Paulus-Jahr wird zum „Lackmustest“ für die Türkei

Papst Benedikt XVI. hat ein Paulus-Jahr ausgerufen: Vom 28. Juni 2008 bis 29. Juni 2009 gedenkt die Katholische Kirche des 2000. Geburtstages von Paulus von Tarsus. Der Wegbereiter des Christentums wurde in Tarsus geboren, einem Ort in der heutigen Türkei. Das Paulus-Jahr lenkt die Aufmerksamkeit schon jetzt auf die Lage der Christen in dem islamisch geprägten Land.
Von PRO

In Tarsus erinnert die St.-Paul-Kirche an den Apostel Paulus, der als Jude in der vor 2.000 Jahren römisch verwalteten Stadt geboren wurde. Die Gedenkkirche wurde im 12. Jahrhundert errichtet. Doch das Gotteshaus wurde 1943 vom türkischen Staat konfisziert und mehrere Jahrzehnte als Armeelager genutzt. Erst vor wenigen Jahren genehmigte die Regierung die Nutzung der St.-Paul-Kirche als Museum. Damit verbunden war jedoch auch das Verbot, in der Kirche regelmäßige Gottesdienste zu feiern. Jedenfalls durften keine Kreuze und sonstige christliche Symbole angebracht werden.

Bischöfe: Eintreten für Glaubensfreiheit

Insbesondere deutsche Bischöfe nutzten das nun beginnende Paulus-Jahr in den vergangenen Monaten, um auf die Lage der Christen in der Türkei hinzuweisen. Die katholischen Kirchenvertreter traten zudem dafür ein, die Kirche in Tarsus sowohl den in der Stadt verbliebenen Christen als auch den zu erwartenden Besuchern für Gottesdienste zur Verfügung zu stellen. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner schrieb etwa in einem Gastkommentar im „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Nach menschlichem Ermessen gäbe es ohne Paulus keine Weltkirche, kein christliches Europa, keine Menschenrechte und damit keine Vereinten Nationen.“ Daher „versteht es sich von selbst, dass in seinem Geburtsort Tarsus der Christenheit und der Menschheit überhaupt eine Pauluskirche und ein Pilgerzentrum zur Verfügung stehen müssen“.

Laut einem dpa-Bericht hatte sich Meisner zudem in einem Brief an den für Tarsus zuständigen Bischof Luigi Padovese über die Lage der Christen geäußert. Angesichts des Baus der heftig umstrittenen Großmoschee in Köln könne ein neu errichtetes Zentrum für Christen die Beziehungen verbessern, so Meisner. „In einem Gespräch mit Verantwortlichen der muslimischen Gläubigen aus der Türkei in Köln konnte ich bis jetzt kein besonderes Interesse für unser Anliegen finden. Aber uns Christen ist es gegeben, zu hoffen wider alle Hoffnung“, schrieb Meisner laut dpa.

Religionsfreiheit nur auf dem Papier

Der Lage der Christen und Religionsfreiheit in der Türkei widmen sich auch weitere Korrespondenten. „Die Situation der rund 100.000 Christen in der Türkei ist eine zwiegespaltene“, berichtet ARD-Korrespondent Ulrich Pick. „Zwar kann laut Verfassungsartikel 24 jede Glaubensgemeinschaft uneingeschränkt Gottesdienste feiern“, doch eine wirkliche Religionsfreiheit herrsche nicht. Otmar Oehring, beim katholischen Hilfswerk Missio für Menschenrechtsfragen zuständig, sagte der ARD: “Religionsfreiheit würde heißen, dass der Einzelne in Gemeinschaft mit anderen seinen Glauben öffentlich leben kann und dass er natürlich auch für diesen Glauben werben kann, dass er sich organisieren kann mit den anderen seiner Glaubensgemeinschaft, dass eine solche Glaubensgemeinschaft vom Staat rechtlich anerkannt wird, eigenes Personal ausbilden kann. Und all das ist in der Türkei nicht möglich.“

„Lackmustest für die Türkei“

Gar einen „Lackmustest für die Religionsfreiheit in der Türkei“ nennt Alexander Görlach in einem Bericht auf „stern.de“ das Paulus-Jahr. Denn bis jetzt sei in der Museums-Kirche der christliche Gottesdienst nur mit ausdrücklicher Erlaubnis der öffentlichen Verwaltung gestattet gewesen. „Für das Paulus-Jahr konnten die christlichen Kirchen im Land erwirken, dass der Gottesdienst in der Kirche wieder erlaubt wird. Im Sommer 2009 hat das Intermezzo ein Ende und Kreuz, Bibel und liturgische Geräte müssen wieder aus dem Blickfeld der Besucher geräumt werden“, schreibt Görlach. Doch das Land, das eine EU-Vollmitgliedschaft anstrebe, mache sich „nur widerwillig mit dem Gedanken vertraut, Religionsfreiheit zu gewähren. Der Plan sei, so sagen Beobachter, bis zum Zeitpunkt des Beitritts keine nicht-islamischen Minderheiten mehr im Land zu haben, zumindest nicht als Staatsbürger. Dann sei die Forderung nach Religionsfreiheit aus dem Abendland obsolet“.

Kritik durch die Europäische Union

Die Einschätzungen decken sich freilich mit den Beobachtungen der Erweiterungskommission der Europäischen Union (EU), die in ihrem letzten Jahresbericht ebenfalls die mangelnde Religionsfreiheit für Christen und die unzureichende Meinungsfreiheit in der Türkei anprangerte. In ihrem jährlichen Fortschrittsbericht kam die Brüsseler Behörde zu dem Ergebnis, dass bei den politischen Reformen im Jahr 2007 generell nur begrenzt Fortschritte erzielt wurden und mahnte eine Verbesserung der Rechte christlicher und anderer nicht-muslimischer Glaubensgemeinschaften in der Türkei an. Hier seien „erhebliche weitere Anstrengungen notwendig“.

Darüber hinaus wurden die Einschränkungen bei der Meinungsfreiheit scharf kritisiert. „Es ist einfach nicht akzeptabel, dass in einer europäischen Demokratie Schriftsteller, Journalisten oder andere Bürger verfolgt werden, wenn sie kritisch, aber gewaltfrei ihre Meinung äußern“, meint die EU-Kommission.

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