Sprachexperte kritisiert Predigt-Deutsch

Die Sprachqualität der Pastoren lässt oftmals zu wünschen übrig, meint der Journalist und Sprachkritiker Wolf Schneider. In der "Süddeutschen Zeitung" schreibt er: "Die Bibel liest sich besser als die meisten Texte derer, die sie von Amts wegen auslegen."
Von PRO

Zu diesem Schluss war Schneider gekommen, nachdem er die Predigten von 36 evangelischen und katholischen Bischöfen anlässlich Weihnachten und Neujahr gelesen hatte.

Der Reformator Martin Luther hatte noch „dem Volk auf’s Maul geschaut“ und entsprechend verständlich geschrieben und gepredigt. Auf Latein predigen zwar auch die deutschen Pastoren heutzutage nicht mehr – aber gutes Deutsch sprechen sie auch nicht immer, findet Wolf Schneider.

Dass der 83-jährige Sachbuchautor empfindlich ist, wenn es um guten Sprachstil geht, ist bekannt. Schneider war langjähriger Redakteur mehrerer großer deutscher Zeitungen und leitete die Henri-Nannen-Journalistenschule. Er verfasste 26 Sachbücher, darunter Werke wie „Deutsch fürs Leben. Was die Schule zu lehren vergaß“, „Deutsch für Kenner. Die neue Stilkunde“ und „Deutsch für Profis. Wege zu gutem Stil“, die als Standardwerke gelten. Von 1979 bis 1987 und 1991 bis 1992 moderierte er außerdem die NDR-Talkshow.

„Wortgespinste“ hätten für Jesus und Luther „Karriereende“ bedeutet

Nachdem sich Schneider die Predigten von 17 evangelischen und 19 katholischen Pfarrern angesehen hatte, fiel auch hier sein Urteil nicht milde aus. Ein evangelischer Pastor aus Baden predigte: „Nicht menschliche Macht ist gefragt, sondern Bedürftigkeit, die um ihr Angewiesensein auf die heilsame Gnade Gottes weiß“. Und weiter wurde „die vollständige Verzweckung des Menschen“ getadelt ebenso wie „die neuheidnische Vergleichgültigung“. Sätze, die bei einem Journalistenlehrer wie Wolf Schneider Schaudern hervorrufen.

Jesus habe laut einem katholischen Pfarrer aus Fulda „keine Berührungsängste vor der menschlichen Geschöpflichkeit“ besessen. Für Schneider sind derartige Formulierungen ein Grund zur Wehklage: „Geschöpflichkeit! Das muss einem einfallen“, kommentiert der erfahrene Journalist. „So viel scheint klar: Solche Wortgespinste hätten sie beide um ihren Welterfolg gebracht – Jesus ebenso wie Luther.“ Über den Gottessohn werde in Johannes 7,46 immerhin gesagt: „Es hat nie kein Mensch also geredet wie dieser“, und Luther habe „der Mutter im Hause“ bekanntlich aufs Maul geschaut.

Das Wort „Metapher“ erwärmt niemandem das Herz

Aber reden Mütter von „Laizismus“ und „Neuatheismus“, wie ein katholischer Geistlicher aus Regensburg?, fragt sich Schneider, der stets für Schlichtheit und Deutlichkeit in deutschen Texten plädiert. „Was farbig und unschuldig mit dem Esel anfing, endete leider damit, dass der ‚als Tier der Demut gleichzeitig Metapher für Jesus Christus‘ sei“, predigte ein Pastor in Hannover. Schneider kommentiert: „Ja – voll von Metaphern, Sprachbildern, ist die Bibel, aber das Wort ‚Metapher‘ kommt in ihr nicht vor, die meisten Kirchgänger kennen es nicht, und denen, die es verstehen, erwärmt es nicht das Herz.“ Wer nicht tief im Glauben verwurzelt sei, habe laut Schneider Mühe, den Sinn von Sätzen zu erfassen wie „Gott hat sein Gottsein hinter sich gelassen“ – so gehört in Greifswald.

Schneider rümpft ebenso die Nase, wenn Ausdrücke wie „Raubbau an der Schöpfung“, „die schleichende Aushöhlung des Lebensschutzes“ oder „ehrliches Erinnern an das DDR-System“ aufs Papier oder auf die Kanzel kommen. Bei Sätzen wie „Die Seligkeit Gottes fürchtet nicht die traurige Endlichkeit dieser Erde“ lechzte man förmlich nach einfachen biblischen Aussagen wie „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“ (Psalm 23,1), so Schneider.

Allerdings fand der Journalist auch Positives in den Weihnachts- und Neujahrsansprachen. So lobt er etwa die klare Aussage eines hannoverschen Pastors: „Gottvertrauen ist wichtiger als Geld!“ oder den für jeden verständlichen Satz „Gerade heute wird es gebraucht, das trotzige und zuversichtliche ‚Fürchtet euch nicht!'“ von Bischof Wolfgang Huber, dem Ratsvorsitzenden der EKD.

Gerade zu Weihnachten seien die Kirchen doch endlich einmal voll, auch viele junge Leute kämen, erinnert der Sprachexperte. „Würde nicht eben dies zu einer Weihnachtspredigt gehören: die Frommen zu stärken – und die zu umwerben, die überhaupt nur Heiligabend in die Kirche gehen?“, fragt er. „Haben die Bischöfe ihre Chance wahrgenommen?“ Der evangelische Ratsvorsitzende Bischof Huber wusste: „Die Weihnachtsbotschaft ist für alle da – kann sie alle erreichen?“ Schneider meint: „Ja, mit ein paar aktuellen Themen konnte sie das; mit der Sprache meistens nicht.“ (PRO)

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