Nach Selbstverbrennung: Bischof Noack für Toleranz mit Wahrheitsanspruch

E r f u r t (PRO) - Führt die Selbstverbrennung des Pfarrers Roland Weisselberg in Erfurt zu einer kritischeren Auseinandersetzung der Kirche mit dem Islam, zu einem Umdenken des Protestantismus in Deutschland? Das jedenfalls war das Ziel des 73-jährigen Pfarrers, der in Briefen seine Sorge um die Ausbreitung und Bedrohung des Islam in Deutschland als Motiv für seine Tat genannt hat.
Von PRO

Nach der Selbstverbrennung Weisselbergs im Hof des Erfurter Augustinerklosters am Reformationstag gibt es von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) keine offizielle Stellungnahme und Einschätzung der Tat, die an die Selbstverbrennung des evangelischen Pfarrers Oskar Brüsewitz erinnert. Die letzten Worte Weisselbergs vor dessen Selbstverbrennung waren „Jesus“ und „Oskar“. Aus Protest gegen den Totalitätsanspruch des SED-Regimes verbrannte sich der damals 47-Jährige Brüsewitz am 18. August 1976 vor der Marktkirche in Zeitz. Seine Tat erschütterte damals zahlreiche Gemeinden und Pfarrer der ehemaligen DDR, Brüsewitz‘ Beisetzung wurde zu einer stillen Solidaritätskundgebung.

Bischof Axel Noack: „Dialog für den Frieden in der Welt“

Doch einen Vergleich der Taten der beiden Pfarrer lehnt etwa Axel Noack, Bischof der Kirchenprovinz Sachsen und Mitglied der Synode der EKD, ab. In einem Interview mit „Spiegel Online“ sagt Noack: „Brüsewitz und Weisselberg kann man nicht vergleichen. Brüsewitz war während der Herrschaft des Kommunismus Verfolgter. Herr Weisselberg war nicht verfolgt. Der Glaube der Muslime ist keine totalitäre Diktatur.“

Zudem mahnt Bischof Noack, weiterhin im Dialog mit dem Islam zu bleiben. „Die Kirche ist daran interessiert, dass Religionen miteinander im Gespräch bleiben mit dem Ziel, gemeinsam Frieden und Freiheit in die Welt zu bringen.“ Dennoch dürften christliche, westliche Werte nicht über Bord geworfen werden. „Christliche Kirchen können ihr Verhältnis zu anderen Religionen nicht davon abhängig machen, wie diese sich in Teilen selbst verhalten. Für Christen ist die Wahrheit an die Nächstenliebe gekoppelt. Steile Wahrheiten zu vertreten und die Nächstenliebe außer Acht zu lassen, ist unchristlich.“ Die Furcht vor „dem Anderen und Fremdenhass“ komme zudem aus der eigenen Unsicherheit.

Den Islam bezeichnete Noack als eine „konkurrierende Religion“ gegenüber dem Christentum. „Wir haben als Christen ja auch einen klaren Wahrheitsanspruch. Doch gleichzeitig gilt es, tolerant zu sein. Tolerieren kann ich jedoch nur, was ich für falsch halte, sonst wäre es keine Toleranz. Wir wollen andere überzeugen, doch niemals mit Gewalt. Auch nicht mit Gewalt gegen den eigenen Körper.“ Daher verurteile er die Tat des Erfurter Pfarrers Weisselberg, „den Menschen jedoch nicht“.

Bischof Kähler: „Motiv ist für uns unverständlich“

„Jeder Selbstmord ist ein schreckliches Scheitern, nicht nur für den, der sich das Leben nimmt, sondern auch für seine Umgebung“, sagt Christoph Kähler, Landesbischof der Thüringer Landeskirche. „Das von ihm angegebene Motiv für die Selbsttötung ist für uns unverständlich. In Thüringen gibt es nur wenige Erfahrungen im Zusammenleben von Christen und Muslimen und unseres Wissens keine negativen. Ein Rückschluss von der Tat eines Einzelnen auf größere Zusammenhänge ist nicht zu verantworten.“

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