Johannes Laitenberger: Über Gott und die EU-Verfassung

B r ü s s e l (PRO) - Johannes Laitenberger ist die Stimme der Kommission der Europäischen Union in Brüssel. Der gebürtige Hamburger ist als Sohn eines Pfarrers in Portugal aufgewachsen, spricht vier Sprachen fließend, hat auf wichtige Fragen zur EU eine Antwort und engagiert sich neben seinem Beruf als Leiter des Sprecherdienstes der EU-Kommission in der deutschsprachigen evangelischen Kirchengemeinde in Brüssel. Wolfgang Baake und Andreas Dippel haben mit dem 42-Jährigen über seinen Beruf, die Debatte um einen Gottesbezug in der EU-Verfassung und seinen Glauben gesprochen.
Von PRO

pro: Die Tageszeitung „Die Welt“ hat Sie kürzlich als einen der einflussreichsten Deutschen in Brüssel bezeichnet. Wie einflussreich sind Sie denn wirklich?

Johannes Laitenberger: Das ist eigentlich nicht die Kategorie, in der ich meine Arbeit und mich selber messe. Meine Aufgabe ist es, die Arbeit des Präsidenten der EU-Kommission José Manuel Barroso und die der Mitglieder der Kommission nach außen zu vermitteln und verständlich zu erläutern. Dazu muss ich natürlich in engem Kontakt zum Präsidenten und zum Kommissarskollegium stehen. Doch die Aufgabe eines Sprechers ist es, sich selbst zurückzustellen und das korrekt wiederzugeben, was die Botschaft von Präsident und Kollegium ist. Und dann muss ein Sprecher natürlich nach innen zurückgeben, was als Reaktion darauf von außen kommt.

Und was beschäftigt die Europäische Kommission derzeit besonders?

Die EU hat ein breites Feld von Aufgaben. Wenn Sie die Orientierung der Kommission Barroso in einem Satz zusammenfassen wollen, kann man sagen dass es darum geht, Europa für die Globalisierung fit zu machen. Das heißt dafür zu sorgen, dass Europa Gestalter einer menschenwürdigen und offenen Globalisierung ist. Dabei ist es wichtig, dass zum einen Europa in der globalisierten Welt der beste Platz zum Leben bleibt, zum anderen Europa in Zusammenarbeit mit dem Rest der Welt seiner globalen Verantwortung gerecht wird. Ein gutes Beispiel dafür, wie sich das konkret darstellt, ist das Vorschlagspaket zur gemeinsamen Energiepolitik und zum Klimaschutz, das die Kommission soeben vorgelegt hat.

Seit Anfang dieses Jahres hat Deutschland den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich für diese sechs Monate viel vorgenommen, unter anderem möchte sie den gescheiterten EU-Verfassungsvertrag neu beleben. Dabei ist es ihr wichtig, dass in dem Verfassungsentwurf auch der Gottesbezug aufgenommen wird. Das fordern seit langem die Kirchen und viele Christen. Wie stehen Sie dazu?

Mehr noch als bei anderen Beamten gilt bei Sprechern, dass Privatmeinungen eben das sind und bleiben sollen: privat. Lassen Sie mich ganz generell sagen, dass die Debatte um den Verfassungsvertrag gerade auch in dieser Frage sehr sorgfältig  und ernsthaft geführt wurde und wird.  Ihre besondere Schwierigkeit resultiert aus unterschiedlichen Traditionen und Rechtsverständnissen. Deshalb ist es nicht leicht, an dieser Stelle zu ohne weiteres tragfähigen Ergebnissen zu kommen. Fest steht jedoch, dass der Verfassungsvertrag für das Verhältnis von Europäischer Union zu Kirchen und Religionsgemeinschaften in vielerlei Hinsicht große Verbesserungen bringt.

Welche Verbessungen sind das?

Zum Beispiel wird der Dialog zwischen EU und Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften auf eine vertragliche Basis gestellt. Der Verfassungsvertrag erkennt an, dass es diesen Dialog geben muss, er eine Funktion in der weiteren Entwicklung der EU hat. Dieser Passus war eine langjährige Forderung der Kirchen und Religionsgemeinschaften, der entsprochen wurde. Dieser Umstand sollte in der Debatte um die Bewertung des Verfassungsvertrages und die Aufnahme eines Gottesbezuges gebührend bedacht werden.

Dennoch kritisieren Kirchen und christliche Gemeinschaften sehr klar, dass es nicht ausreicht, wenn in der EU-Verfassung lediglich auf die „kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas“ verwiesen wird. Warum tun sich die EU-Staaten so schwer damit, einen Gottesbezug aufzunehmen, wie dieser etwa im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert ist: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen…“?

Wie gesagt: Das hat mit den ganz unterschiedlichen Traditionen und Rechtsverständnissen, auch  historischen Entwicklungen zu tun. Das deutsche Grundgesetz ist aus einer bestimmten Situation heraus entstanden. Andere Mitgliedstaaten wie zum Beispiel. Frankreich haben eine andere Verfassungsgeschichte. Die große Aufgabe ist es nun, diese unterschiedlichen Traditionen zu einer praktischen Konkordanz zu bringen. Deswegen warne ich auch davor, die Frage nach dem Gottesbezug zu dem einzigen Gradmesser für das Verhältnis der Europäischen Union zur Weltanschauung und Religion zu machen. Auch Mitgliedstaaten, die einen Gottesbezug in ihrer nationalen Verfassung nicht kennen, sind doch deshalb keine Staaten, die einen Dialog mit Kirchen und Religionsgemeinschaften ablehnen.

Meinen Sie denn, dass der EU-Verfassungsvertrag ohne eine klaren Gottesbezug etwa in katholischen Ländern wie Polen Akzeptanz finden kann?

Der Verfassungsvertrag ist von allen EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet worden und somit haben die Staaten dem Entwurf eine grundsätzliche Tragfähigkeit bescheinigt. 18 Mitgliedstaaten haben den Verfassungsvertrag bis jetzt angenommen. Wir haben natürlich in Frankreich und den Niederlanden erlebt, dass eine nationale Debatte auch zu anderen Ergebnissen führen kann: Die Mehrheit der Bevölkerung dieser beiden Länder hat den Entwurf im Referendum abgelehnt. Es ist daher in Zukunft noch wichtiger zu verdeutlichen, dass  nach bestem Wissen und Gewissen um tragfähige Lösungen gerungen wurde und wird. Dazu gehört eben auch, dass keine Position eines Landes absolut gesetzt werden kann. Beim Verfassungsvertrag und dem weiteren Prozess muss man sich gewissermaßen auf den größten gemeinsamen Nenner einigen.

Sie selbst sind als Sohn eines Pfarrers bis heute in der Kirche engagiert, spielen in der Evangelischen Gemeinde in Brüssel in Gottesdiensten ehrenamtlich Orgel, sind Mitglied im Gemeindepresbyterium und darüber hinaus stellvertretendes Mitglied der Synode der EKD. Welche Bedeutung hat für Sie der christliche Glaube?

Der Glaube ist für mich als Person natürlich existenzielle Grundlage und Kraftquelle, gibt mir Orientierung und Inspiration. Er ist selbstverständlicher Bestandteil meines Lebens. Er gibt meinem Leben das richtige Maß.

Werden Sie häufig auf Ihren Glauben angesprochen?

Ich bin hier in Brüssel zuerst EU-Beamter, dann Privatperson. So interessiert zum Beispiel die Journalisten die Privatperson Johannes Laitenberger – ehrlich gesagt zu Recht – nur in begrenztem Maße. Natürlich werde ich schon ab und an auf meinen Glauben angesprochen, zumeist in ganz praktischen Fragen: Wenn jemand etwa wissen will, wo und wann er einen Gottesdienst besuchen kann. Auch darüber gebe ich gerne Auskunft.

Herr Laitenberger, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview ist erschienen in der neuen Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro. Sie wollen die pro im Original lesen? Einfach kostenlos und unverbindlich bestellen: Telefon (06441) 915 151, Fax: – 157, E-Mail: pro@kep.de

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