InfoSekta-Präventionsprojekt: Kinderschutz in der Erziehung

Die Schweizer Fachstelle „InfoSekta“ hat zusammen mit der „Stiftung Kinderschutz Schweiz“ ein Sensibilisierungs- und Präventionsprojekt ausgearbeitet und am Freitag auf ihrer Webseite www.infosekta.ch veröffentlicht. Einige evangelikale Erziehungsratgeber empfählen teilweise strenge körperliche Züchtigung und massiven psychischen Druck, heißt es da.
Von PRO

Die Schlagzeilen über den Fall aus dem Zürcher Oberländer Dorf Wila ist vielen noch präsent: Eine dreiköpfige sektenähnliche Wohngemeinschaft quälte die beiden kleinen Töchter des WG-Anführers jahrelang systematisch psychisch und physisch mit strengen Erziehungsmethoden. Die Kinder sollten gottgefällige Wesen werden. Das jüngere Mädchen starb im Alter von fünf Jahren an einem Schütteltrauma. Der Haupttäter wurde zu einer neuneinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die beiden Frauen zu sieben beziehungsweise zehn Jahren Freiheitsentzug. Die Frauen akzeptierten ihre Urteile. Der Mann bestritt seine Schuld. Der Fall muss nochmals aufgerollt werden.

Wila sei ein Extremfall, obgleich auch kein Einzelfall, sagte Susanne Schaaf, Geschäftsleiterin von InfoSekta in Zürich, der Nachrichtenagentur „sda“. Aus diesem Grund habe die Fachstelle den Bericht zu Prävention erarbeitet. Oberstes Ziel sei der Kinderschutz. InfoSekta wolle zur Diskussion in evangelikalen Kreisen anregen, Eltern und Fachstellen Orientierungshilfen geben, sowie verhindern, dass Gemeinden aus Unwissenheit problematische Ratgeber anböten.

Es gebe viele evangelikale Eltern, die nicht sicher seien, wie sie ihre Kinder richtig erziehen sollten. InfoSekta wolle erreichen, dass sich solche Eltern auf empfehlenswerte evangelikale Ratgeber stützten, die es durchaus gebe. Man wolle jedoch nicht allen evangelikalen Eltern unterstellen, ihre Kinder unfair zu behandeln.

Evangelikale Verbände nehmen Abstand

Von der körperlichen Züchtigung als Erziehungsmittel haben sich laut Schaaf die „Schweizerische Evangelikale Allianz“ (SEA) und der Verband „VFG – Freikirchen Schweiz“ distanziert. Das sei sehr begrüßenswert. Noch offen sei jedoch die Haltung der Verbände zur psychischen Gewalt. Hier gebe es ein Spannungsfeld zwischen dem evangelikalen Dogma, nach dem ein Kind von Natur aus sündig ist, und der gesellschaftlichen Forderung nach freier Entfaltung und Autonomie des Kindes. Das müsse auch in evangelikalen Kreisen thematisiert werden.

Aufgeteilt in einzelne Kapitel erläutert der Bericht der InfoSekta verschiedene evangelikale Erziehungsansätze und kennzeichnet problematische Ratgeber. Er setzt sich mit vier „idealtypischen“ Erziehungsverständnissen auseinander, von hochdogmatisch bis offen. Außerdem geht er auf Widersprüche innerhalb der Erziehungskonzepte ein, nennt Erziehungsratgeber und empfiehlt Elternkurse. Zu Wort kommen der Zürcher Kinderarzt und Erziehungsfachmann Remo Largo sowie eine junge Frau, die in einer evangelikalen Gemeinschaft aufgewachsen ist. Auch die SEA und der VFG beziehen Stellung. Der Bericht des Präventionsprojekts findet sich hier als PDF unter www.infosekta.ch.

Michael Diener, Pfarrer und Erster Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA), sagte gegenüber pro zur Frage, ob sich auch die DEA von körperlicher Züchtigung distanziere: „Für die Deutsche Evangelische Allianz kann ich sagen, dass ‚körperliche Züchtigung‘ heute kein adäquates Erziehungsmittel sein kann. Ziel der Erziehung muss es sein, die Persönlichkeit des Kindes zu prägen und wachsen zu lassen. Körperliche Züchtigung ist dafür ungeeignet, da es die Persönlichkeit gefährdet, den Willen oftmals bricht und als Demütigungserfahrung in keinem Verhältnis zur vorhergehenden Handlung steht.“

Selbstverständlich sei es Aufgabe der Erziehung, Grenzen aufzuzeigen und mindestens ebenso auch durch Lob, Ermutigung, Bestärkung angemessene Verhaltensformen zu fördern. Erziehung müsse zudem altersgemäß und individuell auf die jeweilige Person zugeschnitten sein. Angstfreie und dennoch respektvolle Erziehung ermögliche es, dass Kinder Konsequenzen nachvollziehen und Fehlerhalten einsehen können. (pro)

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