Israelbild ist geprägt von Klischees

Israel kommt in den deutschen Medien schlechter weg als angemessen. Diese Meinung hat die Zeit-Autorin Gisela Dachs bei einem Vortrag in Berlin vertreten. Journalisten zwängen Palästinenser in eine Opferrolle, die es nicht zulasse, sie auch als Aggressor wahrzunehmen, erklärte sie.
Von Anna Lutz
Bei der Berichterstattung über Israel dominieren Bilder der Klagemauer und von Ultraorthodoxen. Den israelischen Alltag jenseits religiöser Klischees zeigen die Wenigsten, findet die Journalistin Gisela Dachs.

„Ich hätte gerne über etwas Einfacheres geredet als dieses Minenfeld“, sagte Dachs zum Einstieg in ihren Vortrag zum Israel-Bild in deutschen Medien an der Freien Universität Berlin am Donnerstagabend. Denn, so gab sie gleich zu Beginn zu: Die Kluft zwischen dem Bild, das die Menschen von Israel hätten, und dem, was sie bei einem Besuch vorfänden, sei groß. Das zeige, dass der Journalismus der Korrespondenten vor Ort kritisch zu sehen sei. Doch: „Das Thema ist wichtig, weil heute in Deutschland wieder auf offener Straße Töne zu hören sind, die wir in der Vergangenheit glaubten“, sagte sie mit Bezug auf antisemitische Ausfälle in der jüngsten Vergangenheit.

Presse zwingt Palästinensern Opferrolle auf

Europäer sähen den Konflikt im Nahen Osten vor allem als Kampf zwischen einem übermächtigen Israel gegen verarmte Palästinenser. Israel selbst hingegen verstehe sich als Insel, umgeben von Feinden – eine gänzlich andere Deutung, die in Deutschland aber kaum anerkannt werde. Dachs sprach von einer „Übervorsicht“ bei der Berichterstattung über Palästinenser. Letztere seien verhaftet in einer Opferrolle. Die Medien nähmen den vermeintlich Schwächeren automatisch in Schutz. „Sie sollten auf Augenhöhe wahrgenommen werden“, forderte Dachs.

Ein Viertel der Deutschen sei Erhebungen zufolge israelfeindlich eingestellt. Bei Journalisten sei dies vermutlich nicht anders. Diese Einstellung fließe in die Berichterstattung ein. So berichtete Dachs, dass Geschichten über vermeintliche Skandale, die sich in Israel abspielten, oft nicht zu Ende erzählt würden. Als Beispiel nannte sie Gesetzesvorhaben, die von „israelischen rechten Hinterbänklern“ eingebracht würden. Diese fänden Aufmerksamkeit in den Medien. Dass diese aber oft nicht umgesetzt würden, finde keine breite Presse mehr. „Es fehlt mir eine ähnlich kritische Akribie bei den Gegnern Israels“, fügte sie hinzu.

Kritik an Markus Lanz-Doku

Als Beispiel missglückter Berichterstattung nannte sie etwa einen in mehreren Zeitungen erschienenen Artikel, der Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in einer Reihe mit Syriens Diktator Baschar al-Assad oder Irans geistlichem Oberhaupt Ali Khamenei nannte.

Kritische Worte fand sie auch für eine Weihnachtsreportage aus Israel des Journalisten Markus Lanz. Zu unbedarft sei sein Team an das Thema herangegangen. So werde ein Palästinenser mit den Worten zitiert, Israel habe die Sicherheitsmauer um Jerusalem errichtet, weil es die Palästinenser nicht mehr sehen wolle. Von Selbstmordattentaten gegen Israel sei kein Wort zu hören gewesen und das Zitat sei einfach so stehen gelassen worden. Die Bild-Berichterstattung über Israel sei geprägt von Klischees. Schnittbilder von Ultraorthodoxen in Israel seien in TV-Stücken Gang und Gebe, auch wenn in der Region, über die im Film berichtet werde, gar keine streng religiösen Juden lebten.

Gisela Dachs ist Journalistin und Senior Lecturer am European Forum der Hebrew University of Jerusalem. Sie ist seit über 20 Jahren Auslandskorrespondentin für die Wochenzeitung Die Zeit in Israel und zudem als freie Journalistin, Buchautorin und Hochschuldozentin tätig.

Von: Anna Lutz

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