„Die Zeit“ zu Weihnachten besonders christlich

Eine Menge christlichen Lesestoff bietet die Wochenzeitung "Die Zeit" (Ausgabe 52) über die Weihnachtsfeiertage. Die aktuelle Ausgabe der Hamburger Zeitung enthält nicht weniger als sieben Artikel, die sich mit religiösen Themen beschäftigen, unter anderem ein Plädoyer für mehr Toleranz zwischen den Gläubigen, einen Kommentar zur neuen Bertelsmann-Studie zur Religiosität und einen Bericht vom Zusammenprall zweier christlicher Strömungen im sächsischen Herrnhut.
Von PRO

Über die aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung, nach der zwei Drittel der Deutschen religiös sind, schreibt „Zeit“-Autor Bernd Ulrich: „Im Streit um den Glauben geht es auch nicht anders zu als an der Börse. (…) Geht es mit dem Glauben in Deutschland nun aufwärts oder abwärts, lohnt es sich also noch, in das Christentum persönliche Energie zu investieren, oder verschwendet man sich bloß an ein historisches Auslaufmodell?“

Unter der Überschrift „Der Glaube wird frei“ vertritt Ulrich die These, dass die Gegenwart „liberaler“ werde, „aber nicht weniger christlich“. 50 Millionen Bundesbürger seien der Studie zufolge „nicht nur einfach Kirchenmitglieder, sie glauben auch wirklich was“. Zum Vergleich rechnet er vor: Der nächstgrößere Verein, der Deutsche Sportbund, hat nur 25 Millionen Mitglieder.

Egal, wie man die Zahlen deute, die Ergebnisse des „Religionsmonitors“ eigneten sich nach Meinung Ulrichs gut als „kleine Offensive der Gläubigen“. Dabei seien es im Grunde die Kirchen selbst, die am innigsten die These verträten, dass die Gläubigen im Land immer weniger würden. „Wer direkt hineinhorcht ins Innenleben der beiden deutschen Kirchen, der wird auf einen Pessimismus treffen, der so tief sitzt, dass ihm mit Zahlen so wenig beizukommen ist wie mit guten Worten oder Gebeten.“

Und tatsächlich verringern sich die Mitglieder der Kirchen, und die Menschen im Land wissen immer weniger über christliche Feiertage und religiöse Traditionen. Doch was wirklich zähle, so Ulrich, sei das „Glaubensnetto“. Dies sei all das, was vom persönlichen Glauben eines Menschen übrig bleibe, wenn man das abziehe, „was nicht wirklich dazu gehört“, etwa die Zwänge der Kirchen. Bei vielen Menschen im Land bestehe im Innersten weiter der Wunsch nach einem persönlichen Glauben.

Soziologe über die „totalitäre Versuchung“ von Religion

Im Artikel „Gott ist gefährlich“ plädiert der Soziologe Ulrich Beck von der Universität München für mehr Toleranz zwischen den Religionen und warnt vor deren „totalitären“ Ansprüchen. „Weihnachten täuscht“, so Beck zu Beginn. In den ansonsten leeren Kirchen fänden sich dann vor allem „Drei-Tage-Christen“, die nur an den hohen Feiertagen in den Gottesdienst gingen und „die religiöse Wiederverzauberung des Alltags als Kirchentheaterdienstleistung konsumieren“.

„Aller Humanität der Religion wohnt eine totalitäre Versuchung inne“, behauptet Beck und gibt fünf Beispiele. So schaffe das Christentum eine Hierarchie zwischen Gläubigen und Ungläubigen, wobei es mit dem Grundsatz „Vor Gott sind alle Menschen gleich“ eigentlich jegliche Hierarchie aufheben sollte. Beck schreibt: „Das Samenkorn religiös motivierter Gewalt liegt im Universalismus der Gleichheit der Glaubenden begründet, die den Anders- oder Ungläubigen entzieht, was sie dem Glaubenden verheißt: Menschenwürde, Gleichheit in einer Welt von Fremden.“

Zu seiner zweiten These schreibt er: „Religiös sein beruht nicht auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder Organisation; es definiert vielmehr eine bestimmte Einstellung zu den existenziellen Fragen.“ Es sei in Europa üblich, mit dem Substantiv „Religion“ einen „klar abgrenzbarer sozialer Satz von Symbolen und Praktiken“ zu unterstellen, die man nur entweder glauben oder nicht glauben könne. Im Gegensatz dazu schafften sich immer mehr Menschen in der westlichen Welt einen „eigenen Gott“, der zum „eigenen Leben“ passe.

Weitere Schwierigkeiten, die Beck sieht, sind der Absolutheitsanspruch des Papstes die „Nationalisierung Gottes“. „Man akzeptiert die einheitliche Freund-Feind-Abgrenzungslogik für Nation wie für Religion und schließt infolgedessen die Alternativen transnationaler und interreligiöser Toleranz aus dem Horizont des Möglichen aus.“

Heilung durch Glauben

Dem Zusammenhang zwischen dem medizinisch anerkannten „Placebo“-Effekt und Wunderheilung spürt „Zeit“-Autor Ulrich Schnabel in seinem Artikel „Die Medizin des Glaubens“ nach. Immer mehr Mediziner könnten nachweisen, dass Glaubensvorstellungen den Heilungsprozess von Krankheiten beeinflussen. Was dabei oft einzig wirke, sei die Erwartungshaltung der Patienten. „Für Forscher, die solche Phänomene studieren, ist der biblische Hinweis auf die Berge versetzende Kraft des Glaubens kein frommer Wunsch, sondern ein medizinischer Effekt.“ Der „Zeit“-Reporter berichtet von faszinierenden Effekten, die der Placebo-Effekt mit sich bringt. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und heißt „Ich werde gefallen“.

In Bezug auf Jesus schreibt er: „Offenbar kannte auch der größte Heiler der Christenheit diesen Mechanismus. Denn wann immer Jesus in der Bibel einen Kranken heilte, etwa die ‚blutflüssige Frau‘ (Luk. 8.48) oder den Blinden (Luk. 18.42), spricht er die magische Formel: ‚Dein Glaube hat dir geholfen‘ (und nicht etwa: ‚Gott hat geholfen‘).“

Christlicher Präsidentschaftskandidat mit lustigem Namen

Dem Baptistenprediger und republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mike Huckabee widmete die „Zeit“ ebenfalls ein Artikel. Titel: „Osama und die Huck-a-Biene“. „Zeit“-Autorin Andrea Böhm bescheinigt dem „netten Fundamentalisten von nebenan“ darin gute Chancen bei den nächsten US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2008. Der ehemalige Gouverneur aus Arkansas habe nicht nur einen komischen und unverwechselbaren Namen, sondern sei auch sonst ein „quietschvergnügter“ Mensch. Diese Eigenschaft komme beim republikanischen Wahlvolk derzeit gut an, schreibt Böhm. Bei den konservativen Präsidentschaftsbewerbern liege er laut Umfragen vorne.

Streit unter Christen in Herrnhut

„Zeit“-Autorin Claudia Keller versucht dagegen, die unterschiedlichen Strömungen innerhalb des Christentums zu erfassen. Zu diesem Zweck reiste die Journalistin nach Herrnhut. Das 2.500-Seelen-Dorf in Sachsen ist Sitz der pietistisch geprägten „Brüdergemeine“, die 1722 von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf gegründet wurde. Vor drei Jahren hat sich die Organisation „Jugend mit einer Mission“ (JMEM), die eher „evangelikal-charismatisch“ geprägt ist, ebenfalls in dem Dorf in der Oberlausitz angesiedelt – „und einen kleinen Kampf der Kulturen ausgelöst“.

Denn kaum sei die JMEM in Herrnhut angekommen, habe sie sich im Internet als der einzig authentische Nachfolger des Grafen von Zinzendorf ausgegeben, schreibt Keller in ihrem Artikel „Mit Jesus an die Front“. Diese „kalkulierte Provokation gegen die Konkurrenz“ sei bei der Brüdergemeine nicht gut angekommen. Unterschiedliche Auffassungen von Glaube und Mission hätten ein Übriges getan und einen Konflikt entstehen lassen, „der im Kleinen zeigt, was das Christentum im Großen beschäftigt“: Was macht einen guten Christen aus, wie wörtlich ist die Bibel zu nehmen, welcher Weg führt zu Gott und wie vermittelt man diesen Weg Nichtchristen?

Engel und Pilger

Im Literaturteil der „Zeit“ liegt zur weihnachtlichen Zeit zudem ein Schwerpunkt auf dem Thema Engel. Zum einen rezensiert ein Autor die Bücher „Das Schweigen der Engel“ von Andrei Plesu und „Die Beamten des Himmels“ von Giorgo Agamben. Beide Schriftsteller haben damit die Himmelsbotschafter philosophisch gewürdigt. Zum anderen veröffentlicht die Wochenzeitung zehn Gedichte über Engel, die von bekannten Autoren verfasst wurden, deren Namen der Leser erraten muss.

Auch der Reise-Teil greift ein religiöses Thema auf: Madlen Ottenschläger berichtet vom derzeitigen Trend zur Pilgerreise. „Allein 2006 pilgerten 150 Millionen Menschen weltweit, in diesem Jahr werden es 190 Millionen sein“, schreibt sie. „Auch in Deutschland nimmt der religiöse Tourismus zu“, weiß der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Ernst Hinsken, zu berichten. Was sie treibt, sei die Sehnsucht nach Stille, Spiritualität und Lebenssinn.

Der Christ Karl May

Abschließend befasst sich die Rubrik „Zeitläufte“ mit dem Roman-Autoren Karl May, der mit seinen Büchern nicht nur unterhalten wollte, sondern „immer glaubte, eine Mission zu haben“. „Liest man diese Romane heute, da der Krieg gegen den Terrorismus zum Krieg der Kulturen zu eskalieren droht, dann entdeckt man in ihnen einen frühen Streiter für die christliche Welt“, schreibt „Zeit“-Autor Ludger Lütkehaus.

Der 1842 im Erzgebirge geborene May ist nicht nur Autor der Abenteuer-Bücher über Old Shatterhand und Winnetou, sondern auch von Werken wie „Christus oder Mohammed“ und „Frieden auf Erden“. In beiden geht es auch um religiöse Fragen und um ein Christentum, das dem Islam überlegen ist. „Die Begegnung der beiden Religionen wird zu einem frühen clash of civilizations“, schreibt Lütkehaus. Auch Mays Roman „Durch die Wüste“ zeige zum Teil „frappierende Parallelen zu den heutigen Szenarien“. Ein Leser schrieb dem damals erfolgreichsten Schriftsteller deutscher Sprache aus der Ferne: „Ich bin Missionar, und Sie sind es auch. Meine größten Schätze hier im Innern Afrikas sind das Wort Gottes und Ihre Bücher.“

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