Kinder, Mütter, Politik: Einblicke in eine verweigerte Debatte

Wenn Meinungen und Vorgänge publik werden, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, ist das mitunter brisant, meist spannend - jedenfalls selten. In der aktuellen Ausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" veröffentlichte Redakteurin Uta Rasche jetzt eine E-Mail-Korrespondenz mit der bekannten schwedischen Erziehungsratgeberin Anna Wahlgren – in der die Kritikerin von Krippenbetreuung begründet, warum sie ein Gespräch mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen ablehnt.
Von PRO

Anna Wahlgren ist die „Astrid Lindgren der pädagogischen Literatur“. Sie hat sich weltweit einen Namen gemacht als Autorin von Büchern wie „Das Kinderbuch“, das Eltern in der Erziehung ihrer Kindern vom Baby- bis ins Pubertätsalter begleitet. Ihre insgesamt 27 Bücher erreichten eine Millionenauflage, was auch daran liegen mag, dass sich Anna Wahlgren in Erziehungsfragen auskennt und authentisch Tipps geben kann: Die heute 65-Järhige ist selbst Mutter von neun Kindern, die sie zum Teil alleine erzog.

Frau von der Leyens Politik

Wahlgren also war von Redakteurin Uta Rasche angefragt worden, sich einem moderierten Streitgespräch mit Bundesfamilienministerin von der Leyen zu stellen. Es sollte insbesondere um Fragen des Ausbaus von Krippenplätzen gehen, wie Rasche schrieb. „Frau von der Leyen macht in Deutschland eine Politik, die Frauen dazu bewegt, berufstätig zu sein, auch wenn die Kinder noch jünger sind als drei Jahre. Darüber wird in Deutschland intensiv debattiert.“ Diese Debatte sollte nun in einem Streitgespräch in der „F.A.S“ fortgeführt werden, wobei Wahlberg die ideale Konterpartnerin der CDU-Familienpolitikerin wäre. „Ich weiß, dass Sie anderer Ansicht sind. Wir stellen es uns interessant vor, mit Ihnen beiden über die Kombination von Beruf und Familie und die Risiken der Tagesbetreuung zu sprechen“, schreib Uta Rasche.

Doch die Antwort von Wahlgren auf die freundliche Anfrage war eine deutliche Absage. Weder mit der Ministerin noch mit jemand anderem wolle sie über die vorgeschlagenen Themen diskutieren. Und ihre Begründung hatte es in sich: „Mein Herzensanliegen sind die Bedürfnisse kleiner Kinder – nicht die Bedürfnisse von Frauen, Männern oder Betreuungsinstitutionen, die dem Arbeitsmarkt dienen, nicht aber den Kindern.“ 

„Neue deutsche Politik“

Auch ein zweiter Versuch, Anna Wahlgren zu einem öffentlichen Streitgespräch zu überreden, scheiterte. „Ich wäre froh, wenn Sie Ihre Antwort noch einmal überdenken würden“, schrieb Uta Rasche. „Ein solches Interview, in dem die neue deutsche Politik, Frauen in den Arbeitsmarkt zu drängen, ohne große Rücksicht auf die Bedürfnisse der Kinder zu nehmen, Widerspruch bekäme, wäre ein wertvoller Beitrag“, schrieb die Redakteurin. Anna Wahlgren jedoch bekräftigte ihre Absage – und legte in ihrer Begründung nach. „Die Familienministerin möchte, dass deutsche, intellektuelle, gut ausgebildete Frauen zum wirtschaftlichen Wohlstand und Wachstum des Landes beitragen – und zwar dadurch, dass sie arbeiten, Steuern zahlen UND Kinder gebären“, so Wahlgren. Die Kernaufgabe westlicher Gesellschaften bestehe heute darin, „einheimische Frauen dazu zu bewegen, mindestens zwei Kinder zu gebären und zugleich diese Frauen davon fernzuhalten, persönlich für ihre Kinder zu sorgen“. Das Konzept ihres Heimatlandes, das „schwedische Modell“, verheiße Müttern, dass sich die Gesellschaft um die Kinder kümmern werde, Frauen würden so darauf reduziert, „Zuchtsauen“ zu sein, schreibt Wahlgren.

„Herzzerreißend“

„Doch dieses ‚Modell‘ kollidiert auf herzzerreißende Weise mit den Interessen kleiner Kinder (unter drei Jahren). Ich habe Deutschland bewundert, solange es dort keine staatlichen Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder gab“, so die Erziehungsratgeberin. Und was sie sonst noch schreibt, klingt durchaus resigniert. „Sie (von der Leyen) wird tun, was Deutschlands Wirtschaft nützt, und genau das ist ihr Job. So ist es eben. Ich bin zu alt, mir vorzustellen, dass ich irgendetwas ändern könnte, das die Lebensbedingungen kleiner Kinder verbessert. Ich möchte meine Zeit nicht mehr verschwenden.“

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