Abtreibung: „Die Zeit“ berichtet über das Leid der Männer

Fast vier Jahrzehnte nach der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland stellt die Wochenzeitung "Die Zeit" elf Männer vor, die bis heute unter der Abtreibung ihres Kindes leiden. Die Frauen hatten sich gegen ihre Babys entschieden – auch wenn ihre Partner sich anderes wünschten.
Von PRO

„Wir haben abgetrieben!“ Das gaben 374 Frauen 1971 in der Titelgeschichte des Magazins „stern“ zu. Ein Skandal – Abtreibung war damals in Deutschland noch illegal. 38 Jahre später, in Zeiten, in denen jedes achte Kind abgetrieben wird, berichtet „Die Zeit“ in ihrem beiliegenden Magazin über Männer, die die Abtreibungen ihrer Kinder miterleben mussten und bis heute darunter leiden. Denn die Väter, so schreibt das „Zeit Magazin“, fragt in Deutschland niemand. Abtreibung ist Frauensache.

Die Männer berichten in dem Beitrag über ihre Erinnerungen an die Abtreibung ihrer Kinder. Der 62-jährige Ulrich Kurse etwa spricht von Gefühlen der „Wut, Schuld und Ohnmacht“. „Zweimal wurde meine Frau schwanger von mir, zweimal hat sie die Entscheidung ohne mich getroffen. Sie rief erst nach dem illegalen Eingriff aus der Arztpraxis an, ich solle sie abholen. Mit meiner zweiten Frau bekam ich drei Wunschkinder, das war kein Zufall. Auch nicht, dass ich Schwangerschaftskonfliktberater wurde“, erklärt Kruse.

Männer haben kein Mitspracherecht

Wie viele Männer in Deutschland hatte er kein Mitspracherecht bei der Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch. Seit 1974 darf in der Bundesrepublik abgetrieben werden. Die Gesetzesänderung war auch eine Reaktion auf den drei Jahre zuvor veröffentlichten „stern“-Artikel. Immer wieder hatten sich Frauen bei illegalen Schwangerschaftsabbrüchen in Lebensgefahr gebracht, etwa wenn sie versuchten, ihr Kind selbst abzutreiben – „mit Stricknadeln oder Fernsehantennen“, wie das „Zeit Magazin“ schreibt.

Bis 1995 mussten Frauen vor einer Abtreibung eine „soziale Indikation“, also eine Notlage, nachweisen, die die Geburt des Kindes als für sie unmöglich deklarieren sollte. Heute dürfen Frauen ihr Kind bis zur zwölften Schwangerschaftswoche abtreiben, auch ohne sich in einer Notlage zu befinden. Sie müssen sich zuvor beraten lassen. Die Väter werden in der aktuellen Gesetzgebung kaum berücksichtigt. „Das Gesetz, dass die Beratung regelt, hat die Väter praktisch vergessen: Es listet auf, welche Experten man hinzuziehen könnte, Ärzte und Sozialarbeiter, erst ganz am Schluss erwähnt es den ‚Erzeuger'“, informiert das „Zeit Magazin“.

Übergangen fühlte sich auch der 40-jährige Volker Gitt: „Ich freute mich, aber sie wollte das Kind nicht haben. Wir fuhren zur Beratung, dort wollte sie das Gespräch allein führen. Die Beraterin gab mir zu verstehen, dass der Vater des werdenden Kindes hier nicht vorgesehen sei“, erinnert er sich. Die Verzweiflung über seine Hilflosigkeit wurde so groß, dass er den Arzt, der sein Kind abtrieb, sogar anzeigte – ohne Erfolg.

Abtreibungen belasten Männer ebenso wie Frauen

Zahlreiche Experten sind sich sicher, dass ein Schwangerschaftsabbruch Männer ebenso belasten kann wie Frauen. So befragt das „Zeit Magazin“ etwa den Bielefelder Psychologen Wolfgang Neumann, der zugibt: „Männer reden zwar darüber, als ob es sie nichts anginge, und sie wissen auch wenig, aber innerlich sind sie stärker beteiligt, als sie gewöhnlich glauben.“ Anfang der Neunziger Jahre fand die Münchner Psychologin Helgard Roeder heraus, dass die meisten Männer Kindern gegenüber nicht grundsätzlich negativ eingestellt sind. „Der Mann, der einem Klischee zufolge die Frau unter Druck setzt, weil er das Kind nicht haben will, war in Roeders Untersuchung selten: einer von zehn“, schreibt das „Zeit Magazin“. Weiter heißt es: „Viele machten unentschiedenen Frauen sogar Mut. Die Männer fühlten sich in der Zeit der Entscheidung aber alleingelassen, unsicher und orientierungslos.“ Eine Untersuchung unter 75 schwedischen Männern aus dem Jahr 1999 zeigt, dass sie noch Jahre nach der Abtreibung negative Gefühle mit dem Schwangerschaftsabbruch verbanden.

„Tiefe Trauer über die Gewalt, die dem Kind angetan worden war“

Das bestätigen auch Christoph Mittler und Carl Andersson im Interview mit dem „Zeit Magazin“: „Nach der Abtreibung brach ich innerlich zusammen, ich hatte Heulkrämpfe“, erklärt Mittler. Andersson erinnert sich: „Ich spürte tiefe Trauer über die Gewalt, die dem Kind angetan worden war. Dem Mann muss ein Mitspracherecht eingeräumt werden, damit Frauen nicht ganz im Dunkeln abtreiben können.“

Tatsächlich gibt es einige wenige Beratungsstellen, die auch um das Wohl der Männer besorgt sind. Das „Zeit Magazin“ berichtet: „Die katholische Organisation ‚Donum Vitae‘ hat in Bayern männliche Berater eingestellt, in Augsburg, Regensburg und Nürnberg. Auch bei der katholischen Organisation ‚Esperanza‘ beraten Männer, etwa in Bonn, Köln und Düsseldorf. Sie wollen Rat suchenden Männern die Schwellenangst nehmen.“ (PRO)

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