Bild-Zeitung jagt Randalierer – Presserat prüft

Die Bild-Zeitung hat auf ihrer Titelseite am Montag Fotos von Randalierern beim G20-Gipfel unverpixelt veröffentlicht. Das Blatt rief dazu auf, Hinweise zu diesen Personen der Polizei zu melden. Der Presserat prüft Beschwerden dagegen.
Von Jonathan Steinert
Randalierer setzten während des G20-Gipfels Barrikaden und Autos in Brand. Mehr als 470 Polizisten wurden bei Zusammenstößen mit gewalttätigen Demonstranten verletzt.

Fotos von 18 Personen, die am Wochenende beim G20-Gipfel randalierten, hat die Bild-Zeitung am Montag veröffentlicht – gedruckt wie auch online. „Gesucht. Wer kennt diese G20-Verbrecher?“, titelte das Blatt dazu. Die Fotos zeigen meist junge Frauen und Männer, die zum Teil vermummt Steine werfen, Mülltonnen in brennende Barrikaden schieben oder Geschäfte plündern. Die Gesichter sind nicht verpixelt. Leser sollen Hinweise zu den Personen an die Polizei melden, schreibt die Bild-Zeitung. Am Dienstag meldete sie, dass sich bereits einer der Abgebildeten Straßenkämpfer freiwillig gestellt habe.

Gegen die Darstellung gingen bis Montagabend zwei Beschwerden beim Presserat ein. Dieser hat bereits mitgeteilt, den Fall zu prüfen. Es geht um die Frage, ob die Zeitung das Persönlichkeitsrecht verletzt hat – oder ob das öffentliche Interesse es rechtfertigt, die Randalierer so zu zeigen, dass sie erkannt werden können. Im Pressekodex verpflichten sich Journalisten dazu, die Anonymität von Straftätern zu gewährleisten, wo das geboten ist. „Namen, Fotos und andere Angaben, durch die Verdächtige oder Täter identifizierbar werden könnten“, dürfen nur dann veröffentlicht werden, „wenn das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit im Einzelfall die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegt“.

Online-Suche nach Böller-Werfer

Bild-Chefredakteurin Tanit Koch begründete das Vorgehen der Zeitung über den Kurznachrichtendienst Twitter damit, dass in diesem Fall das öffentliche Interesse höher anzusehen sei. Klaus Hempel von der ARD-Rechtsredaktion gab gegenüber dem „Faktenfinder“ des Senders zu bedenken, dass hier auch eine Straftat seitens der Bild-Zeitung vorliegen könnte, da die Darstellung einem Fahndungsaufruf gleiche. Einen solchen dürfe nur die Polizei veranlassen. Zudem hätten auch Straftäter ein Recht am eigenen Bild.

Foto: Screenshot pro

In den Sozialen Medien verbreiteten sich weitere Fotos, auf denen Personen identifizierbar waren. Wie der „Faktenfinder“ rekonstruiert, hatte Bild am 7. Juli gemeldet, ein Demonstrant habe einem Polizisten einen Böller ins Gesicht geworfen. Der Polizist habe sich dadurch verletzt und könnte erblinden. Die Polizei gab über die Sozialen Netzwerke jedoch Entwarnung: Keiner der Einsatzkräfte sei erblindet oder habe eine Augenverletzung davongetragen. Bild korrigierte die Meldung, doch diese hatte sich bereits im Netz verbreitet und war tausendfach geteilt worden – verbunden mit dem Aufruf, den Täter zu suchen.

Berichterstatter angegriffen

Identifizierende Fotos hat auch der Blogger Sören Kohlhuber veröffentlicht – allerdings von einer Gruppe von Journalisten. Eine von ihnen zeigte erkennbare Sympathien für die politisch rechts gerichtete „Identitäre Bewegung“. Diese Information verbreitete sich nach Berichten des Branchenportals Meedia schnell über Twitter-Kontakte der linksextremen Antifa. Die Berichterstatter sollen anhand der Fotos erkannt und mehrfach tätlich angegriffen worden sein.

Kohlhuber war auch ehrenamtlich für das Blog „Störungsmelder“ von Zeit Online tätig, jedoch nach Angaben der Seite nicht während des G20-Gipfels. Das Medium verurteilte „das unethische Verhalten“ Kohlhubers sowie eines weiteren Autoren dieses Blogs und beendete die Zusammenarbeit mit ihnen. „Die Verharmlosung oder Rechtfertigung von Gewalt ist nicht mit einer Mitarbeit beim Störungsmelder vereinbar. Wir werden daher mit beiden Autoren in Zukunft nicht mehr zusammenarbeiten“, teilte Zeit Online am Montag mit. (pro)

Von: jst

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