„Ich sehe mich nicht als Opfer“

Sie will Zwangsprostitutierten helfen, nun steht sie selbst in der Kritik: Medienberichten zufolge wollen Gaby Wentland und ihr Verein Mission Freedom Gewaltopfer zwangsmissionieren. Im Interview mit pro bezieht die Christin zu den Vorwürfen Stellung.
Von PRO
Gegenwind bekommt Gaby Wentland derzeit viel. Als Opfer sieht sie sich dennoch nicht - und geht im Interview mit pro in die Offensive
pro: Frau Wentland, seit bekannt wurde, dass Ihr Verein Mission Freedom den Bürgerpreis der deutschen Zeitungen erhalten wird, reißt die Kritik an Ihnen nicht ab. Die taz, der NDR und auch Spiegel Online kritisieren vor allem, Sie würden die Frauen, die sie aus der Zwangsprostitution befreien wollten, eigentlich zu bekehren versuchen. Will Mission Freedom missionieren? Gaby Wentland: Wir bekommen sehr viel Unterstützung gegen die durchsichtige Kritik aus einer bestimmten weltanschaulichen Ecke: Von der Evangelischen Allianz und dem christlichen Netzwerk Gemeinsam für Hamburg zum Beispiel oder vom Bundestagsabgeordneten Frank Heinrich. Und was sollte für Christen falsch daran sein, von der Liebe Gottes zu erzählen? Wir stellen den Frauen in unserem Haus absolut frei, an was sie glauben wollen. Die meisten Frauen bei uns sind übrigens Musliminnen! Sie müssen nicht an Jesus glauben, aber wenn sie unser Gebet wünschen – was die meisten Frauen tun – dann beten wir natürlich gerne für sie. Nächstenliebe und Barmherzigkeit, diese christlichen Werte sind uns sehr wichtig im Umgang mit den Frauen. pro: In der Kritik ging es auch immer wieder um einen Film, in dem eine Frau namens Lisa von ihrem Schicksal als Zwangsprostituierte berichtet. Mission Freedom hat damit für sich geworben. Das LKA geht davon aus, dass Lisas Geschichte frei erfunden ist… Gaby Wentland: Ihre Geschichte ist wirklich schwer nachzuvollziehen, was aber noch lange nicht heißt, dass sie falsch ist. Wir kennen diese Frau seit vielen Jahren. Als sie hörte, dass wir einen Imagefilm für Mission Freedom machen, wollte sie ihre Geschichte erzählen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir ihre Geschichte schon viele viele Male gehört, und wir halten sie für wahr. Ich weiß nicht genau, was das LKA für Informationen haben will… pro: Zum Beispiel sagt das Landeskriminalamt, dass die Frau namens Lisa ihren Vater, von dem sie behauptet, er habe sie als Kind vergewaltigt und in einem Bordell verkauft, nicht kannte, und dass dieser auch niemals ein Bordell besessen habe. Gaby Wentland: Lisa sprach immer davon, dass sie mit ihrem Vater in einer Wohnung und nicht in einem Bordell war und ihn auch erst mit acht oder neun Jahren kennengelernt hat. Weder wir noch das LKA können Details nachprüfen. Die Frau ist traumatisiert! Unabhängig davon gibt es aber viele Menschen mit ihrem Schicksal und Menschenhandel ist eine Realität in Deutschland! pro: Die linke Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Kersten Artus hat außerdem kritisiert, dass Sie Opfer von Zwangsprostitution gefährdeten, wenn Sie sie – wie im Falle von Lisa – ungeschützt der Öffentlichkeit präsentieren. Gaby Wentland: Lisa hat sich freiwillig dazu entschieden. Wir haben ihr sogar davon abgeraten, aber sie sagte sehr klar, dass sie sich mit ihrem Gesicht zeigen wolle, damit die Zuschauer die Geschichte auch glaubten. Ich finde es erstaunlich, dass Abgeordnete besser wissen als die mißhandelten Frauen, was gut ist für sie und was nicht. Und erstaunlich finde ich auch, dass Frau Artus nicht gegen den Abdruck von Fotos von Lisa in den Medien protestiert… pro: Wäre es an dieser Stelle nicht Aufgabe von Mission Freedom gewesen, die Frau zu schützen? Gaby Wentland: Das ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Nach den schlechten Erfahrungen mit Hamburger Medien würde ich diesen Frauen davon abraten, sich in den Medien zu präsentieren. pro: Frau Artus hat auch kritisiert, Frauen, die im Haus von Mission Freedom unterkommen, erhielten Ausgehverbot und müssten christliche Musik hören. Sie haben bereits widersprochen. Lügt Frau Artus also? Gaby Wentland: Alle Frauen, die bei uns leben, haben einen eigenen Schlüssel und dürfen kommen und gehen wie sie wollen. Es gibt nur eine Bedingung: Sie dürfen die Adresse nicht weitergeben. Tatsächlich gab es mal eine Rumänin bei uns, die nach Musik gefragt hat, und wir gaben ihr dann christliche Musik in ihrer Sprache. Aber unsere Frauen können sich natürlich auf anderem Weg Musik beschaffen und sind frei, zu hören, was sie wollen. Ich habe Frau Artus übrigens um ein klärendes Gespräch gebeten, sie hat sich bei mir aber bisher nicht gemeldet. pro: Spiegel Online zitiert aus dem Konzept Ihres Vereins. Darin heißt es: „Außerdem wird ein Betreuungsvertrag zwischen der Klientin und Mission Freedom abgeschlossen, in dem gegenseitige Erwartungen und Verpflichtungen geklärt werden.“ Welche Erwartungen und Verpflichtungen meinen Sie damit? Gaby Wentland: Die Frauen sollen zu ihrem und unserem Schutz die Adresse des Hauses nicht weitergeben und außerdem im Haus mithelfen. Sie dürfen sich erholen und sicher fühlen. Und die Frauen sollen wissen, dass sie Teil einer Gruppe sind und sich beteiligen dürfen, wenn sie können. Das ist alles. pro: Die taz hat Ihnen Ihre Verbindungen zu Missionaren wie Reinhard Bonnke und Pat Robertson zur Last gelegt, weil diese das Evangelium auf aggressive Weise verbreiteten. Bereuen Sie die Verbindung zu diesen Evangelisten? Gaby Wentland: Was heißt denn „zur Last gelegt“? Diese Beziehungen betreffen mein Privatleben und nicht meine Arbeit mit Mission Freedom. Meine Familie ist seit 35 Jahren mit Reinhard Bonnke verbunden, mein Mann arbeitet für ihn. Pat Robertson kenne ich nicht persönlich. Ich distanziere mich auf keinen Fall.

„LKA redet Situation schön“

pro: Stimmt es, dass bestimmte Behörden, das Landeskriminalamt oder Beratungsstellen in Hamburg nicht mit Ihnen zusammenarbeiten, weil sie Ihre religiöse Ausrichtung kritisch sehen? Gaby Wentland: Nein, natürlich arbeiten zahlreiche Behörden mit uns zusammen. Auch die Polizei hat uns offiziell eine gute Kooperation bescheinigt. Es gab aber ein Zerwürfnis mit dem LKA. Jörn Blicke, den unter anderem der NDR zitiert, behauptet, es gebe in Hamburg keine minderjährigen Zwangsprostituierten. Er hat mich sogar dazu aufgefordert, zu unterlassen, von solchen Mädchen zu berichten. Das kann und werde ich aber nicht, weil ich weiß, dass es minderjährige Zwangsprostituierte in Hamburg gibt. Wir wünschen uns eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei und allen Behörden und werden alles tun, damit wir gemeinsam dieses furchtbare Elend der Zwangsprostitution von jungen Frauen in unserem Land beenden können! Ich frage mich allerdings, was oder wer das LKA dazu bewegt, die Situation schöner zu reden als sie leider ist… pro: Die taz berichtete, ihr Mission Freedom House sei im April nicht als Frauenhaus anerkannt worden. Sie haben dementiert und erklärt, sie wollten überhaupt nicht anerkannt werden. Warum nicht? Gaby Wentland: Weil wir dann alle Frauen aufnehmen müssten, die die Stadt uns schickt. Wir wollten uns aber auf die Opfer von Menschenhandel spezialisieren. Wir haben auch nie geplant, ein Frauenhaus zu werden. Aber es gab eine Problematik: Wenn eine Frau bei uns einzog, mussten wir sie beim Einwohnermeldeamt anmelden. Dort bitten wir auch immer um die Einrichtung einer Auskunftssperre. Wir wollten diese Auskunftssperre auch beim Jobcenter erreichen, da es nichts bringt, wenn die Daten bei einer Behörde gesperrt sind, die andere Behörde aber durch die Anforderung von Einkommensnachweisen den Aufenthaltsort der schutzbedürftigen Frau verrät. Diese Sondererlaubnis erteilt in Hamburg wohl nur die BASFI (Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, Anm. d. Red.), wo uns jedoch gesagt wurde, dass nur Frauenhäuser diesen speziellen Schutz hätten. Das war kurz nach unserer Gründung. pro: Sehen Sie sich nach all der öffentlichen Kritik als Opfer einer Kampagne? Gaby Wentland: Ich sehe mich überhaupt nicht als Opfer. Aber ich fühle mich etwas überrannt und frage mich, wem ich etwas Böses getan haben soll. Deshalb bitten wir alle Beteiligten darum, dass wir uns mit ihnen an einen Tisch setzen können, um Missverständnisse, die leicht zu klären sind, auszuräumen. Viele haben gegenüber den Medien über uns und unseren Glauben geurteilt, ohne je mit uns gesprochen zu haben! Wir haben auch sehr viel positive Resonanz bekommen. Viele Organisationen haben uns kontaktiert und mitgeteilt, dass sie uns unterstützen. pro: Frau Wentland, vielen Dank für das Gespräch! Die Fragen stellte Anna Lutz
https://www.pro-medienmagazin.de/journalismus/detailansicht/aktuell/emzeitungsverband-verteidigt-christlichen-vereinem/
https://www.pro-medienmagazin.de/nachrichten/detailansicht/aktuell/buergerpreis-der-deutschen-zeitungen-fuer-emgaby-wentlandem/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/emgott-will-nicht-dass-diese-frauen-leidenem/
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