Wie viel Verhüllung verträgt der Rechtsstaat?

Eine Muslima in London muss ihre religiöse Verhüllung vor Gericht ablegen. Eine gläubige Anwältin in Berlin darf ihr Kopftuch voraussichtlich tragen. Die Fälle sind grundverschieden, die Gesetzgebung in den beiden Ländern aber ähnlich diffus.

Von PRO

Im November wird eine 22-jährige Muslima vor Gericht aussagen müssen – ohne Schleier. Das hat ein Londoner Richter am Montag entschieden. Bisher hatte sich die Britin laut Spiegel Online geweigert, ihren Gesichtsschleier in Anwesenheit von Männern im Gerichtssaal abzunehmen. Stattdessen identifizierte eine weibliche Polizistin sie bei einer früheren Vernehmung im Nebenraum, anschließend tätigte die Frau ihre Aussage verhüllt. Es sei wichtig, dass die Jury das Gesicht der Angeklagten bei ihrer Aussage sehen könne, zitieren Medien aus dem Schreiben des Richters. Sie dürfe den Schleier aber während der Anhörung anderer Zeugen im Gerichtssaal tragen. Es könnten zudem Schutzwände aufgestellt werden, um die Frau vor Blicken der übrigen Anwesenden im Raum zu schützen oder sie könne per Videoschalte aussagen.

Juristin soll kein Kopftuch tragen

Auch in Berlin tobt ein Streit um das muslimische Glaubenssymbol. Eine Juristin hatte sich mehrmals geweigert, der Aufforderung eines Richters nachzukommen, ihr Kopftuch abzunehmen. Stattdessen ersetzte sie es durch ein enges Haarnetz oder einigte sich mit dem Gericht darauf, das Tuch ähnlich wie ein Bauernkopftuch hinten zusammenzubinden. Ursprung des Verbots ist in diesem Fall aber nicht die Notwendigkeit, das Gesicht der Anwältin erkennen zu können – das wäre bei einem Kopftuch ohnehin sichtbar. Stattdessen berief sich der Richter laut der Berliner Morgenpost auf das Neutralitätsgebot der Justiz, an das die Frau gebunden sei. Sie hingegen kündigte an, das Berliner Verfassungsgericht anzurufen, sollte ihr ein Richter erneut das Tragen des Kopftuchs verbieten wollen.

Der Berliner Anwaltsverein und die Rechtsanwaltskammer gehen davon aus, dass die Frau langfristig Recht bekommen wird. Im Gegensatz zu Staatsanwälten und Berufsrichtern sind Anwälte nicht gesetzlich zu religiöser Neutralität verpflichtet, zudem diene ein Verbot wenn überhaupt dem Schutz der Muslima vor Diskriminierung.

Burkaverbot in Frankreich und Belgien

Die Fälle sind grundverschieden. Das Tragen des Kopftuchs ist Lehrerinnen in Deutschland in manchen Bundesländern gestattet, in anderen nicht. Über zwei Klagen von Musliminnen dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht ist bisher nicht entschieden. In Großbritannien ist es Lehrerinnen und auch Polizistinnen erlaubt. Die Rechtsprechung zum Thema Burka ist aber in beiden Ländern diffus. In Großbritannien wie auch in Deutschland gibt es keine nationalen Gesetze zum Umgang mit der Vollverschleierung. Behörden und Gerichte entscheiden von Fall zu Fall. Andere Länder haben ein Burkaverbot eingeführt, etwa Frankreich, die Schweiz und Belgien.

In der vergangenen Woche gab es in Großbritannien Proteste wegen eines weiteren Verhüllungsstreits. Eine 17-jährige Studentin am Metropolitan College in Birmingham protestierte, weil ihr das Tragen des Gesichtsschleiers in Lehrveranstaltungen untersagt wurde. An der Universität existierte ein generelles Verbot von Schleiern und Kopfbedeckungen. Die Muslima machte ihren Protest öffentlich, die Lokalzeitung berichtete, es gab eine Online-Petition. Als die Politik begann, sich einzumischen, gab die Uni-Leitung nach. Man werde künftig Ausnahmen von der Kleiderordnung zulassen, teilte sie vergangenen Donnerstag laut Spiegel Online mit. (pro)

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