Islamwissenschaftlerin: Nicht mit Drohgebärden arrangieren

Es ist nicht lange her, da demonstrierten Moslems in Deutschland gegen Sherry Jones' Buch "Aisha - Das Juwel von Medina". Die Lebensgeschichte der Mohammed-Gattin Aisha ist mittlerweile im Pendo Verlag erschienen. Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher hält die muslimischen Bedenken für unberechtigt.
Von PRO

„Den Propheten Mohammed als Liebhaber zu zeigen, muss für gläubige Muslime kein Problem sein“, ist sich Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher sicher. „Focus-Online“ befragte sie zum Thema „Frauen im Islam“. Die Aufregung um Sherry Jones‘ Buch „Aisha – Das Juwel von Medina“, in dem die Autorin unter anderem das Sexualleben des Propheten beschreibt, kann sie nicht nachvollziehen. „Der Islam ist keine Religion, die Sexualität negativ beurteilt, wenn sie im Rahmen der Ehe stattfindet“, so Schirrmacher. Die Beschreibung Mohammeds als guter Liebhaber müsse daher für gläubige Muslime kein Problem sein, sie sei vielmehr Indiz dafür, dass Mohammed seine Frau gut behandelt habe.

Aisha gilt als emanzipierte Frau

Aisha selbst sei ein Beispiel für Emanzipation im Islam. „Aisha gilt wegen ihrer Bildung und ihres Selbstbewusstseins muslimischen Frauenrechtlerinnen heute als großes Vorbild“, erklärt Schirrmacher. Der Einfluss solcher Vorbilder zeige sich etwa im Süden Afrikas: „Marokkanische Frauenrechtlerinnen haben wesentlich an der Familienrechtsreform von 2003 mitgewirkt, die die Polygamie einschränkte, Zwangsheiraten von Minderjährigen verbot und Frauen größere Scheidungsrechte einräumte.“ Trotz dieser Entwicklung, so macht die Wissenschaftlerin klar, sei es um die Rechte der Frauen in vielen muslimischen Gebieten nach wie vor schlecht bestellt: „Einige Muslime vertreten bis heute die Meinung, dass ein ‚leichtes Schlagen‘ der Ehefrau als Konfliktlösung besser sei, als die im Westen übliche Scheidung.“

Keinesfalls, so Schirrmacher, dürfe man Drohgebärden selbst ernannter Religionswächter nachgeben und Bücher aus Angst vor Gewalt nicht publizieren. „Wenn wir der Streitkultur selbst ein Ende setzen […], wird das langfristig keinen Frieden bringen. Es werden stattdessen diejenigen ermutigt, die unsere freie Gesellschaft mit der Androhung oder Anwendung von Gewalt einschüchtern wollen“, erklärt sie gegenüber „Focus“. Der Wunsch nach Respekt seitens muslimischer Bevölkerungsteile sei berechtigt, nicht aber der Aufbau einer Drohkulisse.

„Druck wird durch den politischen Islam aufgebaut“

Ein solcher Druck werde durch den politischen Islam aufgebaut, der im Namen der Religion politische Forderungen stelle. Schirrmacher kritisiert ein solches Vorgehen auch seitens deutscher muslimischer Organisationen im Rahmen der Islamkonferenz: „Es ist nur eine vermeintliche Annäherung, wenn man betont in Menschenrechtsfragen ja gar nicht weit vom westlichen Verständnis entfernt zu sein, gleichzeitig aber die Scharia in allen Bereichen für ein unantastbares Gottesgesetz hält, das Konvertiten vom Islam mit dem Tode bedroht.“

Christine Schirrmacher ist wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz. Zudem ist sie Sprecherin für Islamfragen der weltweiten Evangelischen Allianz sowie Professorin für Islamische Studien an der Evangelisch-Theologischen Fakultät im belgischen Leuven. Sie arbeitet als Dozentin für Islamkunde an der Freien Theologischen Hochschule Gießen und ist mit Vorträgen und Seminaren in der Erwachsenenbildung tätig. 2004 bis 2006 war sie im Arbeitskreis Islam des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland tätig, gehört dem Kuratorium der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), verschiedenen politischen und gesellschaftspolitischen Beratergremien sowie dem Integrationsbeirat der Hessischen Landesregierung an. (PRO)

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