„Rhetorischer Überbietungswettbewerb“: Der Papst in der Medienschelte

Selten stand Benedikt XVI. so in der Kritik wie im Moment. Nach seiner Entscheidung, die Exkommunikation von Bischof Richard Williamson aufzuheben, hagelt es Widerspruch. Doch ist die Sachlage wirklich so eindeutig oder stecken hinter der einhelligen Berichterstattung vielleicht ganz andere Motive? In einem Beitrag für "Zeit Online" kritisiert Buchautor Peter Seewald die Medienvertreter scharf und wagt eine Verteidigungsrede.
Von PRO

Selten war sich die deutsche Presse so einig in ihrer Meinung über das Oberhaupt der katholischen Kirche. Nach seiner Entscheidung, die Exkommunikation von vier Bischöfen der konservativen Pius-Bruderschaft aufzuheben, dürfte Papst Benedikt XVI. die Presselektüre schwergefallen sein, wenn er den Zeitungen und Magazine liest. „Der Entrückte“, schreibt der „Spiegel“ am Montag und widmete Benedikt XVI. gleich das Titelthema. In einem Beitrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ behauptete Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden: „Der Papst fällt zurück ins Mittelalter“. Und der „Tagesspiegel“ überschrieb das Interview mit dem Literaten Rolf Hochhut: „Der Vatikan war immer judenfeindlich!“.

„Der Vatikan war immer judenfeindlich“

Sogar die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, in Kirchenfragen ansonsten eher zurückhaltend, kritisierte das Verhalten des Papstes. Sie forderte eine eindeutige Entschuldigung des Kirchenoberhauptes. Es gehe „darum, dass von Seiten des Papstes und des Vatikans sehr eindeutig klar gestellt wird, dass es keine Leugnung geben kann“, sagte Merkel am Dienstag. Und weiter: „Diese Klarstellungen sind aus meiner Sicht noch nicht ausreichend erfolgt.“

„Die Urteile über Benedikt XVI. sind niederschmetternd“, bringt der Buchautor Peter Seewald die Diskussion treffend auf den Punkt. In seinem Beitrag unter der Überschrift „Der Papst handelt wie Jesus“, den er für „Zeit Online“ verfasste, beleuchtet er die aktuelle Berichterstattung kritisch und stellt die Frage, die andere Medienvertreter scheinbar längst einhellig beantwortet haben: „Ist Benedikt XVI. nun der rätselhafte Papst, wie die Süddeutsche ihre Leser glauben machen will? (…) Hat er wirklich, wie es die Schlagzeilen suggerieren, ´Holocaust-Leugner in die Kirche zurückgeholt`?“

Seewald sagt: Nein. Er kritisiert die Medienschelte der „Oberpäpste in den Redaktionen“ heftig und vergleicht die Berichterstattung mit dem „Falschsprech“ in George Orwells Roman „1984“: Falschsprech sei, „wenn Kriegsminister sich Friedensminister nennen. Und das ist, wenn Journalisten, die kein gutes Haar an dieser Kirche lassen, sich um ihren guten Ruf sorgen“.

„Aufhebung der Exkommunikation nichts anderes als die ausgestreckte Hand“

Insbesondere der in der Presse geäußerten Behauptung, der Papst hätte „Holocaust-Leugner in die Kirche zurückgeholt“, widerspricht Seewald: „Weder der unsägliche Herr Williamson (…) noch die Pius-Bruderschaft sind Teil der katholischen Kirche geworden“, bemerkt er und stellt damit fest, was auch eine Pressemitteilung des Vatikans behauptet: Der Akt der Aufhebung der Exkommunikation bedeute nicht die kirchenrechtliche Anerkennung der Pius-Bruderschaft, sondern nur „die Tür zu einem Dialog“. Seewald ergänzt: „Die Aufhebung der Exkommunikation ist nichts anderes als die ausgestreckte Hand, die nicht einigen wenigen, sondern einer Gruppierung von 600.000 Gläubigen und 500 Priestern gilt.“

„Dialog mit Juden“

Doch warum dann die negative Berichterstattung? Die Motive hierfür sieht Autor Seewald nicht in der Eindeutigkeit der Sachlage, sondern woanders: „Vier Jahre lang konnten sie (die Medienvertreter) es nicht ertragen, dass ein Joseph Ratzinger nicht in das Bild passt, das sie von ihm gezeichnet hatten.“ Seewald spielt auf die Darstellungen Benedikts als Konservativem in der Vergangenheit an. Seewald sieht diese Darstellung als unzureichend an: „Vier Jahre lang haben sie es totgeschwiegen, (…) wenn er in Wort und Tat den Dialog mit anderen christlichen Kirchen, den Muslimen, vor allem aber den ´geliebten Brüdern` jüdischen Glaubens vorantrieb.“

In der aktuellen Debatte sieht er die passende Gelegenheit, die alten Ressentiments wiederzubeleben: „Jetzt wird abgerechnet. (…) Ist da nicht ein neuer Weihbischof irgendwo in Österreich? Es genügt, ihn als ´ultrakonservativ` zu bezeichnen, schon haben wir den Beleg für eine These. Ach, der Papst trägt gerne alte Hüte? Perfekt! Die Analyse: Reaktionärer Kurswechsel im Vatikan“, beschreibt Seewald das Vorgehen einiger Pressevertreter kritisch. Dass Benedikt in der Vergangenheit „nicht müde wurde, jegliche Form von Antisemitismus zu verurteilen“ und einen Weihbischof ernannte, der „als Pfarrer die Glocken seiner Kirche gegen neonazistische, antisemitische Aufmärsche hatte läuten lassen“, passe da nicht ins Bild, schließt er seinen Beitrag.

Ähnlich argumentierte übrigens auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Gegenüber der Onlieausgabe des „Hamburger Abendblatts“ sagte er: „Es gibt inzwischen eine Art rhetorischen Überbietungswettbewerb, der weder gerechtfertigt noch fair, noch in der Sache hilfreich ist“. Dass Papst Benedikt XVI. die Entscheidung zwei Tage nach Bekanntwerden der Williamson-Äußerung von Regensburg, in welcher der den Holocaust geleugnet hatte, aufrecht erhielt und öffentlich vortrug, konnte er aber nicht nachvollziehen: „Das ist nicht nur mir völlig unverständlich“, so Lammert. (PRO)

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