„Das Christentum wird den Gegnern zu groß“

B o n n (PRO) - Die weltweit zunehmende Christenverfolgung steht in unmittelbarem Zusammenhang zu einer vielfach beobachteten Rückkehr des christlichen Glaubens in zahlreichen Ländern auch außerhalb Europas. Diese Ansicht vertritt der Theologe Thomas Schirrmacher (Bonn) in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der "Welt am Sonntag".
Von PRO

Der weltweite Vormarsch des christlichen Glaubens löse die Christenverfolgung als Abwehrreaktion aus, so der Theologe und Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit mit Sitz in Bonn.

„Wo Bevölkerungsgruppen mit anderer kultureller Identität entstehen, sei es durch Einwanderung oder Mission, lässt sich oft dieser Trend beobachten: Die Mehrheit entdeckt ihre religiöse Tradition wieder und will sie schützen. Dann wird Religion immer stärker mit Politik, Kultur und Nation vermischt. Plötzlich wird auch wieder betont, wie sehr die Kultur eines Landes, einer Nation von der überlieferten Religion geprägt wurde, weshalb das Fremde gestoppt werden müsse“, so Schirrmacher im Interview mit „Welt am Sonntag“-Redakteur Till R. Stoldt.

Warum Christen verfolgt werden

Zudem litten insbesondere Christen weltweit unter Verfolgung. Schätzungen zufolge „sind weltweit 75 Prozent aller aus religiösen Gründen Verfolgten Christen, und weit über 80 Prozent der aus religiösen Gründen Ermordeten ebenfalls“, so Schirrmacher. Nicht allein in islamischen Staaten wie Pakistan, Iran oder Sudan, auch in vermeintlich demokratischen Staaten wie Indien würden Christen vielfach verprügelt und in Gefängnissen gefoltert.

Dabei gehe die Gewalt gegen Christen nicht immer vom Staat aus. „In einer Demokratie wie Indien ordnet die Regierung nicht an, Missionare zu verprügeln. Andererseits: In einigen indischen Bundesstaaten werden christliche Missionare mit Gefängnis bestraft. Dadurch wird die Religionsfreiheit stark beschränkt und ein gefährliches Klima geschaffen. Und der indonesische Staat verbietet zwar selbstverständlich das Abbrennen von Kirchen, aber in der Armee befinden sich viele Sympathisanten der Täter, die den brandschatzenden Islamisten keinen Einhalt gebieten und ihnen zuschauen.“

„Christen verzichten auf Gegengewalt“

Einen weiteren Grund dafür, dass vornehmlich Christen unter Verfolgung zu leiden haben, sieht Schirrmacher im Pazifismus, der dem christlichen Glauben zugrunde liegt. „In Indonesien zum Beispiel, wo im Schnitt täglich eine Kirche niedergebrannt wird, haben sich viele Gemeinden entschieden, auf Gegengewalt zu verzichten, wenn islamistische Horden Kirchen oder Christen-Siedlungen niederbrennen. Damit sind sie sozusagen leichte Beute. Es gibt aber auch Gemeinden, die sich bis an die Zähne bewaffnet haben.“ Diese Gemeinden würden nicht angegriffen.

Mission ist Menschenrecht

Die immer wieder geäußerte Forderung, Kirchen sollten auf Mission verzichten, da diese den Frieden gefährde, kann Schirrmacher nicht teilen. „Das wäre Selbstaufgabe. Immerhin ist aktive Religionsfreiheit, das Recht auf Mission, ein Menschenrecht. Außerdem kann ein Gläubiger gar nicht unmissionarisch leben. Seine Sexualethik, sein Gerechtigkeitsempfinden, seine Erziehungsideale zu vertreten – all das ist schon missionarisch. Konsequenterweise müsste dann jeder Mensch darauf verzichten, seine Überzeugungen zu verbreiten, auch Greenpeace und die Medien. Aber die Verfolgung ist nicht nur Reaktion auf christliche Mission. Oft steckt dahinter auch der gefährliche Traum von völkischer Homogenität. Alles soll geeint sein: die Religion, das Volk, der Staat. Religiöse Gleichberechtigung und Vielfalt erscheinen dann als Frevel.“

Der 12. November, an dem das Interview erschienen ist, ist der „Weltweite Gebetstag für verfolgte Christen“. In Kirchen und Gemeinden gedenken Gläubige in mehr als 100 Ländern auf allen Kontinenten der Verfolgung von Christen.

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