bestimmte Computerspiele an einen 14-Jährigen über den Ladentisch zu schieben oder Schnapsflaschen an einen 16-Jährigen zu verkaufen, schreckt es ab.“ Dem Vorschlag schloss sich die niedersächsische Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) an und verweist auf die Testkäufe von Alkohol in Niedersachsen.

„Keine Lösung des eigentlichen Problems“

Schon nach den Attentaten in Emsdetten und Erfurt war über ein Verbot der Spiele gestritten worden. Doch inwiefern ein solches zur Eindämmung der Gefahr von neuen Amokläufen beitragen kann, ist umstritten. Die bayrische FDP-Generalsekretärin, Miriam Gruß, sagte etwa, dass ein generelles Verbot „keine Lösung des eigentlichen Problems“ bedeute. Sie warf Hermann „Polit-Aktionismus“ vor. An dem Widerspruch der FDP war der zunächst geplante Verbotsvorschlag des bayrischen Ministerpräsidenten Seehofer dann auch gescheitert.

Auch andere warnen vor übereilten Maßnahmen. Markus Herold, Kolumnist der „Zeit“, verweist in seinem Beitrag „Killerspiele-Verbot: Zu schnell geschossen“ etwa darauf, dass die langfristige Wirkung von Gewaltspielen „weitgehend unerforscht“ sei. Solche Spiele steigerten zwar aggressives Verhalten – „allerdings nur bis in die ersten Minuten nach dem Spiel“. Zudem träten andere Ursachen durch die Diskussion in den Hintergrund. Herold verweist auf den Medienexperten Lothar Mikos. Auch der hatte im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur festgestellt: „Dass es nach Medienkonsum zu Gewalt an Schulen kommt, konnte bisher noch nicht wissenschaftlich belegt werden.“

Dass ein Verbot der Killerspiele alleine nicht ausreicht, weiß auch Ross-Luttmann. Der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ sagte sie dazu: „Die schärfsten Gesetze der Welt sind nutzlos, wenn Eltern nicht wissen, was in Kinder- und Jugendzimmern abgeht und was in ihren Kindern vorgeht.“ (PRO)

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