Dänischer Karikaturist: Leben auf der Flucht

Im eigenen Land auf der Flucht, in den letzten beiden Jahren acht Mal umgezogen und zahlreiche Morddrohungen - alles wegen einer Mohammed-Karikatur. Das ist das Leben Kurt Westergaards, des dänische Zeichners der berühmt-berüchtigten Karikatur, die im September 2005 mit elf weiteren in der dänischen Tageszeitung "Jyllands-Posten" abgedruckt wurden.
Von PRO

Seine Karikatur ging um die ganze Welt und sorgte für unzählige negative Schlagzeilen. Westergaard ist einerseits wütend darüber, andererseits hat er sein Ziel erreicht. Die Zeichnung des 73-Jährigen ist nun weltberühmt, der Zeichner ebenfalls. Zu sehen ist der Prophet Mohammed als finsterer, vollbärtiger Mann mit einer Bombe im Turban.

Ein weiterer Zeichner, Flemming Rose, schaffte es rechtzeitig, seinen Namen weitgehend aus der Öffentlichkeit zu entfernen – und verhinderte dadurch ein Leben wie das seines Kollegen. Zwar habe er auch Drohungen bekommen, aber bei weitem nicht in dem Ausmaß wie bei Westergaard, so Rose im Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“. Sogar Unschuldige wurden bedroht: So musste ein unbeteiligter Mann namens Flemming Rose in Dänemark seinen Namen ändern lassen, weil er bedroht wurde.

„Ich bin Zeichner und kein Verbrecher“

Westergaard ist noch heute wütend darüber, bedroht zu werden. „Und das nur deshalb, weil ich meine Arbeit gemacht habe. Ich bin Zeichner. Und kein Verbrecher“, sagte er im Interview. Außerdem macht es ihn wütend, in seinem eigenen Land auf der Flucht zu sein – „es ist absurd“. Dennoch würde er die Mohammed-Karikatur heute genau so noch einmal zeichnen, verriet Westergaard – trotz ausgesetzter Kopfgelder in Höhe von 11 Millionen Dollar für ihn und seine Kollegen.

Durch die Karikatur bedingt gab es sogar über 150 Tote. Dafür fühlen sich die Zeichner, die nur ihre Arbeit gemacht hätten, nicht schuldig. Es sei ein globales Problem, kein dänisches, so Rose. Ursprung seien die Zahlreichen Fälle von Selbstzensur oder Drohungen im Zusammenhang mit dem Islam, die es seit 2000 in ganz Europa gebe. Als Beispiel nennt Rose ein ausgestelltes Bild in Göteborg, das abgehängt wurde, weil ein Zitat aus dem Koran dazu gehört. Mit der algerischen Künstlerin des Bildes sei nicht einmal gesprochen worden. Weiter sagt er: „Die Tate Gallery in London nahm ein Bild von der Wand, das auf Islamisten hätte anstößig wirken können. Hätte.“

„Ich bedauere zutiefst, dass so viele Menschen sterben mussten“

Rose sagte, das Ausmaß der Reaktionen auf die Mohammed-Karikaturen sei kein Zufall. „Die Karikaturen wurden missbraucht. Es wurden systematisch Falschinformationen gestreut“, so der Zeichner. Heute glauben die meisten Menschen im Mittleren Ostern, dass er ein ukrainischer Jude sei, der nichts als das Böse wolle.

Kalt lässt ihn das alles keineswegs. Er bedauere es zutiefst, dass so viele Menschen sterben mussten. „Keine Karikatur ist ein Menschenleben wert, keine“, sagte Rose gegenüber dem „Tagesspiegel“. Westergaard merkte an, dass die damaligen teilweise gewalttätigen Demonstrationen von autoritären Regimen organisiert wurden. Und ergänzte: „Das waren doch keine freien Meinungsäußerungen.“

Rose erklärte, es gehe hierbei um das Recht auf freie Meinungsäußerung. „Wenn wir nach der Methode verfahren würden, wenn ich dein Tabu akzeptiere, akzeptierst du meins, dann wäre das das Ende der Meinungsfreiheit.“ Westergaard ergänzte: „Wenn eine Karikatur es schafft, Aufmerksamkeit auf ein Problem zu lenken, das vorher nicht so deutlich zu sehen war, dann war sie es wert, veröffentlicht zu werden. Meine Karikatur hat den Schleier der Political Correctness in Dänemark zerrissen, der bis dahin über allem lag, was mit dem Islam zu tun hat. Wenn sie einen Wert hat, dann diesen.“

Dänische Botschaften erneut wegen Terrordrohungen geschlossen

Am Mittwoch berichtete die dänische Tageszeitung „Politiken“ unter Berufung auf das dänische Außenministerium, dass Dänemark seine Botschaften in Algerien und Afghanistan wegen „konkreter Terrordrohungen“ geschlossen habe. Grund dafür waren die erwarteten Reaktionen auf die Wiederveröffentlichung der umstrittenen Mohammed-Karikaturen in zahlreichen dänischen Medien im Februar.

Mangelnde Sicherheit vor Ort sei der Hauptgrund für die Schließung der derzeitigen Botschaften. Erik Laursen vom dänischen Außenministerium: „Selbstmordattentäter können leicht in die Nähe der Botschaften kommen und Sprengkörper zünden.“ Das Personal der beiden Botschaften wurde an geheime und sichere Orte verlegt, so die Tageszeitung. Die Botschaft in Algier sei bereits vor einigen Tagen geschlossen worden, und am Mittwoch soll auch das Gebäude in der afghanischen Hauptstadt Kabul geräumt werden. (PRO)

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